Zirkuläres Fragen. Fritz B. Simon

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Zirkuläres Fragen - Fritz B. Simon страница 9

Zirkuläres Fragen - Fritz B. Simon Systemische Therapie

Скачать книгу

ebenso wie für Therapeuten. Durch Fragen nach diesem Unterschied wird außerdem stillschweigend mitgeteilt, daß Therapie ein begrenztes Unternehmen ist. Wenn es Merkmale der Unterscheidung für den Therapieerfolg gibt, so droht keine unendliche Behandlung, und beide Seiten, Klienten wie Therapeuten, können gemeinsam überprüfen, wie weit man auf dem Weg zu diesem Ziel schon fortgeschritten ist. Das gilt natürlich nur, wenn solch ein Ziel konkret auf einer beobachtbaren Ebene, d. h. im allgemeinen: auf der Verhaltensebene, beschrieben wird und nicht in irgendwelchen Abstraktionen verschwimmt (z. B. „Bessergehen“, „Glück“, „Reife“). Deswegen empfehlen sich Fragestellungen wie „Wenn ich jetzt eine Videokamera einschalten würde und Ihre Situation filmen würde und wenn ich dasselbe nach einer erfolgreichen Therapie machen würde, was wäre der Unterschied zwischen den beiden Filmen?“ oder „Wenn heute nacht eine gute Fee käme und Sie an Ihr Ziel brächte, was wäre morgen früh anders?“

      Eine solche Fokussierung der Aufmerksamkeit auf die „Lösung“ bringt häufig erst den Prozeß der Suche nach solchen Merkmalen der Unterscheidung in Gang. Das ist oft an sich schon eine Veränderung. Meist kommen ja Personen in Therapie, die einigermaßen genau sagen können, woran sie ihr „Problem“ erkennen, nicht aber, woran sie merken würden, daß es „gelöst“ ist.

       Noch komplizierter ist die Situation, wenn sich die Therapiewünsche auf einen Angehörigen beziehen. Es gibt häufig voneinander abweichende Therapieziele, in unserem Beispiel wird die Außenperspektive der Tochter über die Wünsche der Mutter erfragt. Das Interesse des Therapeuten gilt erst in zweiter Linie den tatsächlichen Wünschen und Zielen der Mutter; im Vordergrund steht, wie diese Wünsche und Ziele von den anderen gesehen werden. Denn die Mitglieder einer Familie reagieren – das kann nicht oft genug wiederholt werden – nicht auf die Gefühle und Gedanken des jeweils anderen, sondern darauf, wie sie denken und fühlen, daß der andere fühlt und denkt …

      SCHWESTERNa, für das Gespräch heute ist das Wunschziel, würd ich sagen, daß eine ernsthafte Beschäftigung mit den ganzen anstehenden Problemen einfach ins Rollen kommt. Daß dann Schritt für Schritt einerseits das Klima zu Hause offener, freundlicher und herzlicher wird, daß der Ernst sicherer auf neue Situationen zugeht, daß er weniger Angst hat und daß sie ihn weniger antreiben muß …

      FRITZ SIMONAber das wären nicht alles Ziele für das heutige Gespräch, oder?

      SCHWESTERNein, das wär so ein Ansatz, ein Schritt in die Richtung.

      FRITZ SIMONJa, bleiben wir einmal bei dem heutigen Gespräch … Was wäre denn für Ihre Mutter ein Zeichen, daß es in die richtige Richtung geht …Woran wird es Ihre Mutter im Alltag merken? Morgen zum Beispiel! Was wird morgen anders laufen als gestern, wenn dieses Gespräch sinnvoll ist? An wessen Verhalten wird sie es merken, an (zum Bruder gewandt) Ihrem oder an wessen Verhalten?

      MUTTERSoll ich jetzt darauf antworten?

      FRITZ SIMONNein, ich frag Sie gleich, ob Sie sich da wiedererkennen und ob Ihre Tochter das richtig sieht, aber ich bin erst einmal an Außensichten interessiert!

      SCHWESTERJa, an Ernsts Verhalten.

      FRITZ SIMONUnd was wäre das für ein Verhalten, wenn das jetzt hier die sensationellste Sitzung der Welt wäre, wie wird er sich verhalten – aus Sicht Ihrer Mutter?

      SCHWESTEREr würde morgen früh ins Büro gehen. Er würde sagen: Der Chef ist zwar ein Arsch, aber mit dem komme ich schon irgendwie klar! Ich mache die Prüfung, ja, ich gehe das an. Soviel kann mir da ja gar nicht jetzt passieren. Das werde ich schon schaffen! Und für Samstag nehme ich mir dann vor, daß ich einen Freund anrufe, den ich schon lange nicht mehr angerufen habe, und gehe mit dem irgendwo spazieren, oder so was, also ich nehme mir von mir aus etwas vor für das Wochenende mit dem Freund.

      MUTTER(lacht) Das hat sie sehr schön gesagt.

       Einen Außenstehenden über die Beziehung zweier anderer zu fragen hat nicht nur den Vorteil, daß die Betroffenen eine Rückmeldung darüber erhalten, wie ihre Beziehung von außen gesehen wird, sie erhalten auch die Chance, sich verstanden zu fühlen …

      FRITZ SIMON(zur Mutter) Sie strahlen, daraus folgere ich, daß Sie sich da ganz gut beschrieben fühlen.

      MUTTERDaß ich mich sehr, sehr freuen würde, wenn dieser Erfolg schon mal eintreten würde!

      FRITZ SIMON(zur Schwester) Und Ihr Bruder, was ist für ihn ein Erfolg dieser Sitzung? Woran wird er das merken?

      SCHWESTERDaß die Augen vielleicht einmal weniger gelb sind, wenn er morgens in den Spiegel schaut, daß die Streßsituation mal einfach weg ist.

      FRITZ SIMON(zum Sohn) Das heißt, Sie schauen morgen in den Spiegel und wissen, ob das hier eine gute Sitzung war?

       (Bruder und Schwester lachen)

      FRITZ SIMON(zur Schwester) Was noch?

      SCHWESTERWas noch? Ja, so das Gefühl: Eigentlich kann ich’s angehn! Neue Situationen können mich gar nicht so aus der Bahn werfen, daß sie nicht bewältigbar sind … Einfach so dieses Stück: Ich kann! Ja, ich probier’s!

      FRITZ SIMONUnd was wird Ernst dann tun, wenn er das Gefühl hat: Mich kann nichts aus der Bahn werfen?

      SCHWESTERWas wird er tun? Ja, das sind zwei Situationen. Einmal schauen, was sind die positiven Aspekte der Arbeitssituation, die mir eigentlich auf den Nerv geht. Was hab ich da eigentlich? Ist es nur nervig, oder kann ich dem auch etwas abgewinnen? Und das andere wär halt, mal wirklich zu schauen, wo sind Freunde? Oder wen kann ich ansprechen und es dann auch tun?

      Der Indikativ in den Fragen des Therapeuten ist grammatikalisch natürlich falsch. In gutem Deutsch hätte hier der Konjunktiv verwendet werden müssen. Der Indikativ hat aber eine gewisse suggestive Wirkung, er nimmt das, was sein könnte, als bereits geschehen voraus.

      Die Antworten der Schwester zeigen, daß sie die „Einladung“ zum Perspektivwechsel angenommen hat. Ihre Aussagen über die potentielle Sichtweise des Bruders sind in der Ichform, das heißt, sie nimmt die Position des Bruders ein und spricht für ihn.

      FRITZ SIMONWird er es in erster Linie im Arbeitsbereich merken, im Umgang mit irgendwelchen Kollegen und Chefs, oder eher im Bereich mit Freunden?

      SCHWESTERIch vermute mal, daß es jetzt vordergründig mehr Auswirkung im Arbeitsbereich hätte und in der Familie. Bei Freunden kenn ich mich zu wenig aus. Also ich seh momentan keine …

      FRITZ SIMONJa, würde er es eher daran merken, daß er etwas anders macht oder daß die anderen etwas anders machen?

      SCHWESTERDaß er es anders macht.

      FRITZ SIMONUnd wie säh es aus?

      SCHWESTERDas Sehen von etwas Positivem oder das Schauen auf etwas Positives …

      FRITZ SIMONDas heißt, er würde eine rosa Brille tragen, damit man das Gelb im Auge nicht mehr sieht?

       (Schwester lacht, Bruder schmunzelt)

      Der Umgang mit den körperlichen Symptomen ist hier eher locker flockig und wahrscheinlich nicht der tatsächlichen Lebensbedrohung, die damit verbunden ist, angemessen. Aber ein ängstliches Nicht-drüber-Sprechen eröffnet im allgemeinen keine neuen Optionen. Daher empfiehlt sich eher der respektlose Umgang mit ansonsten respekteinflößenden Themen.

      FRITZ

Скачать книгу