Handbuch der Sprachminderheiten in Deutschland. Группа авторов

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setzt Code-Switching ein, um die vorherige Aussage zu unterstreichen, und M hebt durch den Sprachwechsel einen Unterstützungsbedarf und einen Wechsel der Diskursebene hervor. Das Code-Switching auf Satzebene hat dementsprechend hier eine emphatische Funktion oder fungiert als Machtmittel. Dieser Typus des Code-Switching wird von den Schülerinnen und Schülern häufig verwendet. Sie wechseln entweder in eine Sprache, die im Kontrast zur Sprachwahl des Gegenübers in der vorhergehenden Äußerung steht, oder sie wiederholen eine Aufforderung mithilfe von Code-Switching, also in der jeweils anderen Sprache, und verstärken sie dadurch. Die Verwendung von ungefähr durch I deutet kaum auf eine semantische Lücke hin, sondern soll eher eine Hervorhebung signalisieren.

      Wenn Schülerinnen und Schüler zwischen den Sprachen hin- und herwechseln, ohne dass damit eine bestimmte Absicht verbunden ist, kann das Ausdruck von einer spielerischen Sprachverwendung sein, oder es kann genutzt werden, um die Minderheitsidentität zum Ausdruck zu bringen: „Ich kann beide Sprachen, sowohl die der Minderheit als auch die der Mehrheit, und außerdem auch die internationale Sprache Englisch.“ Diese Form des Sprachgebrauchs kann als globalisierte Jugendsprache bezeichnet werden; Hinweise darauf finden sich auch bei vielen Jugendlichen der deutschen Mehrheit in Südschleswig, die Deutsch und Englisch verwenden.

      Im folgenden Beispiel sprachen die SchülerInnen2 unmittelbar vorher dänisch. Deshalb ist hier Deutsch markiert, da es die Sprache ist, in die gewechselt wird.

       (2) M: lass mal julesange singen. lad os synge julesange. lass mal Weihnachtslieder singen. Lass(t)3 uns Weihnachtslieder singen.‘I: er der wird interviewt.

       ALLE [singen]: regn og slud i sne og frost. ‚Regen und Graupel in Schnee und Frost.‘B: hier euer Hund.I: ja das ist gut. das ist gut. det er godt. det er godt B. det er meget godt.‚[…]. das ist gut. das ist gut B. das ist sehr gut.‘M: sving dig med omkring.‚dreh dich mit rum.‘I: sving dig. the dog is4 genauso big wie the baby‚dreh dich. der Hund ist genauso groß wie das Baby.‘

      Das Code-Switching der zweisprachigen Sprecherinnen und Sprecher ist nicht als Ausdruck dessen zu sehen, dass Deutsch und Dänisch nicht unvermischt gesprochen werden können. Wenn die Schülerinnen und Schüler mit fremden, einsprachig dänischen InterviewpartnerInnen interagieren, wechseln sie die Sprache so gut wie gar nicht. Auch beim Erzählen von Bildergeschichten auf Dänisch, die Bestandteil des Dänischunterrichts sind, ist Code-Switching nur vereinzelt zu beobachten und betrifft vorzugsweise Einzelwörter.

      4.3.2 Schriftsprache

      Dort, wo schriftliche Code-Wechsel zum Ausdruck bringen, dass beide Sprachen ihre jeweilige Funktion im Sprachgebrauchsmuster innehaben, sind sie analog zum situationellen Code-Switching zu sehen. Wo sie an eine Norm anknüpfen, die das Code-Switching bereits integriert und wo von einer (mehr oder weniger) übereinstimmenden Kompetenz zwischen Sender und primärem Empfänger auszugehen ist, besteht eine Parallele zum konversationellen Code-Switching.

       Situationelles Code-Switching

      Texte der Minderheiten-Partei SSW enthalten gelegentlich Beispiele für situationelles Code-Switching (Pedersen 2000/II: 205f.). Je nach Art der Mitteilung wird in diesen Fällen zwischen Dänisch und Deutsch gewechselt. Für zentrale Aussagen wird i.d.R. Deutsch gewählt, während der übrige Text auf Dänisch geschrieben ist. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die wichtigsten Inhalte allen zugänglich sind, sowohl den potentiellen monolingual deutschen Wählern und der deutschsprachigen Presse als auch den bilingualen Wählern. In Leserbriefen der Flensborg Avis findet man ebenfalls Sprachwechsel, die diesem Muster folgen. Als strukturbedingt und damit in gewisser Weise situationell lassen sich auch die Sprachwechsel interpretieren, die auf Internetseiten mit dänischem Text und deutschen Metadaten auftreten (vgl. Kap. 6 unten).

       Konversationelles Code-Switching

      Eine Parallele zum konversationellen Code-Switching sieht man in den Briefen der jugendlichen Zweisprachigen, wo sich Dänisch und Deutsch zeilenweise abwechseln. Auch in den sog. Gelegenheitsliedern (lejlighedssange, Lieder oder Gedichte, die für einen konkreten persönlichen Anlass geschrieben werden) findet man sowohl in privater Umgebung als auch in Vereinen ein entsprechendes Code-Switching.

      An der Duborg Skolen geben die Abiturienten ein Blå Bog (‚Blaues Buch‘) heraus, in dem sie sich selbst und ihre Lehrer charakterisieren. Dieses Buch ist ein Beispiel für freie und spontane schriftliche Ausdrucksweise von Jugendlichen und für Jugendliche an einem dänischen Minderheitengymnasium, bei dem es sich offiziell um eine monolinguale (dänische) Bildungseinrichtung handelt, an der jedoch sowohl die Lehrkräfte als auch die Schülerinnen und Schüler bilingual (Dänisch-Deutsch) sind. Die monolinguale Norm der Schule spiegelt sich im Sprachgebrauch der Lehrkräfte wider, in dem so gut wie kein Code-Switching zu beobachten ist. Die Texte der Schülerinnen und Schüler weisen jedoch häufiges Code-Switching auf, zum Beispiel in der Ausgabe von 1995. Das Code-Switching hat in diesen Abschiedstexten an die Schule und füreinander mindestens drei verschiedene Funktionen. Es soll zum einen zeigen, dass die Schülerinnen und Schüler zweisprachig sind, wobei Deutsch die dominierende gemeinsame Sprache ist; weiterhin reflektiert es, dass sie nicht länger Rücksicht darauf nehmen, dass die Schule nur eine einsprachig dänische und eine einsprachig deutsche Schriftsprachnorm verfolgt. Die Schülerinnen und Schüler orientieren sich an einer mehrsprachigen Norm, und ganz gewiss wollen sie auch demonstrieren, dass Code-Switching ihnen Spaß macht und zu einer bunteren Form von Kommunikation beiträgt. Es wird als ein positives Sprachkontaktphänomen wahrgenommen.

      Die Sprachgebrauchsmuster im Blå Bog lassen sich daher als ein Losreißen von den Normen interpretieren, als eine Abrechnung mit der monolingualen Norm und als Ausdruck der Solidarität innerhalb der Gruppe. Damit können die Jugendlichen eine kollektive Identität zum Ausdruck bringen, die eine regionale wie globale Mehrsprachigkeit beinhaltet (Deutsch, Dänisch, Englisch) und eine von Humor geprägte Einstellung zum Leben widerspiegelt.

      Dementsprechend ist hier von einem „We-Code“ und einem „They-Code“ auszugehen (Gumperz 1982). Doch die Trennlinie liegt nicht, wie bei Gumperz, darin, dass der Minderheiten-Code, Dänisch, mit Solidarität verknüpft ist und daher automatisch den „We-Code“ ausmacht, der dem Mehrheits-Code (oder „They-Code“) Deutsch gegenübersteht. Bei den Abiturienten ist davon auszugehen, dass der bilinguale Code mit Code-Switching den „We-Code“ ausmacht. Demgegenüber steht als „They-Code” die monolinguale Norm sowohl der Minderheitsschule und des zugehörigen Landes Dänemark als auch die monolinguale Norm der Umgebungsgesellschaft, Deutsch.

      Beispiele für Code-Switching aus dem Blå Bog aus dem Jahr 1995 (im Original keine typographische Unterscheidung):1

      1 Intersententiales Code-SwitchingFester har der også tidligere været – vi husker tydeligt en fest hos A.M. i 10. klasse. Mensch P., es gibt doch elegantere Weisen, wie man seine Kleidung versauen kann. (S. 86)‚Feste hat es auch früher gegeben – wir erinnern uns deutlich an ein Fest bei A.M. in der 10. Klasse. […].‘

      2 Intrasententiales Code-Switching (umfasst mehrere Wörter innerhalb eines Satzes)Bei Wind und Wetter står hun nede på Holm og sælger is – Janny’s Eisschnitte! (S. 60)‚Bei Wind und Wetter steht sie unten am Holm und verkauft Eis […]!‘

      3 Code-Switching eines EinzelwortesMen for Literaturgeschichte gælder det samme. (S. 51)‚Aber für Literaturgeschichte gilt dasselbe.‘

      Den Abschluss sollen drei Beispiele bilden, in denen Code-Switches aller drei genannten Arten auftreten und in denen alle drei Sprachen – Dänisch, Deutsch, Englisch – Verwendung

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