Handbuch der Sprachminderheiten in Deutschland. Группа авторов

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bezeichnet. Die Wahl kann auf eine der Sprachen oder auch auf den Wechsel zwischen den Sprachen fallen.

      Sind jedoch eingeladene Gäste anwesend, die nicht der Minderheit angehören und kein Dänisch sprechen, ist es unter allen Umständen legitim, von Dänisch in die Sprache der Gäste zu wechseln. D. h., in diesen Kontexten gilt nicht das Dänische als einzige Norm; hier herrscht das ethische Prinzip vor.

      Gibt es TeilnehmerInnen, die der Minderheit angehören, jedoch kein Dänisch beherrschen, kann es dennoch vorkommen, dass Dänisch als Normideal im Vordergrund steht, ohne dass in die andere Sprache gewechselt wird. Das kann bei Elternabenden u.ä. Veranstaltungen im schulischen Zusammenhang der Fall sein, während bei gleichen Gelegenheiten an anderen Orten (z.B. bei einem Elternabend an einer anderen Schule) der Sprachwechsel legitim ist. Die gleiche Bandbreite an Sprachwahlentscheidungen findet sich im Zusammenhang mit dem Sport. Bei einer Vereinsversammlung kann zum Beispiel 65-mal zwischen Dänisch und Deutsch gewechselt werden, während in einem anderen Sportverein nur Dänisch gesprochen wird. Dies kann zur Folge haben, dass die monolingual deutschsprechenden Mitglieder aus dem Verein austreten.

      Situationelles Code-Switching tritt auch auf, wenn der Dialog sich von einer formellen Situation mit öffentlichem Charakter in eine informelle und stärker privat geprägte Situation verlagert. In einem Minderheitskontext können zum Beispiel zwei KollegInnen während der Arbeit im Büro Dänisch miteinander sprechen; das ist die Norm. Sie sprechen auch auf dem Weg zur Kantine oder Cafeteria miteinander Dänisch, doch wenn sie dort sind, wechseln sie zu Deutsch; nun ist das Gespräch privat. Dieser Wechsel findet nicht aufgrund eines Themenwechsels statt, sondern weil sich der Rahmen geändert hat. Er wird nun als privat wahrgenommen. Beide sprechen Deutsch als Erst- und Familiensprache und verwenden daher im privaten Umfeld Deutsch. Wenn weitere Gesprächsteilnehmer hinzukommen, wechseln sie ggf. wieder zu Dänisch, da sich der Gesprächsraum dadurch von privat zu öffentlich ändert und von einer vollständig informellen zu einer stärker formellen Situation wechselt.

      Wenn die Teilnehmer einer Besprechung oder Sitzung von den offiziellen Tagesordnungspunkten zum Kaffee übergehen und dabei evtl. auch den Ort wechseln, kann man in gleicher Weise eine Reihe von Sprachwechseln von Dänisch zu Deutsch beobachten, die als situationelles Code-Switching zu kategorisieren sind.

       Code-Switching und Sprachwechsel in der Schule

      Code-Switching und Sprachwechsel unter Kindern in der Schule ist von einer Reihe äußerer Faktoren abhängig. Wenn der lehrergesteuerte dänischsprachige Unterricht den Rahmen bildet, tritt weniger Code-Switching auf als während einer Gruppenarbeit mit Dänisch als Zielsprache, wenn Dänisch die Minderheitszweitsprache der beteiligten Kinder ist. Hier bestehen jedoch deutliche Unterschiede zwischen großen und kleinen Schulen (s.u.). In den Pausen ist die gemeinsame Sprache der SchülerInnen in der Regel Deutsch, ohne dass zum Dänischen gewechselt wird.

      In zahlreichen kleinen Schulen wird in der Theorie und mehr noch in der Praxis Wert darauf gelegt, dass die Kinder frühzeitig ein Sprachbewusstsein dafür entwickeln, welche Funktionen Dänisch und Deutsch in der Minderheit und in der deutschen Gesellschaft übernehmen. Dabei wird hervorgehoben, dass beide Sprachen gleichwertig sind, jedoch jeweils ihren Platz bzw. ihre Funktion haben. Die SchülerInnen sprechen in den Pausen untereinander ausschließlich Deutsch, doch in Gruppenarbeiten, die per se als „dänischsprachig“ definiert sind, sprechen sie in der Regel Dänisch, ohne zu wechseln. Die Klassen sind klein, die SchülerInnen sprechen immer Dänisch mit den Lehrkräften, und während des gesamten Schultages besteht ein enger dänischsprachiger Kontakt zwischen den Lehrkräften und den SchülerInnen, so dass die dänischsprachige Kommunikation zwischen diesen beiden Gruppen sowohl die professionelle Unterrichtsprache als auch eine stärker emotionale Alltagssprache umfasst. Darüber hinaus interagieren die SchülerInnen häufig mit den Schulbusfahrern und dem Reinigungspersonal, und diese Kommunikation findet ebenfalls auf Dänisch statt. Hinzu kommt, dass die Eltern Interesse am Dänischerwerb ihrer Kinder haben. Sie nehmen aktiv am Schulleben teil und sprechen selbst so viel Dänisch, wie es ihnen möglich ist.

      In großen Schulen ist die Verwendung von Dänisch in erster Linie auf den professionellen Kontakt zwischen den SchülerInnen und den Lehrkräften, den dänischsprechenden Erwachsenen, während der Unterrrichtsstunden beschränkt, während Deutsch, als Familiensprache der SchülerInnen, im Laufe des Schultages einen größeren Anteil hat. Der Kontakt zwischen Schule und Zuhause gestaltet sich selten so eng wie bei den kleinen Schulen, und das Bewusstsein für die funktionale Verteilung der Sprachen ist daher nicht immer so hoch. Das kann eine Rolle dabei spielen, dass Code-Switching und Sprachwechsel in den großen Schulen mit einer hohen Schülerzahl pro Klasse in der schülerzentrierten Gruppenarbeit deutlich häufiger auftritt als in den kleinen Schulen (vgl. Kühl 2008, Pedersen 2000).

       Konversationelles Code-Switching in der gesprochenen Sprache

      Unter den erwachsenen Zweisprachigen, die von Dänisch zu Deutsch wechseln, umfasst der deutsche Teil häufig Zitate und Zitatwörter, die mit dem Leben in der deutschen Gesellschaft in Zusammenhang stehen, zum Beispiel mit der Krankenversicherung oder dem Steuerwesen. Ist dagegen Deutsch die Ausgangssprache, können dänische Zitate und Zitatwörter zum Beispiel mit Bezug auf die dänische Schule auftreten. Auch Interjektionen aus dem Deutschen sind häufig, obwohl die Entscheidung schwierig sein kann, ob es sich tatsächlich um Code-Switching oder um eine sprachliche Variation handelt, zum Beispiel im Fall der Interjektion ja. Bestätigungsfragen (tag questions), zum Beispiel ne? (dän. ikke også?), sind ebenfalls oft mit einem Sprachwechsel von Dänisch zu Deutsch verbunden, ebenso wie Adverbien, zum Beispiel so, das als Diskursmarker fungiert, oder gut in einer abschließend-zusammenfassenden Funktion.

      Code-Switching im mündlichen und schriftlichen Sprachgebrauch von Schülerinnen und Schülern an dänischen Schulen in Südschleswig wird u.a. in den Untersuchungen von Pedersen (2000) und Kühl (2008) analysiert. Kühl (2008) betrachtet sowohl Code-Switching als auch Lehnbildungen und Konvergenzen, d.h. eine Annäherung zwischen den Sprachen, als Sprachkontaktphänomene. Die Ergebnisse einer quantitativen Analyse zeigen, dass „das Deutsche die Ursache von wesentlich mehr Sprachkontaktphänomenen im Dänischen ist als umgekehrt“ (Kühl 2008: 208). Sie kommt zu der Schlussfolgerung, dass

      nicht alle Kodewechsel und jedes Sprachkontaktphänomen Kontextualisierungshinweise darstellen und Teil einer pragmatischen Intention sind. Viele Kodewechsel und Sprachkontaktphänomene entstehen vor dem Hintergrund der individuell divergierenden sprachlichen Kompetenz sowie des divergierenden sprachlichen Repertoires des Informanten. (Kühl 2008: 217)

      Pedersen (2000) kommt zu dem Schluss, dass das Code-Switching von Dänisch zu Deutsch in Gruppengesprächen teils bewusst eingesetzt wird, um die Meinungen oder Handlungen anderer zu ändern bzw. zu beeinflussen oder um mit der Sprache zu spielen; teils kann Code-Switching aber auch dafür verwendet werden, semantische Lücken in einer der Sprachen zu füllen. Die Zweisprachigkeit wird in beiden Fällen als Ressource genutzt; und nur Defizittheorien, welche die Einsprachigkeit als Norm setzen, werden solche Strategien als negatives Code-Switching interpretieren.

      Ein Beispiel aus Pedersen (2000/I: 278) sind Aufnahmen aus einer Gruppenarbeit, in der die SchülerInnen die Aufgabe hatten, gemeinsam aus Legosteinen eine Figur zu bauen.1 Die (durch den Kontext der dänischen Schule) vorgegebene Interaktionssprache ist Dänisch. Gruppenmitglied I ist mit Dänisch und Deutsch als doppelten Erstsprachen aufgewachsen, und Gruppenmitglied M spricht Deutsch als Erstsprache und Dänisch als Minderheitszweitsprache.

       (1) M: du må ikke tale tysk.‚du darfst nicht deutsch sprechen.‘I: gør jeg heller ikke. ich doch nicht.‚mache ich auch nicht. […].‘M: så må vi bare tage nogle gule og røde og blå sten eller sådan noget. hilft mir denn mal jemand?‚Dann müssen wir bloß ein paar gelbe und rote und blaue Steine oder so nehmen. […]?‘I: altså den hest den skal være

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