Handbuch der Sprachminderheiten in Deutschland. Группа авторов

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die ähnliche Leistungen anboten wie die deutschen Sozialstationen. Ebenso gab es dort eine rådgivningsstation (‚Beratungsstation‘) und eine børneplejestation (‚Kinderpflegestation‘). Nach der Jahrtausendwende wurden diese Südschleswigwörter durch die standarddänische Bezeichnung Social- og Sundhedscenter (‚Sozial- und Gesundheitszentrum‘) ersetzt (vgl. Abb. 3).

      Abb. 3: Social- og Sundhedscenter (‚Sozial- und Gesundheitszentrum‘)1

      Wenn über südschleswigsche Verhältnisse gesprochen wird, findet man häufig kommuneråd für die deutsche Bezeichnung Kommunalrat und borgerforstander für Bürgervorsteher. Diese Wörter sind, wenn nicht in jedem Fall eine bewusste Wahl, so doch ein fester Bestandteil der Sprache, der ausdrückt, dass hier Bezug auf Dinge genommen wird, die spezifisch für Südschleswig sind.

      Die verhältnismäßig hohe Anzahl deutscher Zitatwörter im Südschleswigdänischen stellt ein besonderes Charakteristikum der Varietät dar. Bei diesen Wörtern handelt es sich in erster Linie um Substantive, und sie werden unübersetzt im dänischen Kontext verwendet. Solche Einzelwörter können auch Fälle von Code-Switching (Einzelwort-Switch) darstellen; in diesem Fall beinhaltet ihre Verwendung jedoch eine zusätzliche Bedeutung, zum Beispiel die Markierung einer veränderten Gesprächssituation.

      Beispiele für Zitatwörter:

       Aflønningen sker fortsat efter BAT (Bundesangestelltentarifvertrag) (‚Die Bezahlung geschieht weiterhin nach BAT‘),

       med interesseorganisationer som Mieterbund (= lejerforbund) (‚mit Interessentenorganisationen wie [dem] Mieterbund‘),

       Vi skal med bilen til TÜV (‚Wir müssen mit dem Auto zu[m] TÜV‘).

       Form und Umfang dänisch-deutschen Sprachkontakts

      Es bestehen deutliche interindividuelle Unterschiede in Bezug auf die Anzahl von Südschleswigismen und dänischen Südschleswigwörtern im Südschleswigdänischen. Kinder, die sich im täglichen Kontakt mit der dänischen Sprache befinden, u.a. in Gesprächen mit dänischen ErzieherInnen und LehrerInnen, von denen viele in Dänemark aufgewachsen sind und Dänisch als Erstsprache sprechen, weisen im Verlauf ihrer Schulzeit einen sinkenden Anteil an Südschleswigismen auf, besonders im Bereich der Semantik. Die Begriffswelt, aus denen sich die Unterrichtsinhalte konstituieren, und die Themen, mit denen sich die Kinder in der Schule beschäftigen, stammen üblicherweise aus Dänemark und werden auf Dänisch ausgedrückt. Beide Umstände tragen dazu bei, dass die Kinder oft Dinge auf Dänisch ausdrücken sollen, mit denen sie aus dänischsprachigen Kontexten vertraut sind oder über die in ihrer Gegenwart üblicherweise auf Dänisch gesprochen wird. Eine dänischsprachige Unterrichtsumgebung übt so einen gleichermaßen großen Einfluss auf die Aussprache, den Satzbau und den Wortschatzumfang in der Verwendung des Dänischen im Alltag aus. Der Einfluss aus dem Deutschen ist jedoch auch groß, da die Kinder häufig Deutsch als Erstsprache, Familiensprache und Freundeskreissprache sprechen sowie rezeptiv in den Medien, zum Beispiel dem Fernsehen, damit in Berührung kommen. Dennoch ist der Kontakt der Kinder mit Deutsch insgesamt gesehen geringer als derjenige der Erwachsenen, da sie sich einen Teil des Tages in der dänischen Institutionswelt befinden, wo mit ihnen Dänisch gesprochen wird.

      In Bezug auf die Erwachsenen, die Deutsch als Familiensprache und Dänisch als Minderheitszweitsprache sprechen und in einem deutschsprachigen Alltag leben, ist die Lage anders. Auch außerhalb ihres privaten Umfelds haben sie in der deutschsprachigen Mehrheitsgesellschaft engen Kontakt zu Deutsch in Verbindung mit ihrer Arbeit oder der Kommunikation mit deutschen Institutionen, zum Beispiel dem Finanzamt oder Krankenhäusern, und auch das minderheitspolitische Gebiet stellt sich überwiegend deutschsprachig dar. Daher haben diese Erwachsenen u.U. überhaupt keinen täglichen Kontakt mit der dänischen Sprache. Wenn sie die Gelegenheit haben, Dänisch zu hören oder zu sprechen, so geschieht das am ehesten in einer Umgebung, die sprachlich und konzeptuell deutsch geprägt ist und zu der es keine unmittelbaren Parallelen in Dänemark oder der dänischen Sprache gibt. Als Resultat ist mit einer größeren Anzahl von Südschleswigismen zu rechnen, nicht nur lexikalisch, sondern auch in der Phonologie, der Syntax und der Aussprache, denn ein regelmäßiger (standard-)dänischer Input ist selten vorhanden.

      4.3 Sprachenwahl: Code-Switching, Sprachmischung

      Code-Switching ist charakteristisch für den mündlichen Sprachgebrauch in der Minderheit, kommt jedoch auch im schriftlichen Gebrauch vor. Es kann sowohl auf Satzebene als auch auf Wortebene stattfinden. Auf Satzebene können auf einen oder mehrere Sätze der einen Sprache ein oder mehrere Sätze der anderen Sprache folgen, worauf in der Regel wieder die erstverwendete Sprache folgt (intersententiales Code-Switching). Auf Wortebene können die bilingualen SprecherInnen für ein oder mehrere Wörter innerhalb desselben Satzes die Sprache wechseln (intrasententiales Code-Switching). Weiterhin kann zwischen der Äußerung selbst und einer angehängten Bestätigungsfrage (tag-question, z.B. ne? / ikke også?) bzw. einer mit der Äußerung verknüpften Interjektion (z.B. ja) ein Sprachwechsel stattfinden.

      Unter den erwachsenen Mitgliedern der Minderheit ist Code-Switching sowohl von Dänisch nach Deutsch als auch von Deutsch nach Dänisch ein weit verbreitetes Phänomen. Beide Sprachen können dementsprechend Ausgangssprache sein, von der aus in die andere Sprache gewechselt wird. Zusätzlich kann es zwischen den dänischen Varietäten Südschleswigdänisch und Standarddänisch zu Code-Switching kommen.

      4.3.1 Gesprochene Sprache

       Situationelles Code-Switching in der gesprochenen Sprache

      Innerhalb der Minderheit wird situationelles Code-Switching sowohl durch die Personenkonstellationen als auch durch den äußeren Rahmen bedingt. Das betrifft zum einen die Frage, welche Sprachen die Beteiligten beherrschen und welche Sprache(n) sie üblicherweise wählen; zum anderen spielt es eine Rolle, an welchem Ort oder in welcher Umgebung der Dialog oder Monolog stattfindet. Dabei ist es nicht der Ort als solches, der den Ausschlag gibt, sondern die Sprachwahlnormen, die im betreffenden Zusammenhang dominieren. Im Umfeld der Minderheit gibt es einige Orte, an denen erwartet wird, dass man Dänisch spricht, während an anderen Orten die Sprachwahl eine untergeordnete Rolle spielt.

      Sind in einem Gespräch sowohl dänisch-deutsch Bilinguale als auch monolingual Deutschsprechende anwesend, kann die Sprache der Monolingualen gewählt werden. Wenn diese Sprachwahl jedoch einen Konflikt mit den situations- und ortsbezogen geltenden sprachlichen Normen verursacht, können die Bilingualen im Gespräch miteinander die verlangte Sprache wählen und für das Gespräch mit den Monolingualen die Sprache wechseln. Dies kann in Form einer Übersetzung geschehen, so dass den Monolingualen die Möglichkeit gegeben wird, dem Gespräch zu folgen, oder in Form eines unmittelbaren Dialogs mit ihnen. Sofern keine Übersetzung angeboten wird, führt dies zum Ausschluss der Monolingualen aus der Gesprächsteilnahme, doch das kommt nur dort vor, wo die Normideale hinsichtlich der Sprachwahl größeres Gewicht haben als die Berücksichtigung der monolingualen Gesprächsteilnehmer. D.h., dass in diesem Fall eine Sprachwahl vorgenommen wird, die die Bedürfnisse der Gesprächsteilnehmer nicht berücksichtigt; damit wird eine Entscheidung gegen das ethische Prinzip getroffen.

      Ebenso wie auf individueller Ebene findet auch auf kollektiver Ebene eine Abwägung statt, welche Sprache die jeweils angemessene ist. Dies betrifft Besprechungen, Versammlungen u.Ä. im Kontext der Minderheit, bei denen eine größere Gruppe angesprochen wird. Für solche Situationen existieren keine festen Regeln in Bezug darauf, ob mehr Rücksicht auf die Normideale oder auf die anwesenden TeilnehmerInnen genommen wird.

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