Kinderkriegen. Группа авторов

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Ja, so heißt das nun mal, denn eine Zeugungsberatung gibt es nicht und du fragst auch nicht wieso. Es geht ja hier nur darum, was du unternimmst und mit dir, dieses Ding in dir, von dem du nichts weißt, außer dass es ein Parasit ist, der sich plötzlich und unerwartet in dein Leben frisst.

      – Das können Sie nur allein entscheiden. Erklärt dir die Frau von pro familia. Wie sie entscheiden würde, sagt ja der Name ihres Arbeitsgebers, pro, sonst säße sie ja nicht vor euch beiden und du würdest am liebsten auch nicht hier sitzen. Der Erzeuger hat nicht viel zu sagen, außer, dass er nun mal nicht will, es ist nicht der richtige Moment, er hat gerade einen Studienplatz bekommen, einen neuen Job, sein ganzes Leben noch vor sich, so wie du auch, und ihr wollt ja eigentlich zusammen bleiben und Kinder haben, nur später dann, aber entscheiden kann er auch nicht für dich.

      Before that strip turned blue, sagt Beatrix zu Bill und lässt sein Herz explodieren.

      Wenn du die Five-Point-Palm-Technik anwenden könntest, würdest du es jetzt und vor der Beraterin tun. Stattdessen sagst du nichts und weinst, weil lächeln jetzt einfach nicht passt, und fragst dich, wie du noch eine Entscheidung treffen sollst, die dein Körper schon längst und ganz allein und vor allem, ohne dich zu fragen getroffen hat. Du kannst deinem Körper nur noch Gewalt antun, fünf Schritte rückwärts, und dann bricht hoffentlich deine Welt nicht zusammen, sondern eine neue tut sich auf, eine andere Wahl hast du nicht und so überlegst du dir, ob es Sinn macht, in diesem Augenblick deines Lebens eine Münze zu werfen.

      Eine Münze hat zwei Seiten, und eine Schwangerschaft auch: gewollt und ungewollt. Ach, wenn wir doch Tiere wären, die gehorsam ihren Instinkten folgten, wir müssten nichts entscheiden, sondern nur unseren Trieben folgen. Aber nein, die hat man uns abtrainiert, Motivationen nennt sich das. Schließlich ist es gerade die Überwindung der Primärtriebe, die uns Menschen nach Freud über das rudimentäre Bewusstsein hinaustreibt. Wer fragt schon eine Kuh, ob sie befruchtet werden will? Und wenn wir schon mal beim Treiben sind, so tröstest du dich damit, dass ungewollte Schwangerschaften in Deutschland abgetrieben werden dürfen.

      Du machst dich also nicht strafbar, du musst nur zum Frauenarzt gehen, dir deinen Beratungsschein holen und den Termin machen, dann ist alles vorbei. Dann bist du wieder a woman, wie auch Beatrix in Kill Bill vorher nur eine Frau war, seine Frau, du fürchtest, dass du das nie wieder sein wirst, die seine, weil du instinktiv spürst, dass vorher und nachher nicht mehr identisch sein können, wie auch Beatrix schon zu Bill gesagt hat.

      Du bist nicht mehr du, du reagierst wie ein Automat, du wartest darauf, dass andere etwas unternehmen, dir Zettel ausstellen zum Beispiel, damit du dahin gehen kannst, wo deine Körperprozesse einfach abgestellt werden. Du lässt dich vom Erzeuger zum gynäkologischen Termin fahren und du wirst niemals in deinem Leben vergessen, wie er die Beule hinten in den Kofferraum fährt, es ist der Wagen deiner Mutter und du bist Anfang zwanzig und er auch und das ist vielleicht euer einziges Verbrechen und dann noch die Tatsache, dass die Gesellschaft dafür keine Räume hat, für jung, verrückt, leichtsinnig, gedankenlos, willenlos und wahnsinnig glücklich und dann bist du schwanger und I never thought you would do that to me, sagt Beatrix und du auch und sprichst vom Auto, meinst aber eigentlich dein Herz.

      Ihr sitzt in der Wartekammer der Zeit, seid zu früh aufgebrochen, habt euch nicht abgesprochen mit dem Leben und euren Plänen. Du willst, er nicht, so ist das nun mal. Aber dass es dabei um noch viel mehr geht, als um gewollt und ungewollt, das ignoriert ihr beide, denn so habt ihr es gelernt, es gibt Verhütungsmittel, die Pille danach in der Apotheke und Aufklärung und zur Not eben Abtreibung, alles ist planbar, Familienplanung, Lebensplanung, so lang die Rechnung aufgeht, läuft alles wie auf dem Fließband, Familie wird zum richtigen Zeitpunkt geliefert.

      Du bist immer mitgelaufen, hast gemacht, was Frauen eben machen sollen, sich zum Beispiel rechtzeitig um die Verhütung kümmern. Du erinnerst dich, du warst in der zehnten Klasse. Eine Freundin musste zum Gynäkologen und weil du noch nie dahin gegangen warst und alle dir sagten, dass du das aber auch mal machen müsstest, kamst du mit. Du warst sechzehn und hattest einen Freund, ihr wolltet euch noch Zeit lassen, ihr hattet es nicht eilig. Er war dein erster, und sein Körper, viel härter als deiner, knochiger auch, genau wie sein Denken, spitzer als deines, das ganze Fremde an ihm, machte dir Angst.

      - Es ist nicht schlimm, wenn du mich nicht zum Abspritzen bringst. Das hatte er in der ersten Nacht gesagt und du hattest beschlossen, dass er der Richtige war, weil er so cool war, dich trotz deiner Angst vor dem Austausch von Körperflüssigkeiten nicht sofort wieder fallen ließ. Schließlich hatten dir vor ihm schon zwei Typen einen Korb gegeben, weil du zu spröde warst, dich nicht anfassen lassen wolltest. Beim ersten hast du keine Luft mehr bekommen, so dick war seine Zunge in deinem Mund, so feucht, so allumfassend, dass du einfach zubeißen musstest, beim zweiten war es die Hand, die dir immer in die Hose rutschen wollte und die dich in Panik versetzte, Angst vor dem, was dann kommen würde, was er dir dann hineinschieben würde, nach seiner Hand.

      Anfassen war überhaupt schwer, anfassen mochtest du nicht, nicht mal dich selbst, zu Hause erledigte das bei dir der Duschstrahl, denn anfassen war Sünde.

      Beide Jungs hatten dir noch Briefe geschrieben, du wärst ja echt süß, nett, sogar richtig schön, aber sie bräuchten ja mehr, das würdest du sicher verstehen, und du hast das noch so freundlich gefunden, obwohl sie dann nur wenige Tage später schon mit irgendeinem anderen Mädchen unterwegs waren, die älter war als du und von der alle wussten, dass da was ging. Du hast die Briefe nicht aufbewahrt, das nicht, aber du fandest es lieb von ihnen, sie haben dich immerhin vorher aufgeklärt. Und so war der feste Freund mit sechzehn, genau vier Jahre vor deiner ungewollten Schwangerschaft übrigens, eine richtige Befreiung, ein Glücksfall, er würde dich behalten, bleiben wollen, selbst wenn du ihn nicht zum Höhepunkt bringen konntest. Und genau wegen seiner Geduld und deiner Scham wolltest du auch mal so richtig nett sein und diese Scham für ihn allein überwinden. Also hast du gerubbelt, geblasen und bist sogar auch selbst oft mit ihm gekommen, das alles, bevor du dann beim Frauenarzt auf der Liege lagst.

      - Haben Sie einen Freund?, fragte der und pulte mit der Spekula in deiner Scheide herum.

      - Ja.

      - Dann müssen Sie die Pille nehmen.

      Das Rausziehen tat weh, du warst trocken und wusstest damals noch nicht, dass es ungemein hilft, wenn frau sich bei der Untersuchung nur auf ihren Atem und nicht auf das Geplapper des Gynäkologen konzentriert.

      - Aber wir haben das noch nicht …

      Das hättest du ihm nicht sagen müssen, er hatte dein Jungfernhäutchen sowieso gesehen, aber das war dir damals nicht klar. Später ist es dann gerissen, in einem Kornfeld, und als du das Blut in deinem Höschen entdecktest, warst du sowas von stolz.

      - Das spielt keine Rolle, ich kenne die Männer, schließlich bin ich selbst einer. Wenn Sie mal eine vergessen, nehmen Sie die Pille am nächsten Tag einfach weiter.

      Er drückte dir das Rezept in die Hand. Und weil gleich gegenüber eine Apotheke lag, hast du es eingelöst. Die Liste der Nebenwirkungen, die du dabei ignoriertest, war lang: Hormone zu nehmen, wie Tiere in der Massenhaltung, setzte dich einem erhöhten Thrombose- und Krebsrisiko aus. Dazu hattest du den Arzt auch befragt, er aber nur den Kopf geschüttelt, als wären das alles nur Fake News und du auch noch so dumm, daran zu glauben.

      - Ich nehme jetzt die Pille!, hast du dem Freund zugerufen, als hättest du einen Literaturpreis gewonnen. Er hat dich mit großen Augen angesehen, unsicher, ängstlich auch, aber wahrscheinlich war das der Moment, in dem er sich endgültig und wahrhaftig in dich verliebt hat. Ihr seid ziemlich glücklich gewesen, habt euch sogar verlobt. Mindestens bis zum Abitur. Bis zu dem Moment, als er dir mitteilte, dass du zwar die Erste in seinem Leben warst, aber

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