Kinderkriegen. Группа авторов

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Kinderkriegen - Группа авторов

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ist eine fruchtbare Insel, auf der dicke griechische Frauen schnauzbärtige Männer verführen. Geboren zu befruchten, geboren zu empfangen. Uns beide Berliner aber, die wir nun wissen, dass wir ein Kind bekommen, schüttelt die große Verunsicherung … Ich könnte abheben und über den Strand fliegen, aber die Schwangere kommt nicht mit, sie holt mich wieder auf den profanen Erdboden zurück.

      Nach einem halben Jahr Verliebtheit nahm ich damals auf Kreta zum ersten Mal eine Getrenntheit zwischen uns wahr. Ja, gut möglich, dass ich auf einem Egotrip war, gut möglich, dass ich keinen seriösen Partner abgab. War ich jung? War ich dumm? War ich ahnungslos? Vermutlich von allem etwas. Ich bejahte das Leben in diesen Tagen, jedoch sah ich in meiner Verfassung eines nicht: die konkrete Gefahr des Abbruchs.

      Ich habe dich als sehr narzisstisch wahrgenommen, du warst halt sehr mit dir beschäftigt, in deiner Welt, in deinem Lebensentwurf, und ich glaube, das ist vielleicht auch das Traurige, dass ich dir das nicht zugetraut habe, dass du dich mit der Aufgabe, ein Kind zu bekommen, verändert hättest, ja auch möglicherweise. Das konnte ich mir nicht vorstellen. Also, das war jenseits meiner Phantasie. Den Weg, den ich vor mir gesehen habe, war immer der Weg der Abtreibung und nicht der Weg, das Kind zu behalten.

      Die Phase der Verliebtheit und plötzlich waren wir als Paar vor eine Aufgabe gestellt, die vermutlich ein stärkeres Fundament brauchte. Im Herbst 1981 war ich nicht in der Lage zu sagen: »Schau her, wir machen das und das, dann bekommen wir unser Leben mit einem Kind auch hin.« Ich war nie praktisch, ich bin heute noch kein praktisch denkender Mensch.

      Ich behaupte mal, es wäre ganz schwer gewesen, mich da drauf einzulassen wirklich, weil ich glaube immer, dass es dieses Vertrauen braucht, dieses Vertrauen, es ist jetzt wirklich ernst gemeint, der Mann will das Kind, der steht zu dem Kind, der steht zu dir und dem Kind, und so läuft das auch.

       1. Oktober 1981 – Im Flugzeug von Heraklion nach Berlin: Eine kurze Szene meines inneren Widerstands gegen die Abtreibung: Vorhin, beim hektischen Aufbruch aus der kleine Pension in Georgioupoli, habe ich sie gefragt:

      – Wo gehen wir hin in Berlin? Zu mir oder zu dir?

      – Zu mir, hat sie erwidert, du kommst natürlich mit.

      – Ich komme nicht mit, ich lasse mich von dir nicht bestimmen – merkst du nicht, wie du mich übergehst, wie du mich ungefragt einplanst, kapierst du das nicht?!?

      Durch das ungeborene Kind bekam ich im damals noch geteilten Berlin Kontakt zu meinem eigenen Kindsein in einem Dorf am Oberrhein.

      Der helle Lichtstrahl meines Blicks fällt durch das Dach meines Elternhauses und beleuchtet die Geborgenheit meiner Kindheit. Ich schaue auf den abends im Bett liegenden Jungen, der ich gewesen bin. Beim Einschlafen denkt er mit gefalteten Händen an seine liebsten Menschen, allen geht es gut, alles soll bleiben wie es ist, alles einfrieren, in diesem Moment.

      Als sei ich mit einer anderen Frau auf Kreta zusammen gewesen, hatte meine Lebensgefährtin in West-Berlin nur noch Angst, sich mir zu nähern. Ich wiederum hatte Angst, sie zu verlieren. Die Maschinerie der Abtreibung war längst in Bewegung gesetzt, wie ein tausend Tonnen schweres Schiff. Es gab kein Halten mehr. Sie drängte, die Zeit. Ab der zehnten Woche war kein Schwangerschaftsabbruch mehr möglich. Genau gesagt, 1981 war ein Abbruch noch illegal, aber es gab gesetzlich die Möglichkeit der sozialen Indikation, eine Mitarbeiterin von Pro Familia bescheinigte meiner Freundin eine soziale Notlage und legte ihr ein Papier mit ein paar Adressen von Ärzten hin.

      Ich war nur noch damit beschäftigt, den Abbruch zu organisieren eigentlich. Und es war keiner da, der »Stopp« hätte sagen können, »warte mal, setz dich mal hin, entspann dich mal, Kind« – ich war ja noch ein bisschen Kind, »und jetzt gucken wir mal, was für Möglichkeiten gibt’s denn?« Das Positive aufzuzeigen, da war niemand, leider.

      Im West-Berlin Anfang der 80er Jahre klangen die Forderungen der Frauenbewegung an der Freien Universität noch nach. »Mein Bauch gehört mir« – ihr Slogan dröhnte durch die Flure und Hallen. Der Kampf der Frauen für ihr Recht auf Schwangerschaftsabbruch und auf Selbstverwirklichung hatte gerade auf uns männliche Studenten großen Einfluss.

      Ja zu einem Kind zu sagen zu dem Zeitpunkt, das war relativ schwierig, gesellschaftlich gesehen. Und wenn dann der familiäre Hintergrund noch so ist, dass die Haltung so ist, also wirklich der Klassiker: »Komm mir bloß nicht mit einem Kind nach Hause«, dann bleibt nicht mehr viel Rückhalt übrig. Dann überwiegt doch die Ablehnung, die Angst, eher aus Unwissenheit, aus Dummheit fast, weil man sich auf das andere Lebensmodell ja gar nicht richtig eingelassen hat.

      Heute erst gestehe ich mir ein, dass ich damals bei der Frage »Kind – ja oder nein« Schiss vor all den emanzipierten Frauen hatte und mich hinter der Entscheidung meiner Partnerin versteckte. Ja, es war ihr Bauch. Entscheidung ist wohl das falsche Wort. Wir waren ferngesteuert. Wir beide – sie auf ihre, ich auf meine Weise – kamen am 14. Oktober in diffuser Verfassung mit dem Taxi vor der Arztpraxis an. In der habe auch schon, hatte ich gehört, eine berühmte Schauspielerin abgetrieben.

      Ich weiß, dass ich total Angst hatte, dass ich so gefroren hab und mich total schlecht gefühlt hab. Ich kann mich noch daran erinnern, wie die Praxis aussah, dass man da ein paar Stufen hochgehen musste und dass das dann im Erdgeschoss so ein paar Räume waren. Das weiß ich noch, so ein moderneres Gebäude, so ein 60er-Jahre Bau. Nichts Dolles eigentlich, aber eine ganz gepflegte Praxis.

      Ich begleitete meine Lebensgefährtin in das Behandlungszimmer. Ich wollte das. Unbedingt. An ihrer Seite sein. Ihr beistehen. Beisitzen. Sie lag irgendwann auf dem gynäkologischen Stuhl und ich saß wie ein Statist ohne eigenen Text neben ihr auf dem Hocker.

      Meine Hand legt sich auf die Brust der Liegenden, sie faltet ihre Hände über der meinigen, ich atme ihren Atem und nicht den meinigen, ich zucke unter ihren Schmerzen und nicht unter den meinigen.

      Ich fand das sehr unangenehm, ich glaub, ich war wahnsinnig angespannt. Und fand das insgesamt sehr quälend und unangenehm, den ganzen Prozess. Ich weiß noch, dass ich den Arzt unsympathisch fand, blöd, komisch, unangenehm, insofern war ich auch froh, dass du dabei warst. Dann weiß ich, dass ich mich entschieden hatte, das mit örtlicher Betäubung zu machen, auch leicht bescheuert. Wenn man das mit einer Kurznarkose macht, bekommt man auch viel weniger mit, das ist psychisch viel besser zu verkraften, weil man ein Stück weit was ausblenden kann, das kann man so natürlich gar nicht. Dann hab ich diese Betäubungsspritze bekommen, an den Ablauf kann ich mich auch noch erinnern, und dass er gesagt hat, was er als nächstes macht, was im Prinzip auch gut war, und dass es insgesamt sehr lange gedauert hat, der Abbruch, das Absaugen, ist es ja eigentlich.

      Der Schock, jetzt der absolute Schock: Plötzlich hatte, habe ich das Bild vor Augen, das ich nie mehr loswerde – Gewebeklumpen im Glaskolben.

      Als er fertig war, hat er gefragt, ob wir das sehen wollten. Und ich kann mich nicht mehr daran erinnern, ob wir gesagt haben Ja oder Nein, auf jeden Fall hat er dann diesen Glaskolben hochgehoben und da waren so rote, also wie so aus einem Science-Fiction-Horror-Film irgendwie, da war so ne rote Pampe drin.

      Der Arzt hält den Glaskolben hoch gegen das Licht der Neonröhre, wie ein Pfarrer den Kelch zur Heiligen Wandlung. Im Vakuumglas hinter den Messziffern blicke ich auf die rötliche Flüssigkeit, in der dunkelrote Tropfen und zerfetztes Gallertgewebe schwimmen … – auf all das Zerfetzte starre ich und meine Hände baumeln an mir herab, sie begreifen das Geschehen nicht, kreidebleich erstarrt mein Gesicht.

      Ich weiß noch, dass ich mit anderen über diesen Arzt gesprochen habe, der ja einige Zeit nach meinem Abbruch seine Approbation entzogen bekommen hat, der

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