Das Prinzip Uli Hoeneß. Christoph Bausenwein

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Das Prinzip Uli Hoeneß - Christoph Bausenwein

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die alten Zeiten geladen waren, bestritt er irgendwelche Zusammenhänge mit dem Transfer seines Bruders Dieter. Der hingegen meinte, das Gerücht, sein Bruder Uli hätte ihm geraten, in München zu unterschreiben, damit er dort Manager werden könne, sei damals schon sehr problematisch gewesen. Gewiss sei er noch nicht offiziell Bayern-Manager gewesen, so Dieter weiter, aber natürlich habe Uli ihn »schon auch im Auftrag der Bayern« beraten. Da Rudi Assauer bis heute behauptet, der Manager-Job bei den Bayern sei zuerst ihm angeboten worden, spricht einiges für die These, dass Neudeckers Entscheidung für Uli Hoeneß vom gelungenen Abschluss des Transfers von Dieter zumindest mitmotiviert war.

      In jedem Fall unzweifelhaft bleibt, dass Dieter nur deswegen zum Schnäppchenpreis von 175.000 DM vom Neckar an die Isar hatte wechseln können, weil Uli für eine entsprechende Wechselklausel im Vertrag mit dem VfB gesorgt hatte. Fest steht zudem: Der Unglücklichste bei der ganzen Angelegenheit war mit Sicherheit der VfB-Präsident Mayer-Vorfelder. »Plötzlich tauchen da die Herren Manager auf, die im deutschen Fußball kein Wesen, sondern ein Unwesen sind«, hatte er äußerst gereizt auf Uli Hoeneß’ Werben um seinen Bruder und weitere VfB-Spieler reagiert. Neben Dieter, so behauptete »MV«, habe der Bayern-Manager in spe »als Kumpel« auch zu Markus Ellmer sowie zu Karl-Heinz und Bernd Förster Kontakt gesucht »in dem Versuch, sie abzuwerben. Außerdem wollte er unseren bewährten Physiotherapeuten Francois Caneri von uns wegholen.« Auch in der Öffentlichkeit war das Gebaren des noch nicht einmal offiziell im Amt bestätigten Management-Novizen nicht gut angekommen. Im »Kicker« hatte Werner-Johannes Müller kritisch bemerkt: »Manager – die Aufgabe verlangt persönlichen Stil, eine klare Linie, muntere Geschäftstüchtigkeit reicht da nicht.«

       Die Revolte der Bayern-Spieler

      Uli Hoeneß’ forscher Auftakt im neuen Job war trotz aller Kritik nicht der eigentliche Aufreger dieser turbulenten Saison 1978/79. Der fand bei den Bayern statt, die unter Trainer Lorant mehr und mehr ins Trudeln geraten waren. Nach einer deprimierenden 1:7-Niederlage in Düsseldorf im Dezember war der Streit zwischen dem Trainer und den Spielern um Breitner eskaliert. Lorant hatte sich zunächst in den Krankenstand und dann für immer verabschiedet, den Job an der Seitenlinie hatte als »Interimslösung« sein Assistent Csernai übernommen. Die Ergebnisse waren jedoch auch unter dem Neuen trübe geblieben. Zwei Siege und drei Niederlagen standen zu Buche, als es am 10. März erneut eine große Blamage gab – die Bayern verloren zu Hause gegen Bielefeld mit 0:4. Die Stimmung war nun auf einem Siedepunkt. Bayern-Präsident Neudecker wollte Csernai durch einen Mann ersetzen, der endlich wieder Zucht und Ordnung in die seiner Meinung nach chaotische Truppe bringen würde: Max Merkel. Die Mannschaft war jedoch strikt dagegen. Vor allem Breitner setzte sich dafür ein, den bei den Profis beliebten Ungarn Csernai fest zu verpflichten. »Es gibt überhaupt keinen anderen Weg, wir haben ohnehin kein Geld«, erläuterte er dem Präsidenten. »Und ich habe, was die Vorbereitung auf ein Spiel, das Training an sich angeht, noch keinen Besseren erlebt. Gut, hat Neudecker gesagt, ich gebe euch zwei Spieltage, um zu beweisen, dass es funktioniert.«

      Pal Csernai würde also bleiben dürfen, wenn, so die genaue Abmachung, aus den anstehenden Auswärtspartien in Braunschweig und in Mönchengladbach mindestens ein Unentschieden und ein Sieg herausspringen würden. In Braunschweig erkämpften sich die Bayern am 17. März ein 0:0. Die Spieler meinten, damit den ersten Teil des Abkommens erfüllt zu haben, da erfuhr Paul Breitner auf dem Rückweg nach München durch einen Journalisten – die Mannschaft befand sich nach einer Zwischenlandung gerade auf dem Frankfurter Flughafen –, von der soeben erfolgten Erklärung Neudeckers, Max Merkel werde ab Sonntag das Training übernehmen. »Daraufhin hab’ ich die Mannschaft zusammengetrommelt«, so Breitner, »und habe gesagt: Es geht mir nicht um den Herrn Merkel, sondern um die Zusage des Präsidenten, dass wir zwei Spieltage Zeit haben. Und jetzt hat er gelogen, das lassen wir uns nicht bieten. Der Merkel ist morgen um zehn Uhr an der Säbener Straße, und wir machen frei. Und wir treffen uns wieder am Montag um zehn Uhr, wo, das sag’ ich euch noch. Hamma uns? Kein Widerspruch.« Breitner und Kapitän Maier riefen danach Neudecker an und setzten ihn über den beschlossenen Boykott ins Bild.

      Wilhelm Neudecker, gleichermaßen erbost wie ratlos und trotzig, wollte mit solch aufmüpfigen Spielern, die als »Aufrührer« und »Anarchisten« in die Vereinsführung hineinzuregieren trachteten, nichts mehr zu tun haben. »Mutti, ich trete zurück und werde nicht mehr kandidieren«, sagte er zu seiner Frau, und am Montag um neun Uhr morgens verkündete er in einer Mannschaftssitzung das Ende seiner Präsidentschaft. »Mit einem solchen Kapitän und dieser Mannschaft kann ich nicht weiter zusammenarbeiten. Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien alles Gute. Auf Wiedersehen.« Für den Boulevard war die Sache ein gefundenes Fressen. »Bayern-Spieler stürzen Präsidenten«, lautete die Standard-Schlagzeile. Und Bayern-Kapitän Sepp Maier wurde live in der »Tagesschau« zugeschaltet, um zu dieser »Spielerrevolution« Stellung zu beziehen. »Wir haben weder einen Präsidenten gestürzt, noch sind wir eine Terrortruppe«, erregte er sich über die verzerrte Darstellung in den Medien. »Unser Wunsch war nicht, dass Herr Neudecker uns seinen Rücktritt erklärt, sondern wir wollten vom Herrn Neudecker ganz klare Worte hören, warum er das getan hat und warum er sich nicht noch diese Woche Zeit gelassen hat, um der Mannschaft noch einmal eine Chance zu geben.« Was danach geschehen wäre, nach dem Spiel am 24. März in Mönchengladbach, »das wäre dann die Entscheidung von Herrn Neudecker gewesen«, so Maier, »und dann hätten die Spieler gar nichts sagen können, auch ich nicht als Kapitän. Ich bin kein Anarchist, wie man mich betitelt hat, ich bin nur der Mannschaftssprecher vom FC Bayern, und es ist meine Pflicht, dass ich das, was mir die Spieler zutragen, dem Präsidenten mitteile.« Der »Revolution« folgte ein grandioser 7:1-Triumph in Mönchengladbach. »Wir haben einem gewissen Herrn gezeigt, dass es auch ohne Diktatur geht, ohne dass man die Spieler als Idioten behandelt«, triumphierte Breitner und kündigte an: »Das ist das erste Mal, dass die Mannschaft nach einem Spiel saufen geht.«

      Mit der »Revolution« der Spieler war ein vorprogrammierter Konflikt zum Abschluss gekommen. Der autokratische Führungsstil des Präsidenten Neudecker passte nicht mehr zu einer Mannschaft, in der mündige und mit einem vergleichweise hohen Bildungsniveau ausgestattete Spieler das Regiment übernommen hatten. Die Zeiten, in denen ein Präsident in der Manier des Alleinherrschers unbedingten Gehorsam einfordern konnte, waren vorbei. So war der Aufstand gegen Neudecker sowohl ein Ausdruck veränderter Verhältnisse wie auch ein Anschub für einen Modernisierungs- und Professionalisierungsprozess, der nun, mit Uli Hoeneß als Initiator und Steuermann vorneweg, den gesamten Fußball in Deutschland auf einen neuen Kurs bringen sollte.

       Der Beginn als Manager

      Der Bayern-Manager in spe, der die revolutionären Vorgänge in München nur aus der Ferne beobachtet hatte, war am 20. März 1979 zum letzten Mal für den 1. FCN aufgelaufen. In elf Spielen für den »Club« war seine Leistung nur noch ein müder Abglanz früherer Tage gewesen. Er hatte kein Tor geschossen und für keine Torvorlage gesorgt. Seine besten Szenen, so ein Nürnberger Spieler, habe er unter der Dusche und in der Kabine gehabt, da habe er sich immer noch »wie ein Weltmeister« aufgespielt. »Uli Hoeneß spielte Fußball wie ein Automotor, den man im ersten Gang in Tourenbereiche jagt, die auf die Dauer nicht gut gehen können«, schrieb der »FAZ«-Autor Ulrich Kaiser in einer Art Nachruf. »Wenn es im Bezug auf Menschen nicht so entsetzlich klingen würde, müsste man von Materialverschleiß reden.« Der »Verschlissene« selbst sah es im Rückblick etwas freundlicher. Gut, er sei natürlich nicht richtig fit gewesen, aber: »Am Anfang, finde ich, habe ich sehr gut gespielt, die ersten paar Spiele.« Letztlich sei die Mannschaft aber einfach nicht stark genug gewesen, um den Abstieg zu verhindern.

      Der »Club« lag bei seinem Abschied am 23. Spieltag auf Platz 17, hatte fünf Punkte Rückstand auf das rettende Ufer. »Zu dem Zeitpunkt«, resümierte Hoeneß, war »die Aussichtslosigkeit, den Abstieg zu verhindern, ziemlich groß. Wäre damals die große Chance noch da gewesen, den Abstieg zu verhindern, hätte ich mit Sicherheit weitergespielt bis zum Ende.« Nun also war Schluss, nach 250 Bundesligaspielen und 86 Toren, die er allesamt für den FC Bayern erzielt hatte. Und der einstige Fußballprofi entschied sich nun, vorzeitig nach München zu

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