Das Prinzip Uli Hoeneß. Christoph Bausenwein

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Das Prinzip Uli Hoeneß - Christoph Bausenwein

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Susi Hoeneß und war voller Stolz auf ihren Uli, der sich geradezu als Werbegenie erwies. »Ihm fiel immer wieder etwas Neues ein, wenn es darum ging, die Zeitung zu finanzieren.« Auch der Geldeintreiber vom Schubart-Gymnasium war zufrieden mit sich und genoss die Anerkennung, die er sich erarbeitet hatte. Ein Klassenkamerad charakterisierte seinen Mitschüler mit den Worten: »Hoeneß hat immer Sachen für die Allgemeinheit getan. Aber ihm war auch klar, dass er sich damit eine gewisse Position verschaffen konnte.« Der junge Uli Hoeneß war ein psychisch Frühreifer und das, was man im Schwabenland ein »Gscheitle« nennt. Im Prinzip immer redlich, mitunter schlitzohrig, vor allem aber äußerst ehrgeizig und stets etwas vorlaut eine geistige Überlegenheit herauskehrend.

      Der Fußball blieb freilich weiterhin die Hauptsache im Leben des Uli Hoeneß. Bereits als Siebzehnjähriger war der angehende Fußballstar Thema einer Sendung im Südfunk-Fernsehen. Der Film zeigt den stets mit guten Noten glänzenden Vorzeigeschüler beim Unterricht im Schubart-Gymnasium, bei einer Sitzung des Schülerrates, dessen Vorsitzender er war, bei einem Fußballspiel im Ulmer Stadion zwischen einer Auswahl des Schubart-Gymnasiums und des Gymnasiums Ellwangen, das die Ulmer mit Hilfe zweier Hoeneß-Tore 4:2 gewannen, beim Training mit Ulm 1846, beim konzentrierten Erledigen der Hausaufgaben, schließlich beim Tennisspielen. Er erschien wie ein Tausendsassa, dem man alles zutrauen konnte.

      Eine leichte Trübung dieses Bildes gab es erst, als er sich nach dem Abitur – da hatte er bereits einen Vertrag bei den Bayern – zum Studium der Betriebswirtschaft an der Maximilians-Universität in München anmelden wollte. Da er aus Baden-Württemberg kam, wurde ihm der Numerus Clausus zum Verhängnis. Der lag bei 3,0 und war eigentlich keine große Hürde, aber als Nicht-Bayer bekam er einen Malus von einer ganzen Note – und so wurde aus seiner Abi-Durchschnittsnote von 2,4 eine 3,4. An die große Glocke gehängt hat er das damals nicht, und vermutlich hielt sich eben deswegen in der Sportpresse noch lange Zeit die Auffassung, er sei ein Einser-Abiturient gewesen. Anfangs sei er sehr ehrgeizig und oft Klassenbester gewesen – im Gegensatz zum Bruder Dieter, der einmal eine Ehrenrunde hatte drehen müssen. Uli hatte erst im Alter von etwa 15 Jahren etwas nachgelassen, als der Fußball immer wichtiger geworden war. Immerhin sei sein Notendurchschnitt aber ganz beachtlich gewesen, betonte er, zumal er im letzten Schuljahr wegen des Fußballs 50 Tage gefehlt habe.

      Uli Hoeneß schrieb sich für ein Lehramtsstudium in Anglistik und Geschichte ein. Mit einer allzu großen Überzeugung stand er nicht dahinter, er tat es wohl vor allem seiner Mutter Paula zuliebe, die ihn gerne als Lehrer gesehen hätte und besonders stolz auf die Schulpreise war, die er in den Sprachen abgeräumt hatte. Die Eltern, so Hoeneß, hätten immer größten Wert auf eine solide Ausbildung gelegt. Vor allem die Mutter, die in der Familie die starke Person gewesen sei, habe sich auf Fußball nie verlassen. »Sie hat viel mehr Wert darauf gelegt, dass wir das Abitur machten. Eine Karriere als Fußballer war ja längst nicht das wie heute. Es war gar nicht im Bereich des Vorstellbaren.«

      Die Mutter bestand auch darauf, dass die Söhne nach dem Abitur an die Uni gingen, damit aus ihnen »was G’scheit’s« werde. So nahmen beide Söhne ein Lehramtsstudium auf, wobei Uli weniger Kondition bewies. Zwei Jahre später war dem zum Nationalspieler avancierten Profi das Nebeneinander von Studium und Fußball zu viel geworden, und er konzentrierte sich, trotz der Skepsis der Mutter, voll auf seine sportliche Karriere. Paula Hoeneß verließen ihre Zweifel auch nicht, als er auf den Managerposten gewechselt war und nun das Kaufmännische im Vordergrund stand. »Nach jeder Niederlage fürchtete sie, ich werde entlassen«, berichtete er über ihre Existenzängste. Irritieren ließ sich der Sohn davon aber nicht, und er war froh darüber. »Ohne Fußball wäre ich wohl in der Provinz der Stadt Ulm untergegangen. Ich wäre vielleicht Lehrer.« Überhaupt hatte Uli Hoeneß vor den Studierten wie vor dem Studium als solchen nicht allzu viel Respekt. »Wenn ich Mathematikprofessor oder Physiker werden will, brauche ich ein Studium«, meinte er. »Aber um einen kaufmännischen Beruf auszuüben, in dem jeden Tag etwas Neues passiert, muss ich nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag studieren.« Der stets am realen Geschehen orientierte Tatmensch fand seine Lebensmaximen nicht im Pauken trockenen Bücherstoffes, sondern in der täglichen Praxis des »learning by doing«.

      Auf jedem Gebiet allerdings funktionierte das Prinzip des »Lernens durch Handeln« nicht. Der Schüler Hoeneß lag wohl ganz richtig, als er bei der Schülerzeitung nicht die Stelle des Chefredakteurs anstrebte, denn der Versuch, sich selbst als Hobby-Journalist bei der »Südwest Presse« zu profilieren, endete wenig glücklich. Am 4. November 1972 erschien seine erste Kolumne in der Ulmer Heimatzeitung mit dem Titel: »Das meine ich«. Pro Artikel erhielt der Nachwuchsstar des FC Bayern, der in der Schule stets gut benotete Deutschaufsätze abgeliefert hatte, 150 DM. Die Serie erschien mit einem Foto des Autors, das ihn hinter einer Schreibmaschine sitzend zeigt, den Kopf im Denkergestus auf die Hand gestützt. Er nutzte den Raum vorwiegend zur Selbstdarstellung und zu recht belanglosen Betrachtungen. Einen Blick hinter die Kulissen des FC Bayern, den sich die Blattmacher eigentlich versprochen hatten, gewährte er nicht. Und so wurde die Kolumne schon bald ersatzlos gestrichen.

       Der Zimmergenosse und Geschäftspartner

      »Uli Hoeneß und ich haben uns 1967 bei einem Turnier der süddeutschen Jugendauswahl kennen gelernt«, berichtete Paul Breitner über den Beginn einer langjährigen Freundschaft. Die beiden Fünfzehnjährigen waren damals auf ein Zimmer gelegt worden. Kurz darauf trafen sie sich in der deutschen Jugendnationalmannschaft wieder, und als sie gleichzeitig beim FC Bayern anheuerten, waren sie erneut beisammen. In München bewohnten die beiden ein gemeinsames Appartement in Trudering, bei Trainingslagern und Auswärtsspielen schliefen sie in einem Doppelbett. Das Verhältnis war eng zwischen den beiden, sehr eng. So eng, dass sie schon bald als »siamesische Zwillinge« bezeichnet wurden. »Jeder kannte von dem anderen alles«, so Breitner. »Es war so, dass wir ab einem gewissen Zeitpunkt gesagt haben: Es ist eigentlich egal, wer ans Telefon geht, wenn’s läutet. Weil: Beide wissen sowieso, worum’s geht, beide können für den anderen antworten.«

      Das unzertrennliche Pärchen hielt in allen Lebenslagen zusammen. Als Breitner zum 1. Oktober 1970 zur Bundeswehr einrücken sollte, weigerte er sich, dem Einberufungsbefehl Folge zu leisten, und schlich sich, als die Feldjäger vor der Haustür standen, in den Kohlenkeller. Sein Mitbewohner wimmelte die Häscher ab und erfand dabei die fantasievollsten Ausreden. Elf Tage hielt Breitner als »Kellerkind« durch, dann meldete sich der Bayern-Präsident Wilhelm Neudecker und redete ihm ins Gewissen: Die Gefahr, dass man ihn auf dem von sensationslüsternen Journalisten umlagerten Trainingsplatz verhafte, wachse von Tag zu Tag. Breitner gab schließlich auf und versuchte unter Verweis auf seine Wirbelsäulenbeschwerden bei der Bundeswehr den Kranken zu spielen – vergeblich. Während seines Wehrdienstes geriet er völlig außer Form und wurde umso übellauniger, je erfolgreicher sein Wohnungspartner währenddessen seine Karriere vorantrieb. Immer häufiger krachte es zwischen den beiden Freunden. Vielleicht zwickte den nörglerischen Breitner neben seiner frustrierenden Situation zudem ein wenig der Neid, dass Hoeneß immer einen Tick schlauer war als er. So auch in Sachen Bundeswehr. Mit der Begründung, dass er Probleme mit dem Knie habe und ihm das Tragen eines Helmes Schmerzen im Kopf verursache, hatte es Hoeneß tatsächlich geschafft, untauglich geschrieben zu werden.

      Als Typen waren die zwei Freunde sehr unterschiedlich. Auf der einen Seite der schwäbische Modellathlet, der sehr viel Wert legte auf ein gepflegtes Äußeres. Er sei nicht nur hoffnungslos ehrgeizig, erläuterte der junge Hoeneß, sondern auch eitel. Seinem damals noch wallenden blonden Haar widmete er allergrößte Aufmerksamkeit; er wusch es täglich und brachte es mit einem überdimensionalen Fön in Form. Zimmergenosse Paul Breitner wunderte sich und machte seine Witze über diesen »Foeneß«. Er selbst wirkte wie das Gegenmodell zu diesem Strahlemann: Bärtig, die dunklen Haare im Afrolook, stets mürrisch und überkritisch, umgab den Pädagogikstudenten aus Freilassing die Aura eines linken Revoluzzers. Der »rote Paul«, wie Breitner bald von den Medien getauft wurde, ließ sich mit der kommunistischen »Peking Rundschau« vor einem Mao-Poster ablichten und erklärte eine Niederlage der Amerikaner in Vietnam zu seinem größten Wunsch. Der stockkonservative Präsident Neudecker wunderte sich über den seltsamen Sozialisten Breitner.

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