Das Prinzip Uli Hoeneß. Christoph Bausenwein
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Das Ende bei den Bayern
Die Saison 1978/79 war die letzte des Spielers Uli Hoeneß und die wohl turbulenteste in der Geschichte des FC Bayern München überhaupt. Im Sommer kehrte Paul Breitner nach drei Jahren in Madrid und einem recht unbefriedigenden Intermezzo in Braunschweig nach München zurück. Den Transfer hatte Uli Hoeneß durch seine Kontakte zur Ulmer Firma Magirus Deutz möglich gemacht: 600.000 DM der Ablöse von insgesamt 1,96 Millionen steuerte Magirus Deutz als neuer Trikotsponsor bei. Erhalten habe Hoeneß diese Summe nur unter der Voraussetzung, sie ausschließlich für seinen Transfer zu verwenden, kommentierte Breitner voller Stolz. Und das Geld sei gut angelegt gewesen, bilanzierte er ohne falsche Bescheidenheit Jahre später: »Das war der Beginn des Werdegangs des FC Bayern in diese Höhe, in der der FC Bayern heute ist.« Damals, im Sommer 1978, machte ein vor Tatendrang nur so strotzender Uli Hoeneß beim Pressetermin zur Vorstellung der neuen Mannschaft deutlich, dass man die Scharte vom Vorjahr, als man sich mit dem äußerst blamablen zwölften Platz hatte begnügen müssen, umgehend wieder auswetzen wolle. »Bei den Fototerminen im nächsten Jahr werden zwei Dinge gleich bleiben. Die Aufschrift wird gleich bleiben, die Spieler werden wahrscheinlich auch größtenteils dieselben bleiben, aber eines muss sich ändern – da müssen wieder Pokale stehen.« Dabei nickte er mit dem Kopf leicht in die Mitte des Trainingsplatzes – dorthin, wo früher immer die Meisterschale präsentiert worden war, aber nun schon seit vier Jahren keine Trophäen mehr hatten platziert werden können.
Der Mann mit dem übergroßen Selbstbewusstsein schien sich also einiges zuzutrauen – und das trotz des seit geraumer Zeit kursierenden Gerüchts, er sei eigentlich schon fast ein Sportinvalide und somit von ihm nicht mehr viel zu erwarten. Uli Hoeneß war ein Spieler, der von seiner Dynamik lebte. Und die hatte nach zahlreichen Läsionen – Leistenbruch, Verletzung der Achillessehne, zwei Meniskusoperationen – unübersehbar gelitten. Uli Hoeneß sei wie ein Kerze, die von beiden Seiten angezündet wird, hatte die »FAZ« im Frühjahr 1977 geschrieben. Das sollte heißen: Seine kraftraubende Spielweise mit den entsprechenden Verschleißerscheinungen führe zwangsläufig zu einer Karriere von nur kurzer Dauer.
Noch aber lief die Karriere, und noch war der Ehrgeiz des angeschlagenen Stürmers riesig. Dem möglichen Vorwurf, ein Geldabzocker auf der Reservebank zu sein, wollte er unbedingt entgegenwirken, und so handelte er mit Bayern-Präsident Neudecker einen Sondervertrag aus, in dem er auf jedes Grundgehalt verzichtete und ausschließlich nach tatsächlichen Spieleinsätzen bezahlt werden sollte. »Nun kann mir niemand mehr vorwerfen, ich liege dem Verein auf der Tasche«, kommentierte er sein Vorgehen. »Das volle Risiko trage nur ich.« Außerdem gefalle es ihm, schob er als weitere Begründung für sein Vorgehen hinterher, ein außergewöhnliches Experiment durchzuziehen. »Ich will ausprobieren, wie das geht. Ich will sozusagen Fußball im Extremfall spielen. Ich will mich bewusst allen Einflüssen, Unwägbarkeiten, Gefahren meines Berufes aussetzen.« Selbst der Gefahr, im Zweifel kein Geld zu verdienen. Aber das hatte er inzwischen aufgrund seiner zahlreichen Nebeneinkünfte sowieso nicht mehr unbedingt nötig. Fußball nur aus Leidenschaft zu spielen – das war die Freiheit, die er sich erarbeitet hatte und nun nutzen wollte.
Laut der Münchner Boulevardzeitung »tz« war Hoeneß 1977/78 auf ein Jahresgehalt von 450.000 DM gekommen, nun sollte er pro Einsatz 10.000 DM erhalten, dazu die üblichen Prämien. Das Risiko des neuen Vertrages zeigte sich rasch. Im ersten Saisonspiel (0:1 in Dortmund) zur Halbzeit ausgewechselt, saß Hoeneß bereits beim 6:2-Heimsieg gegen Duisburg auf der Bank. Trainer Gyula Lorant meinte nach dem Spiel: »Hoeneß passt momentan nicht in mein Konzept. Außerdem kommt er mit der Raumdeckung nicht zurecht.« Der Geschasste war erbost, aber nicht wegen des verlorenen Geldes, wie er feststellte, sondern weil er nicht spielen durfte, obwohl er sich so gut in Form fühlte wie zu seiner besten Zeit. Ansonsten nahm er die Sache noch humorvoll. Der Präsident Neudecker habe am Spieltag ganz freundlich Grüß Gott zu ihm gesagt. »Früher, wenn ich verletzt war und nicht gespielt habe und trotzdem einen Haufen Geld gekostet habe, hat er mich kaum angeschaut.« Während der Präsident ihn anlächelte, wurde er allerdings vom Trainer kaum mehr beachtet. »Hoeneß ist nur noch Ersatzmann für Rummenigge«, hatte Lorant entschieden.
Für den einstigen Jung-Siegfried gestaltete sich die Lage immer unbefriedigender. Es wurde zunehmend deutlich, dass er in den Planungen des nicht nur von Breitner als inkompetent eingeschätzten Lorant keine Rolle mehr spielte. An Lorant allein lag es freilich nicht, denn Hoeneß’ Laborieren an den Folgen seiner schweren Verletzungen war unübersehbar. Breitner verteidigte seinen Freund: »Ein Spieler wie der Uli, der in erster Linie von seiner körperlichen Verfassung abhängig ist, der braucht länger als ein Spieler, der vielleicht mehr von der Technik lebt.« Hoeneß selbst sollte Jahre später zugeben: »Ich habe damals drei Jahre lang nicht mehr ohne Schmerzen trainieren und spielen können. Das war eine furchtbare Zeit.«
Im September 1978 hoffte er freilich noch auf eine Genesung und versuchte, sich bei anderen Vereinen ins Gespräch zu bringen. Tatsächlich zeigte sich der HSV-Manager Günter Netzer bereit, einen Blitztransfer des Münchner Edelreservisten für ein Jahresgehalt von 200.000 DM nach Hamburg zu arrangieren. Der wechselwillige Hoeneß absolvierte ein Probetraining – und war dann wie vor den Kopf gestoßen, als Netzer vor Unterzeichnung des Vertrages eine Arthroskopie des lädierten Knies forderte. In der Boulevardpresse war kolportiert worden, dass Hoeneß seine über eine Summe von 1,5 Mio. DM abgeschlossene Sportinvaliditäts-Versicherung nicht mehr hatte verlängern können, und das hatte den HSV wohl skeptisch werden lassen. Der HSV-Arzt Dr. Mann, ein Spezialist in Sachen Kniespiegelung, begründete, dass diese Untersuchung »die beste Aussagekraft in unklaren Fällen« habe und zudem nur eine Routinesache sei. Uli Hoeneß jedoch war empört, lehnte den Eingriff aus Angst vor einer weiteren Schädigung seines Knies ab und flog wieder zurück nach München. Über die eigentlichen Hintergründe von Netzers Forderung wurde später in Hamburg hinter vorgehaltener Hand geflüstert: HSV-Trainer Zebec habe bereits nach wenigen Minuten im Probetraining gesehen, dass mit Hoeneß nichts mehr los sei.
Präsident Neudecker nahm den bereits verloren geglaubten Sohn wieder auf, und alles schien ins Reine zu kommen, als der knorrige Trainer Lorant sich ganz offensichtlich willens zeigte, an dem ehemaligen Weltklassestürmer festzuhalten. Vor einem Auftritt im »Aktuellen Sportstudio« am 23. September, bei dem er zu der Sache mit der Arthroskopie Stellung nehmen wollte, äußerte Hoeneß über Lorant: »In einem langen Gespräch heute Morgen hat er mir zugesichert, alles zu tun, um mir eine neue Chance zu geben.« Noch am Nachmittag desselben Tages hatte sich gezeigt, dass es durchaus angebracht sein könnte, es noch einmal mit dem Stürmer Hoeneß zu versuchen: Da waren die Bayern nämlich im Olympiastadion sensationell mit 4:5 in der zweiten Runde des DFB-Pokals gegen den Zweitligisten VfL Osnabrück ausgeschieden. Der erst in der 85. Minute eingewechselte Hoeneß hatte das Verhängnis zwar nicht mehr abwenden können, aber vielleicht wäre ja alles anders gekommen, wenn er von Beginn an hätte mitwirken dürfen. Kurz vor der Sendung freute er sich in den Kulissen des Studios, nun endlich vor laufenden Kameras die seiner Meinung nach völlig falschen Berichte in der Presse richtigstellen zu können. »Man müsste jeden Tag eine Fernsehsendung haben, um die Dinge zu korrigieren.« Hoeneß’ Abneigung gegen die angeblich von Lügen und Verfälschungen durchsetzten Printmedien trat hier zum ersten Mal deutlich zutage.
Vor den Kameras des ZDF legte er einen großen Auftritt hin. Wie ein Anwalt beim Plädoyer präsentierte er ein monströses Arthroskop und erläuterte: »Es kann A) Infektionen geben, B) es kann dabei das Knie beschädigt werden, und drittens – und das ist mir das Entscheidende –, jeder Arzt sagt: In ein solches Knie, das nach Auskunft auch von Dr. Mann vom HSV reizfrei ist, so etwas zu machen, ist unverantwortlich. Und in München gibt es einen Arzt, der spricht sogar von einem Kunstfehler. Und jetzt frage ich den Herrn Netzer: Wenn er zu mir sagt, er sei tief enttäuscht von mir, dann kann ich ihm dazu nur antworten: Im Moment ist nur er enttäuscht. Wenn irgendetwas passiert wäre, dann wäre meine Familie enttäuscht worden. Ich muss fragen, was ist wichtiger. Und wenn