Das Prinzip Uli Hoeneß. Christoph Bausenwein

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Das Prinzip Uli Hoeneß - Christoph Bausenwein

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Es war ein für damalige Medienverhältnisse sehr ungewöhnlicher Auftritt, in dem Hoeneß sich einmal mehr als der herausragende Vertreter einer Fußballergeneration präsentierte, die mündig geworden war.

      Die Hintergründe der Geschichte mit der Arthroskopie also konnte Uli Hoeneß richtigstellen. Mit Lorant aber klärte sich nichts. Hoeneß saß weiterhin auf der Bank. Am 21. Oktober kam es beim Spiel in Stuttgart zum Eklat. Die Bayern lagen mit 0:2 zurück, und Breitner gestikulierte wie wild auf dem Platz, schrie in Richtung Trainerbank: »Bring doch endlich den Uli rein, du Wahnsinniger.« Lorant aber wechselte – wohlgemerkt: bei einem Rückstand von 0:2! – mit Klaus Augenthaler erst einen Verteidiger ein, bevor er kurz vor Schluss und natürlich viel zu spät doch noch Hoeneß brachte. Als der ehemalige Weltklassestürmer eine Woche später nur noch in der zweiten Bayern-Mannschaft kicken durfte, kommentierte die »Welt« hämisch: »Jung-Siegfried von einst heute ausgelacht.«

      Es zeichnete sich nun mit aller Deutlichkeit ab, dass die Differenzen mit dem verstockten und zu keinerlei Diskussionen bereiten Trainer nicht mehr zu kitten sein würden. Er sei wegen seines Knies »natürlich schon gehandicapt« gewesen, sollte Hoeneß im Rückblick zugeben. Das sei aber nur die eine Seite gewesen. »Auf der anderen Seite hatten wir damals mit Gyula Lorant einen Trainer, der relativ wenig Rücksicht genommen hat auf Spieler, die mal verletzt waren und die man hätte heranführen müssen. Er hat so nach der Methode gearbeitet: Vogel, friss oder stirb. Das war für meine damalige Situation natürlich schwierig.« Ihr Mann sei sensibler, als man denke, fügte Gattin Susi hinzu. Die Verstocktheit seines Trainers, die Zweifel und die Kritik an ihm hätten dazu geführt, dass er zuletzt auch selbst nicht mehr richtig an sich geglaubt habe.

      Es war also höchste Zeit für eine Luftveränderung, um wieder frischen Wind zu bekommen. Am 1. November wechselte Uli Hoeneß für eine Leihgebühr von 150.000 DM zum abstiegsgefährdeten 1. FC Nürnberg. Sein Brutto-Monatsgehalt betrug laut Auskunft des stolzen »Club«-Präsidenten Lothar Schmechtig 5.000 DM.

       Ein Manager im Wartestand

      Am 4. November, beim ersten Hoeneß-Auftritt im Nürnberger Stadion, sahen 58.000 erwartungsfrohe Club-Fans einen motivierten, engagierten und richtig starken Uli Hoeneß – erlebten aber zugleich eine 0:2-Niederlage ihrer Mannschaft gegen Schalke 04. Als es auch in den folgenden Spielen nicht besser lief – auf Niederlagen gegen Frankfurt und Bielefeld folgte ein 0:4 in München –, begann der immer weniger überzeugend auftretende Hoeneß selbstkritisch zu werden und sprach davon, dass er die Höhen von früher möglicherweise doch nicht mehr würde erreichen können. Ganz so schnell wie einst, gab er zu, sei er sicherlich nicht mehr, aber er wolle natürlich weiterhin sein Bestes geben. »Das kommt oder es kommt nicht«, äußerte er in einem etwas fatalistischen Ton über die Chancen, sein Leistungsvermögen zu steigern, »und wenn es nicht kommt, kann man auch nichts machen.«

      Uli Hoeneß fühlte die Zeit gekommen, da er sich würde Gedanken machen müssen über das, was nach dem Ende seiner aktiven Karriere folgen sollte. »Es scheint mir das Wichtigste zu sein«, erläuterte er, »dass es einem gelingt, auch nachher eine Persönlichkeit zu sein, also ohne dass man jedes Wochenende Erfolgserlebnisse auf dem Fußballplatz hat. Das strebe ich an. Ob es mir gelingt, das kann ich im Moment noch nicht sagen.« Eine Idee, was er künftig tun könnte, hatte er bereits: Fußballmanager. Im November äußerte er gegenüber dem »Fußballmagazin«: »Ich verstehe etwas von Finanzen und Geschäften. Ich verstehe etwas von Fußball und Fußballspielern. Ich bin prädestiniert für diesen Beruf.«

      Sein Vorbild war Robert Schwan, der den Posten des Managers bei den Bayern bis 1977 bekleidet hatte, als er seinem Schützling Franz Beckenbauer nach New York gefolgt war. Schwan war eine starke Persönlichkeit und aufgrund seiner Selbstverliebtheit für sein unmittelbares Umfeld zuweilen nur schwer erträglich – er kenne nur zwei intelligente Menschen, hatte er einmal geäußert, »Robert Schwan am Vormittag und Robert Schwan am Nachmittag« –, doch er war auch ein Mann mit Visionen, dem insbesondere daran gelegen war, den Fußball von seinem proletarischen Image zu befreien – etwa durch die Einführung von Englischkursen für die Spieler oder durch das Buchen bester Hotels bei Auswärtsspielen. Als Spieler war Hoeneß so etwas wie der Assistent von Robert Schwan gewesen und hatte dessen Aktenkoffer tragen dürfen. »Wo immer wir mit dem FC Bayern unterwegs waren, habe ich Robert Schwan über die Schulter geschaut, und der hat mir oft gesagt: ›Du wirst mein Nachfolger.‹« Uli Hoeneß war also als Bayern-Manager in spe bereits in Position gebracht, doch der seit Schwans Weggang verwaiste Posten keineswegs seine einzige Option. Vor vier Jahren hatte er seinen Bruder Dieter beraten, als dieser mit dem VfB Stuttgart verhandelte, und dabei unter anderem für die Fixierung einer festen Ablösesumme im Vertrag gesorgt. Der VfB-Präsident Gerhard »MV« Mayer-Vorfelder war damals so beeindruckt, dass er den brüderlichen Berater für später den Posten eines Managers beim schwäbischen Traditionsverein angeboten hatte.

      Aber war Fußballmanager wirklich das Richtige für ihn? In München fiel Paul Breitner auf die Frage, ob er sich seinen Freund womöglich als Fußballmanager vorstellen könne, Folgendes ein: »Dafür ist das Betätigungsfeld für den Uli zu klein. Der Uli ist zu Größerem in der Lage. Das wäre sicherlich schade, wenn sich der Uli irgendwo bei einem Verein hinter den Schreibtisch hocken würde. Es wäre ein Unsinn. Ich glaube, wenn er ganz ehrlich ist, dann will er das auch gar nicht. Er wird sicherlich mal irgendwas im Bereich Management tun, das ja. Aber nicht beim FC Bayern oder bei irgendeinem anderen Verein.« Breitner hatte wie immer eine eigene Meinung, die Wirklichkeit sah aber anders aus. Während in dem äußerst schneereichen Winter der Bundesliga-Spielbetrieb durcheinander gewirbelt wurde – insgesamt gab es 46 Absagen –, köchelte die Gerüchteküche. Nach dem 21. Spieltag am 3. Februar 1979 sickerte durch, Bayern-Präsident Neudecker wolle den beim VfB Stuttgart in Diensten stehenden Dieter Hoeneß als Nachfolger von Gerd Müller und seinen Bruder Uli als neuen Bayern-Manager verpflichten. An diesem Samstag fanden nur drei Partien statt, und da auch Uli Hoeneß aufgrund der Absage der Partie Nürnberg gegen Köln unbeschäftigt war, konnte er auf dem Gebiet des Managements tätig werden. Er organisierte in Frankfurt, wo die Bayern bei der Eintracht angetreten waren, ein Treffen zwischen Neudecker und seinem vom VfB-Auswärtsspiel in Hamburg angereisten Bruder Dieter. »Sie wären der würdige Nachfolger Gerd Müllers, und wir sind sehr an Ihnen interessiert«, soll Neudecker den möglichen Neu-Bayern umworben haben.

      Eine gute Woche später gab Uli Hoeneß offiziell bekannt: »Ich werde zum 1. Juli 1979 Manager bei Bayern München, vorher erfülle ich aber auf jeden Fall meinen Vertrag beim 1. FC Nürnberg.« Neudecker habe ihm eine Frist von zehn Tagen gesetzt. Er kannte Neudecker gut genug, um zu wissen, dass der sein Vorhaben auch in die Tat umsetzt. Und er wusste: Wenn er jetzt nicht zugeschlagen hätte, wäre sein Traumjob besetzt gewesen. Der Konkurrent hieß Rudi Assauer, damals Manager von Werder Bremen, dem Neudecker kurz zuvor ein Angebot unterbreitet hatte. Der Bayern-Präsident entschied sich schließlich für den Ex-Bayern-Spieler, und der hielt den Zeitpunkt des Überwechselns ins neue Berufsleben für gerade richtig. Er hätte sicherlich noch zwei, drei Jahre Fußball spielen können, war er überzeugt, aber zugleich fürchtete er, später nicht noch einmal eine so gute Gelegenheit für den Einstieg in einen anderen Beruf zu erhalten. Dazu kamen ernstzunehmende Bedenken, denn eine Fortsetzung seiner Karriere wäre von großen Unwägbarkeiten begleitet und nur mit großem Risiko möglich gewesen. »Als mir die Ärzte damals erklärten, wenn ich weiterspielen würde, könnten sie mir nicht garantieren, dass ich mit 40 Jahren noch Tennis spielen und mit 50 noch beschwerdefrei spazieren gehen kann, war für mich klar: Jetzt musst du aufhören!« In dieser Situation sei dann die Anfrage von Neudecker »wie eine Erlösung« gewesen.

      Was für Hoeneß eine Erlösung war, sollte sich für den FC Bayern als die beste denkbare Lösung auf dem Managerposten erweisen. Jahre nach der Entscheidung, als der Manager seine Bayern zu Seriensiegern gemacht hatte, resümierte er immer noch ein wenig ungläubig, wie schnell das alles damals gegangen war: Ein »Wahnsinnsjahr« sei das gewesen, es habe sein Leben »total verändert, und ich glaube, auch das des FC Bayern«.

      Über die

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