Das Prinzip Uli Hoeneß. Christoph Bausenwein

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Das Prinzip Uli Hoeneß - Christoph Bausenwein

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Oetker, der Chef des riesigen Multikonzerns, die Discounter-Könige Albrecht und die schwerreiche Unternehmerfamilie Snoek. »Ich habe eben die richtigen Partner fürs Leben gefunden, und darauf kommt es an«, frohlockte er mit dem Stolz des Metzgersohns, der einen märchenhaften Aufstieg geschafft hatte. Hier, unter diesen Erfolgsmenschen, fühlte er sich zu Hause und am richtigen Platz. Die gewaltigen unternehmerischen Leistungen, die solche Leute vollbracht hatten, inspirierten ihn. Was er noch brauchte, war eine eigene Position, mit der er sich im Kreis dieser Mächtigen würde profilieren können. Nur Fußballspieler zu sein, und sei es mit noch so vielen Werbeverträgen, genügte jedenfalls nicht. Seine Bescheidenheit, die er geradezu demonstrativ zur Schau stellte, war für ihn kein Widerspruch zu seinen Ambitionen. Mit seiner Ehefrau bewohnte er zunächst noch eine kleine Zwei-Zimmer-Wohnung in München, den größten Teil seines Verdienstes, etwa vier Fünftel, sparte er an.

       Geld allein macht nicht glücklich

      Geld verdienen sei nicht das Wichtigste beim Fußball, betonte Hoeneß regelmäßig, wenn er gerade einen großen Erfolg zu feiern hatte. Seine überragende Leistung beim triumphalen 4:0 gegen Atlético Madrid im Europapokal-Finale von 1974, verriet er nach dem Spiel der Münchner »Abendzeitung«, habe rein gar nichts mit den ausgelobten Prämien zu tun. Er sei sich »ganz sicher«, sagte er, »dass die 12.000 Mark, die nach Abzug aller Steuern für jeden von den 30.000 Mark Prämie übrig bleiben, nicht ausschlaggebend waren. Bei allen angenehmen materiellen Begleitumständen meines Berufes waren die Tage von Brüssel ein unvergessliches Erlebnis. Ein Abschnitt in meiner Karriere, den ich nie vergessen werde. Ich hätte weder für mehr noch für weniger Geld in Brüssel besser spielen können.« Das Umrechnen von Brutto auf Netto hatte er über seinem Idealismus freilich doch nicht vergessen.

      Ähnlich ambivalent äußerte er sich wenige Wochen später, als es um die Prämien bei der anstehenden WM-Endrunde ging. Nachdem Franz Beckenbauer mit dem DFB in Malente eine Staffelprämie ausgehandelt hatte, von 15.000 DM (für die Teilnahme) bis 60.000 DM (für den WM-Titel), wurde den Nationalspielern umgehend in bissigen Kommentaren unersättliche Profitgier angelastet. Diese erstmalige Auslobung einer Erfolgsprämie sei eine »zukunftsweisende Sache«, meinte Uli Hoeneß, stellte aber zugleich auch fest: »Wir Profis leben zwar vom Fußball, aber wir denken nicht unablässig ans Geld.« Als dann jedoch die Zuschauer in Hamburg beim mäßigen Vorrundenspiel gegen Australien die »geldgierigen Profis« mit einem gellenden Pfeifkonzert bedacht hatten, kam er ins Grübeln. »Stunden später erinnerte mich ein Zeitungsmann, dass ich so ›nebenbei‹ für das Erreichen der zweiten Finalrunde 25.000 DM (brutto) verdient hatte. Geld beruhigt auch Fußballer. Aber – es macht uns allein auch nicht glücklich.«

      Hoeneß’ Verhalten vor, während und nach der Weltmeisterschaft war tatsächlich wenig geeignet, den Vorwurf der Geldgier zu entkräften. »Wenn wir Weltmeister werden, haben wir zeitlebens ausgesorgt«, äußerte der Jungprofi, der zu diesem Zeitpunkt bereits einen BMW, einen Porsche Carrera und drei Eigentumswohnungen in Ulm besaß, vor dem Turnierbeginn und sorgte damit für große Aufregung. Und die legte sich natürlich nicht, als er in den ersten Spielen nur bescheidene Leistungen brachte, in seiner Freizeit aber fleißig herumtelefonierte, um irgendwelche Geschäfte am Laufen zu halten. Hoeneß hatte sich nachhaltig unbeliebt gemacht, und daran änderte nicht mehr viel, dass er seine Aktivitäten dann stoppte und nach der WM am Lesertelefon der »Bild« bekannte: »Ich hätte auch ohne Geld gespielt.«

      Laut »Stern« verdiente Hoeneß, dessen Jahreseinkommen damals bei rund einer halben Million DM lag, mit seinen Werbeaktivitäten im Umfeld der WM noch einmal so viel. In der »Bild« schrieb er eine kleine Serie, in der er sich selbst ins rechte Licht setzte. Der letzte Absatz der letzten Folge lautete: »Uli Hoeneß, 22, Student und Weltmeister. So begann mein erster Bericht. Dem letzten möchte ich noch ein Detail hinzufügen: Hausbesitzer. Ja, in zwei Wochen ziehe ich in ein eigenes Haus mit Swimmingpool. Ich habe es mir vor der Weltmeisterschaft gekauft – mit 22! Und da sind wir wieder beim Thema: Der Fußball hat es möglich gemacht. Das hört sich großartig an – und auch irgendwie ungerecht (vor allem für einen, der in der Fabrik oder im Büro arbeitet).«

      Nun, Hoeneß arbeitete ja ebenfalls unentwegt, wenn auch nicht in der Fabrik und ohne Büro. Beim Vertrieb eines WM-Buches, das er zusammen mit Paul Breitner und Udo Lattek herausgegeben hatte, holte er sich wunde Finger: Jedes Exemplar war nummeriert und von den Autoren signiert. »Zwei- bis zweieinhalbtausend Unterschriften hat er geschafft an einem Abend, während wir den ›Kommissar‹ angeschaut haben«, berichtete sein Zimmergenosse Karl-Heinz Rummenigge, genervt habe es ihn nie, denn für jede Unterschrift bekam er eine D-Mark. Zusätzlich zu dem Honorar von 250.000 DM holte Uli Hoeneß auf diese Weise noch weitere 100.000 DM Unterschriftsvergütung heraus. Seinen Plan, durch private Buchreklame die Verlagswerbung zu unterlaufen und den Eigengewinn weiter zu erhöhen, durchkreuzte der Verleger dann allerdings mit einer Klageandrohung. Solche Aktivitäten kamen bei vielen gar nicht gut an, aber Hoeneß ließ sich von niemandem bremsen.

      Zu einem kleinen Skandal kam es im November 1974, als er nach Frankfurt zu einer Autogrammstunde reiste (Gage: 3.000 DM) und dafür das Training schwänzte. Neudecker tobte, als er davon erfuhr, und belegte Hoeneß für das nächste Spiel in Bochum mit einem Auftrittsverbot (Bayern verlor 0:3). Auch Franz Beckenbauer hatte nun allmählich genug von solchen Sperenzchen. Er hielt die Geschäftstüchtigkeit seines Mitspielers nicht nur für fragwürdig, sondern vor allem für wenig leistungsfördernd. Unverblümt kritisierte er die »Verbissenheit«, mit der Uli Hoeneß nach dem Geld schiele. »Machst du zu viel nebenbei, gibst du nur noch Autogrammstunden – dann wirst du bald merken, dass der Schuss nach hinten losgeht. Es ist ganz einfach: wenn Fußball nicht mehr die Hauptsache für dich ist, sondern Geld, dann bringst du bald eine sehr schlechte Leistung.«

      Paul Breitner, der mit Werbeverträgen für Maggi, Coca-Cola, Trumpf und Nestlé kaum weniger verdient hatte als sein ehemaliger Zimmergenosse, hatte nach der WM mit seinem Wechsel zu Real Madrid den direkten Weg zum Geld gesucht: Drei Millionen brachte ihm sein Dreijahresvertrag bei den »Königlichen« ein. Der Großverdiener wollte bald auch seinen alten Kumpel zum Wechsel überreden, und tatsächlich sollten sich zwei Jahre später die Gerüchte verdichten, dass Hoeneß demnächst im weißen Trikot Reals auflaufen könnte. Doch dann entschied sich Breitner für eine Rückkehr nach Deutschland, und Hoeneß verkündete, dass er seinen bis 1978 laufenden Vertrag bei den Bayern erfüllen wolle. Ausschlaggebend für seine Entscheidung war wohl die Befürchtung, dass er durch den Wechsel die Anwartschaft auf einen Platz in der Nationalmannschaft einbüßen könnte. »Legionäre« waren damals beim DFB sehr unbeliebt, und das hatte auch Breitner zu spüren bekommen, der es während seiner Real-Zeit lediglich zu zwei Länderspielberufungen brachte. »1978 bin ich 26«, kalkulierte Hoeneß, »dann kann ich immer noch im Fußball großes Geld verdienen.«

      Da er mit seinem in München erzielten Gehalt nie zufrieden war bzw. seine Fußballeinnahmen immer nur als »Basis« betrachtete, ließ er sich nach dem Motto »Kleinvieh macht auch Mist« weiterhin keinen Zusatzverdienst entgehen. So schloss er etwa für ein Honorar von rund 1.500 DM jährlich einen Vertrag ab, der ihn verpflichtete, an Veranstaltungen teilzunehmen: Autogrammstunden, Diskussionen, ein Schüler-Fußballspiel zu pfeifen, ein Training zu leiten bei einem Amateurverein – oder auch mal die Gewinner eines Preisausschreibens zum »Frühstück mit Uli Hoeneß« einzuladen, bei dem Susi im trauten Heim Brötchen und Leberkäse auftrug. Begeistert war sie nicht gerade von den fremden Eindringlingen, aber sie trug alle Entscheidungen ihres Mannes mit. Immerhin hatte der gewisse Kriterien aufgestellt und war nicht zu allem bereit. Für alles werde er sich nicht hergeben, meinte er, und sicherte sich daher, als er seine Werberechte an eine Agentur vergab, ein Mitspracherecht. Jugend- und Freizeitmode passe zu ihm, war er überzeugt, eine Versicherung ebenso, vor allem aber eine Bank. Wer für eine Bank werbe, der müsse solide sein und mit dem Geld umgehen können. Und wer wäre da als Repräsentant besser geeignet als er, der Mann mit dem riesigen Sparkonto, der Mann mit den stattlichen Geldanlagen, der Mann, der trotz aller innovativen Geschäftsideen nie ein Risiko einging und mithin alles Materielle achtsam behandelte, sogar seinen Porsche, den er zur Schonung in jedem Winter abmeldete?

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