Das Prinzip Uli Hoeneß. Christoph Bausenwein

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Das Prinzip Uli Hoeneß - Christoph Bausenwein

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Minuten mit 0:1 hinten, nach einer Viertelstunde mit 0:2. In der Halbzeitpause verließ Wilhelm Neudecker die Tribüne, um in der Kabine seine Mannschaft zu beschwören, sich bitte nicht zu blamieren, und lobte zur Untermauerung seines Flehens eine Zusatzprämie von 2.000 DM für das Weiterkommen aus. Doch es wollte nicht besser werden, in der 72. Minute erzielte der Schütze des ersten Tors, Conny Torstensson, einen weiteren Treffer.

      Die Feierabendprofis aus der Provinz hatten das Star-Ensemble aus München am Rande des Abgrunds – und in dem wäre es wohl gelandet, wäre da nicht ein Retter gewesen: Kurz nach dem Wiederanpfiff stellte Uli Hoeneß mit einem Abstauber den Anschluss her und erzwang so die Verlängerung. Seinen nächsten Treffer erzielte er eine Dreiviertelstunde später, im Elfmeterschießen. Auch der war wichtig, denn Bernd Gersdorff hatte beim zweiten Strafstoß der Bayern zu hoch gezielt. Nachdem Hoeneß den Ball sicher verwandelt hatte, wehrte Sepp Maier einen Schuss der Schweden ab; dann traf Beckenbauer, und als der fünfte Schütze der Schweden vorbeischoss, waren die Bayern noch einmal knapp an einer Blamage vorbeigeschrammt. »Noch so ein Spiel halten meine Nerven nicht aus«, stöhnte Trainer Udo Lattek im Moment des Sieges. Und Präsident Neudecker befahl seinem Manager Robert Schwan: »Den mit den roten Schuhen möchte ich haben.« Der mit den roten Schuhen war der beste Mann des Gegners, der zweifache Torschütze Conny Torstensson.

      Im Achtelfinale hieß der Gegner Dynamo Dresden, und auch der machte den Bayern das Leben schwer. Als die Dynamos am 24. Oktober im Olympiastadion zur Halbzeit mit 3:2 in Führung lagen, ging erneut die Angst vor einer Blamage um. Am Ende gab es ein knappes und erst spät sichergestelltes 4:3 für die Münchner. Man war noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen, doch komfortabel war die Situation vor dem Rückspiel in Dresden nicht, denn Dynamo hätte bereits ein 1:0-Sieg zum Weiterkommen gereicht.

      Äußerst peinlich war der Eklat, den der strikt antikommunistische Präsident Neudecker vor der Begegnung am 7. November in Dresden mit der Anordnung hervorgerufen hatte, vor dem Spiel nicht im bereits angemieteten Hotel Newa zu übernachten: »Wir fahren nur bis Hof, bleiben dort bis zum Spieltag und reisen erst dann nach Dresden weiter!« Als offizielle Begründung nannte der Bayern-Boss: »Der Höhenunterschied zwischen München und Dresden könnte leistungshemmend sein, und vielleicht reichen zwei Tage nicht aus, um sich zu akklimatisieren.« Die knapp 400 Meter Höhenunterschied waren es natürlich nicht, die Neudecker Sorgen machten. Der Präsident, der eigener Aussage nach der CSU vor allem deswegen beigetreten war, damit er seinen FC Bayern nicht eines Tages »als Dynamo Bayern München unter Führung eines kommunistischen Politruks« erleben müsse, nahm die zahllosen Gerüchte äußerst ernst, die man sich im Westen über die Verhältnisse in der DDR zuraunte. Es kursierten wahre Horrorgeschichten über Stasi-Spitzel, Vergiftungsversuche und ähnliches. Neudeckers Entschluss traf vor allem die 3.000 Fans in Dresden, die stundenlang vor dem Hotel gefroren hatten, um die Fußballstars aus dem Westen begrüßen zu können.

      In den Jahren, die seitdem vergangen sind, musste sich der FC Bayern manche Klage über sein Verhalten in diesem November 1973 anhören. Heute weiß man, dass die Befürchtungen der Bayern keineswegs völlig haltlos waren. Zwar hatte niemand das Essen der Gäste mit leistungshemmenden Mitteln vergiftet, doch in der Nacht vor dem angenommenen Eintreffen der Bayern hatte man das gesamte Personal im Hotel Newa gegen Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit ausgetauscht, und der »Salon Puschkin«, in dem die Mannschaft sechs Stunden vor dem Spiel ihre Abschlussbesprechung abhielt, war mit Wanzen gespickt. Latteks Ansprache wurde Wort für Wort in der Zentrale der Dresdener Stasi mitgeschrieben. Der Schreiber überreichte die Notizen einem Boten, der sich mit einem MZ-Motorrad auf den Weg zur Mannschaftssitzung der Dynamos machte. Dort übergab er den Zettel dem Trainer Walter Fritzsch, und der trug seinen Spielern den Inhalt vor: »Wir kommen jetzt zur Aufstellung der Bayern … .«

      Fritzsch wusste also genau, was seine Elf in dem mit 36.000 Zuschauern bis auf den letzten Platz gefüllten Rudolf-Harbig-Stadion erwartete. Aber er muss vergessen haben, seinen Verteidiger Eduard Geyer vor Uli Hoeneß zu warnen. In der Erwartung, dass sich die Dresdener Abwehr voll auf Gerd Müller konzentrieren würde, hatte Lattek den schnellen Hoeneß auf Höhe der Mittellinie in Lauerposition postiert. Für Hoeneß’ Gegenspieler Eduard Geyer, der später als letzter Auswahltrainer der DDR in die Sportgeschichte eingehen sollte und 1997 den Drittligisten Energie Cottbus ins DFB-Pokal-Finale und später in die 1. Bundesliga führte, wurde der Abend zum Albtraum. Keine zwölf Minuten waren vergangen, da war der blonde Schwabenpfeil dem schwerfälligen Geyer schon viermal enteilt. Beim ersten Mal verunglückte sein Pass auf Müller noch, beim zweiten Mal foulte Dresdens Torwart Claus Boden den Bayern-Stürmer, ohne dass ein Elfmeterpfiff erfolgt wäre. Beim dritten Mal war Hoeneß dann erfolgreich: Er täuschte Boden und schoss zur Bayern-Führung ein. Der vierte Streich war ebenfalls erfolgreich, wobei ihm diesmal ein wenig das Glück zur Seite stand: Nachdem er den Dynamo-Keeper angeschossen hatte, landete der Abpraller an seinem Kinn und fand von dort den Weg ins Tor.

      Das Spiel war aber noch nicht gelaufen. Wenige Minuten vor der Pause gelang Dynamo der Anschlusstreffer, sieben Minuten nach dem Wiederanpfiff der Ausgleich. Und als in der 56. Minute auch noch das 3:2 folgte, stand nun aufgrund der größeren Zahl auswärts erzielter Treffer plötzlich Dresden im Viertelfinale. Doch die Freude währte nur zwei Minuten: In der 58. Minute besorgte Gerd Müller den Ausgleich zum 3:3-Endstand.

      Im Viertel- und Halbfinale hatten es die Bayern abermals mit Mannschaften aus dem Ostblock zu tun, doch so knapp wie gegen Dresden wurde es nicht mehr. Gegen den bulgarischen Meister ZSKA Sofia (4:1, 1:2) und den ungarischen Titelträger Ujpest Dosza Budapest (1:1, 3:0) reichten zwei klare Heimsiege zum Weiterkommen. Auffälligster Spieler in diesen Partien war nicht jener, von dem die »Abendzeitung« schrieb, dass er sich vor Spielen aus Aberglauben nicht rasiert und immer als Letzter auf den Rasen läuft – nämlich Uli Hoeneß –, sondern der Mann mit den roten Schuhen, der Präsident Neudecker in Atvidaberg so begeistert hatte: der erstmals für die Bayern im Europapokal angetretene Conny Torstensson. Mit vier Toren und einer Torvorlage erwies sich der Schwede in diesen Spielen als gefährlichster Bayern-Stürmer, und Uli Hoeneß war offensichtlich derart neidisch auf seinen neuen Kollegen, dass er fortan – so jedenfalls behauptete es Torstensson – kein persönliches Wort mehr mit ihm sprach. Doch es wartete noch das Finale, und in dem sollte, nach einem langen Anlauf, Uli Hoeneß seinen größten Auftritt haben.

       Der Triumph von Brüssel

      Vor dem Endspiel gegen Atlético Madrid, das für den 15. Mai 1974 in Brüssel angesetzt war, galt der FC Bayern als Favorit. Der spanische Meister hatte die türkische Meistermannschaft Galatasaray Istanbul nur knapp geschlagen und war dann sowohl gegen Dynamo Bukarest als auch gegen Roter Stern Belgrad wirklich überzeugende Leistungen schuldig geblieben. Erst beim 2:0-Heimsieg gegen Celtic Glasgow im Halbfinale hatten die Spanier ihre Klasse andeuten können. »Wir werden siegen«, verkündete daher Trainer Lorenzo vor dem Endspiel im Vertrauen auf die ansteigende Form seines Teams: »Gerade jetzt hat sich meine Mannschaft heißgespielt und lechzt nach einem neuen Opfer.« Der Verlauf des Spiels schien ihm Recht zu geben. Zwar hatten die Bayern anfangs gute Chancen, doch dann fanden die Spanier immer besser ins Spiel. Der 34 Jahre alte Adelardo legte Hoeneß an die Kette, Eusebio ließ Gerd Müller keinen Raum, Mittelstürmer Garate prüfte auf der anderen Seite des Spielfelds Sepp Maier immer wieder mit kraftvollen Schüssen. Die Bayern spielten seltsam schwach, »katastrophal«, wie Hoeneß hernach zugeben sollte, und Fernsehkommentator Oskar Klose rätselte, warum »diese jungen Burschen nicht ihr Letztes geben, um Atlético Madrid, das doch durchaus zu schlagen ist, zu besiegen«.

      Obwohl ein Müller-Tor wegen angeblichen Fouls nicht anerkannt wurde, war das 0:0 nach der regulären Spielzeit aufgrund der zahlreichen Chancen der Spanier für die Münchner recht glücklich. Auch die Verlängerung schien keine Entscheidung zu bringen. Von den 30 Minuten waren bereits 24 vergangen, da verschuldete Hansen einen Freistoß. Der 36-jährige Mittelfeldspieler Luis, als treffsicherer Freistoßschütze bekannt, trat an, drehte den Ball über die sechsköpfige Mauer hinweg und dann an Maier vorbei ins kurze Toreck. Alles schien jetzt verloren. Doch dann, in der letzten Spielminute, als den Spaniern schon der finale

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