Westfalengau. Hans W. Cramer
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Читать онлайн книгу Westfalengau - Hans W. Cramer страница 5
Sabine und Raster schnappten ihre Taschen aus dem Kofferraum und steuerten auf die breite Freitreppe zu.
»Es scheinen ja schon einige Leute da zu sein«, meinte Raster und wies auf mehrere Fahrzeuge, die weiter links geparkt waren. In diesem Augenblick öffnete sich die reich verzierte Haustür, und heraus trat eine freundlich lächelnde alte Dame. Schlank und mit geradem Rücken hätte man sie auch als 70-Jährige durchgehen lassen können, wenn da nicht die unendlich vielen Falten und Fältchen in ihrem Gesicht gewesen wären. Sie trug ein nachtblaues elegantes Kostüm, das nicht so recht zu ihrem freundlichen und natürlichen Lächeln passen wollte. Das noch volle weiße Haar hatte sie zu einem akkuraten Dutt aufgesteckt.
»Ist das deine Großmutter?«, flüsterte Raster.
»Oma! Ist das schön, dich endlich wiederzusehen! Und alles, alles Gute zum Geburtstag!«, rief Sabine, ohne auf seine Frage direkt einzugehen, und sprang die Stufen hinauf, um ihrer Großmutter in die Arme zu fallen.
»Das ist sie ja wohl«, murmelte Raster und folgte seiner Freundin.
»Raster, darf ich dir meine liebe Oma vorstellen? Frau Lina Funda. Oma, das ist mein Freund Raster, ich meine Hans Schulz«, verbesserte sie sich.
Erneut öffneten sich die Arme der alten Dame, und ein warmes Lachen verschönerte aufs Neue das faltenreiche Gesicht. »Sie glauben gar nicht, wie froh ich bin, dass meine Sabine endlich jemanden gefunden hat. Und wen sie liebt, den mag ich schon mal erst recht. Ich bin Lina, darf ich auch einfach Raster sagen?«
»Selbstverständlich, gerne. Und auch von mir meinen herzlichsten Glückwunsch!«, antwortete Raster etwas unsicher.
»Jetzt kommt mal erst rein«, half ihm Lina über seine Verlegenheit hinweg. »Es sind schon fast alle da.« Sie dirigierte die beiden durch einen breiten Flur zu einer geschwungenen Treppe, die in die oberen Etagen führte, und neben der einige antike Stühle standen. »Lasst eure Taschen hier. Wir sitzen im Garten.«
Raster folgte Sabine und ihrer Großmutter durch eine hohe Tür hinter der Treppe in den rechten Flügel des Hauses. Sie betraten ein helles Wohnzimmer mit großen Fenstern und einer Terrassentür, die in den Garten führte. Der etwa drei Meter hohe Raum war geschmackvoll mit alten Möbeln eingerichtet, wobei Raster keine Ahnung hatte, aus welcher Epoche sie stammten. An den Wänden hingen, wie schon in der Diele, wertvoll aussehende Gemälde, die er aber nicht weiter einordnen konnte. Draußen, auf dem Rasen, war eine lange Kaffeetafel aufgebaut. Vergnügtes Geplapper von mehreren Menschen drang bis ins Wohnzimmer. Raster holte einmal tief Luft und trat dann hinter Sabine nach auf die Terrasse.
»Alles gut«, flüsterte sie. »Ist doch nur meine bucklige Verwandtschaft.«
Als ob mir das helfen würde, dachte Raster und bereute in diesem Moment, überhaupt mitgekommen zu sein. Wie gerne säße er jetzt zu Hause an seinem PC und tüftelte an kniffligen Fragen zur Entwicklung eines neuen Computerspiels.
Die Gespräche waren mit einem Schlag verstummt, als die Gesellschaft die beiden Neuankömmlinge bemerkte. Nur Hanna, Sabines jüngere Schwester, war aufgesprungen und eilte den beiden entgegen.
Na, wenigstens eine, die ich kenne, dachte Raster erfreut.
»Keine Sorge«, flüsterte Hanna ihm während der Begrüßungsumarmung ins Ohr, »die sind alle nur schrecklich neugierig, wen Sabine da mitgebracht hat. Alles ganz harmlos.«
»Ihr Lieben!«, hob in diesem Moment das Geburtstagskind an. »Sabine kennt ihr ja alle. Und das ist ihr Freund, Hans Schulz, aufgrund dieser unübersehbaren Haarpracht von allen nur Raster genannt. Nehmt ihn herzlich in eurer Mitte auf, denn wer meine Sabine glücklich macht, der gehört wahrlich zu uns.«
Applaus brandete auf, und spätestens in diesem Moment sehnte sich Raster nach irgendeiner Art Zeitmaschine, die ihn von hier wegbrächte.
»Komm, wir setzen uns. Dann erzähl ich dir, wer wer ist. Oma ist manchmal ein wenig pathetisch. Nimm es ihr nicht übel. Und die Leute da sind fast alle richtig nett.«
Nachdem sie die obligatorische Begrüßungsrunde vollzogen hatten, setzten sie sich auf zwei leere Stühle, die Gott sei Dank nebeneinanderstanden, wie Raster immer noch leicht nervös bemerkte. Sofort steuerte eine junge Frau mit weißer Schürze auf sie zu, die er vorher gar nicht wahrgenommen hatte. »Darf ich Ihnen Kaffee einschenken?«, fragte sie, eine Porzellankanne in der Hand haltend.
Beide ließen sich gerne bedienen und genossen schon bald den selbstgemachten Apfelkuchen, der Sabine ein ums andere Mal zum Schwärmen brachte. Nach den ersten Bissen hielt sie inne und legte ihre Gabel auf den Teller. »Also fangen wir mal an. Rechts von dir, die beiden Mädchen, müsstest du ja eigentlich kennen.«
Raster nickte. Klarissa, Hannas Tochter, und Lydia, ein Pflegekind von Hanna, das von seiner Mutter verstoßen wurde und dessen Vater im Gefängnis saß. Woran Raster, Philo und Sabine nicht gerade unbeteiligt waren. Beide standen am Anfang der Pubertät. Lydia hatte das Downsyndrom, machte aber in der Schule gute Fortschritte und war mit Klarissa ein Herz und eine Seele. Sie freuten sich riesig auf die Pferde, und die Urgroßmutter hatte ihnen für den Spätnachmittag einen kleinen Reitausflug versprochen, wie Klarissa Raster stolz berichtete.
»Dahinter kommen Hanna und ihr Freund Klaus. Den kennst du, glaube ich, noch nicht?«
Raster schüttelte den Kopf.
»Ist ein richtig Netter. Kommt super gut mit den Mädchen klar und wohnt wie Hanna auch in Herne. Ich wette, die ziehen bald zusammen. So, weiter im Text: Links von mir sitzen zwei befreundete Paare aus dem Dorf. Ich habe die früher zwar öfter hier gesehen, aber frag mich nicht nach den Namen. Uns gegenüber fangen wir mal ganz rechts an. Da ist zunächst Tante Frieda, Omas älteste Tochter. Sie ist schon lange verwitwet. Links neben ihr sitzt ihre Tochter Barbara, also meine Cousine.«
»Moment mal. Nicht so schnell«, fuhr Raster dazwischen. »Wie viele Kinder hat denn deine Oma?«
»Drei«, antwortete Sabine, »Frieda, mein Vater und Günter Funda. Der sitzt neben Barbara, mit seiner Frau Helga und dem Sohn Gernot. Die Fundas wohnen in Münster und Gernot in der Nähe von Dülmen.«
»Was macht der denn beruflich? Er sieht ein wenig ungepflegt aus, so ein bisschen wie ich früher.«
Sabine lachte. »Das kann schon hinkommen. Er ist arbeitslos und schlägt sich, soweit ich das mitbekommen habe, mit Gelegenheitsjobs durch. Ehrlich gesagt mag ich ihn nicht besonders. Aber wir hatten nie engeren Kontakt. Wenn ich mir das recht überlege, eigentlich keiner von uns. Weder meine vier Geschwister noch Barbara. Aber egal. Die Nächsten sind mein Bruder Ralf – den kennst du von meinem 40. Geburtstag – mit seiner Frau Sarah und dem Sohn Max. Und dann sind da noch mein Bruder Christoph mit Freundin Claudia. Ah, und da kommen die Ehrengäste.«
Oma Lina war aufgestanden und eilte einem Paar entgegen,