Fettnäpfchenführer China. Anja Obst
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Früher, als China in verschiedenen politischen Turbulenzen steckte, waren entsprechende Vornamen aktuell. Kinder, die um 1949, zur Gründungszeit der Volksrepublik China, geboren wurden, hießen oft Jiefang, Befreiung, oder Guoqiang, Landesverteidigung. Zugegeben, keine sehr liebevolle Namen. Während der Kulturrevolution, die 1966 begann, waren dann Namen wie Hong, rot, oder Geming, Revolution, sehr beliebt. Später, mit der wirtschaftlichen Öffnung Chinas Anfang der 1980er-Jahre, nahmen westlich klingende Namen wie Mali in Anlehnung an Mary zu.
Irgendwann kam die Idee auf, den Kindern auch sehr spezielle Namen zu geben, was sich vor allem auf die Schreibweise bezog. Dieser Kreativitätsschub warf allerdings ein unvorhergesehenes Problem auf: Bei der Umstellung der Behörden auf elektronische Datenverarbeitung fehlten ihnen diese ungewöhnlichen Zeichen in ihrem Schreibprogramm. Ihre Computer waren nur mit den gebräuchlichsten Zeichen ausgerüstet, die Ausstellung eines Personalausweises wurde somit zu einem unmöglichen Vorhaben. Bei der Frage nach der Problemlösung zuckten die Beamten meist nur mit den Schultern. Sie empfahlen, den Namen zu ändern. Umsonst war somit die Mühe, einen verheißungsvollen Namen gefunden zu haben.
Darüber, ob sich deswegen das Schicksal des Trägers zum Schlechten gewendet hat, gibt es aber keine Informationen.
2
YÌ KǑU TÓNG SHĒNG
WIE AUS EINEM MUNDE
异口同声
Obwohl es bitterkalt ist, entschließt sich Peter, den Campus und die nähere Umgebung der Universität zu erkunden.
Dick eingemummelt stapft er los und ist schon nach wenigen Metern überrascht, wie viele Chinesen trotz der Kälte draußen ausharren, anscheinend ohne eine bestimmte Aufgabe. Meist sind es Pärchen, die sich einen windstillen und sonnigen Platz gesucht haben und miteinander tuscheln. Zwei kichernde, Arm in Arm eingehakte Chinesinnen kommen ihm entgegen.
ÜBRIGENS
Im Gegensatz zu Peters luxuriösem Zweibettzimmer wohnen die meisten chinesischen Studenten in Mehrbetträumen mit bis zu zehn Bewohnern. An Privatsphäre ist dort natürlich nicht zu denken. Um den Liebsten zu sehen oder auch nur mal in Ruhe mit der Freundin zu quatschen, bleibt den meisten nichts anderes übrig, als sich draußen zu treffen.
»Hello«, sagt die eine schüchtern, was einen erneuten Kicheranfall bei ihnen auslöst.
Höflich grüßt Peter zurück, worauf die beiden stehen bleiben und auf Englisch fragen: »Wo kommst du her?«
»Aus Deutschland«, antwortet Peter.
»Was machst du hier?«
Auch dies beantwortet Peter geduldig und auch ein wenig aufgeregt, sind es doch neben dem Kleinen Li die ersten Kontakte, die er knüpft.
»Wie alt bist du?«
Huch, das ist nun ja schon ein wenig direkt. »Fünfundzwanzig«, verrät Peter dann dennoch nach einem kurzen Zögern.
»Bist du verheiratet?«
Wollen die beiden etwa mit ihm flirten, geht es Peter durch den Kopf. »Äh, nein.« Sein Zögern verlängert sich ein wenig.
»Hast du Geschwister?« Fragend sieht er die beiden an.
»Warum wollt ihr das denn alles wissen?«, fragt er zurück.
Als Antwort kommt nur ein Kichern, und die eine Chinesin beendet die Möglichkeit, sich noch näher zu kommen und zieht schnell ihre Freundin fort.
Kopfschüttelnd geht Peter weiter, verlässt den Campus und findet sich alsbald auf einer großen Straße mit Baustellen wieder. Er kramt seinen Stadtplan hervor, um sich zu orientieren. Dabei wird er von einer Gruppe Wanderarbeiter neugierig beobachtet.
WANDERARBEITER
Mit dem Bauboom in China kam die Flut der Wanderarbeiter in die Städte. Dabei handelt es sich um Bauern aus ärmeren Provinzen, die hoffen, in der Großstadt finanzielles Glück zu finden. Nach der wirtschaftlichen Öffnung Chinas 1980 durch Deng Xiaoping war die Zahl der Migranten von 2 auf fast 300 Millionen gestiegen. Mit einem Monatslohn von durchschnittlich 400 Euro waren sie auf Baustellen und in Fabriken beliebte Arbeitskräfte. Da die meisten von ihnen illegal in den Städten leben und überwiegend ungebildet sind, haben korrupte Arbeitgeber ein leichtes Spiel. Sie nehmen ihnen die Personalausweise ab, verweigern die Ausstellung eines Arbeitsvertrages und zahlen mitunter die Gehälter nicht aus. Durch diese Willkür sind viele in einem Teufelskreis gefangen, in dem sie weder rechtlich gegen die Ungerechtigkeiten vorgehen können, noch sich trauen, einfach zu gehen, da sie immer noch auf den ausstehenden Lohn hoffen. Mittlerweile gibt es Rechtsanwälte, die sich für die Wanderarbeiter einsetzen. Da aber eine legale Eingliederung der Arbeiter sowohl finanzielle als auch soziale Folgen hat, ist die Stadtregierung in Peking mittlerweile dazu übergegangen, sie aus der Hauptstadt zu drängen.
Ein junger Mann bleibt stehen und fragt: »Kann ich Ihnen helfen?«
Erfreut über die Hilfsbereitschaft lehnt Peter dennoch dankend ab, er würde seinen Weg schon finden.
»Wo kommen Sie her?«, fragt der junge Mann. Und nach Peters Antwort folgt sofort die nächste Frage: »Was machen Sie hier in Peking?«
Peter ahnt Böses. Sollte sich das Gespräch von eben nun wortwörtlich wiederholen? Er antwortet tapfer und wartet gespannt auf die nächste Frage. Ein wenig macht ihm das Gespräch auch Spaß, zumal es jetzt auf Chinesisch ist und er seine wenigen Vokabeln ausprobieren kann. Und tatsächlich, sein Alter möchte der junge Chinese wissen, ob er verheiratet sei oder Geschwister habe. Mittlerweile hat sich die Gruppe Wanderarbeiter im Halbkreis um sie herum aufgebaut und einer von ihnen sich bereit erklärt, die Antworten in den Lokaldialekt der Arbeiter zu übersetzen. Ähnlich wie bei der stillen Post, aber mit einem korrekten Resultat, werden die Aussagen nach hinten durchgegeben, sodass auch der Letzte in der Gruppe alles erfährt.
ÜBRIGENS
Wie in Deutschland, wo es zwischen Bayerisch und Platt ja noch viele andere Dialekte gibt, existieren auch in China zahlreiche Mundarten. Und so wie der Friese Schwierigkeiten hat, den Franken zu verstehen, weiß der Shanghaier nicht, was der Kantonese gerade sagt. Außer sie unterhalten sich auf Hochchinesisch, was auch Mandarin oder pǔtōnghuà genannt wird. Es gibt bis zu 15 offizielle Dialekte, die aber in sich noch Unterscheidungen aufweisen. Interessant ist vor allem der kantonesische Dialekt, der statt vier Tönen sechs hat und auch sonst keinerlei Ähnlichkeit mit dem Hochchinesisch aufweist. Wie gut, dass es einheitliche Schriftzeichen in China gibt!
Nachdem Peter auch Auskunft zu seinen Eltern, deren Berufen und Wohnverhältnissen preisgegeben hat, treffen ihn die nächsten Fragen doch etwas unvorbereitet: »Wie viel verdienen Sie? Und wie viel Ihre Eltern? Was kostet die