Fettnäpfchenführer Russland. Veronika Wengert

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Fettnäpfchenführer Russland - Veronika Wengert Fettnäpfchenführer

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ausländische Repräsentanzen und Journalisten haben bestimmte farbige Nummernschilder, mit denen man sie sofort zuordnen kann.

       Was können Sie besser machen?

      Sind Sie selbst Autofahrer? Verzichten Sie in Moskau lieber darauf, wenn Sie nicht schon drei Jahrzehnte vor ihrer Pensionierung vorschnell ergrauen möchten! Sollten Sie einem GAIschnik begegnen, bleiben Sie gelassen. Ideal wäre natürlich, wenn Sie der russischen Sprache mächtig wären – oder jemanden dabei hätten, der sich mit den leider immer noch oft recht willkürlichen »Gesetzesauslegungen« auf russischen Straßen auskennt, die immer zu einem Bußgeld führen – offiziell oder inoffiziell. Und kommen Sie bloß nicht auf die Idee, eine Quittung dafür zu verlangen! Falls Sie den offiziellen Weg einschlagen, könnte ihr Fahrzeug sogar beschlagnahmt werden, bis Sie die Strafe bei einer Bank eingezahlt haben – je nach Gutdünken des GAIschniks.

      Andererseits gibt es glücklicherweise auch viele Beamte, die wsjatki rigoros ablehnen. Wir wollen ja hier nicht den Eindruck erwecken, dass Sie an jeder Straßenkreuzung kräftig in die Tasche greifen müssen und es in Russland von grimmigen Verkehrspolizisten nur so wimmelt, die sich gebieterisch vor Ihrem Fahrzeug auftürmen und nur darauf warten, Sie um ein paar Scheine zu erleichtern. Aber: Sollten Sie in solch eine Situation kommen, dann wundern Sie sich nicht. Am besten »regelt« Ihr Mischa das, falls Sie einen haben!

      Wer trotz täglicher Staus und den Vorzügen der Moskauer Metro dennoch nicht auf sein Auto verzichten kann, sollte einen großen Wagentyp wählen. Darin lässt es sich dank Tablet, Notebook oder Laptop prima arbeiten, sofern man einen Fahrer hat. Und den gibt es meist auf Empfehlung aus der Expat-Community, also von anderen Ausländern vor Ort. Die meisten Ausländer in Führungspositionen beschäftigen einen Fahrer. Dieser übernimmt auch Besorgungen. Ein Problem bei älteren Fahrern sind manchmal die Fremdsprachen. Und selbst wenn ein Fahrer ein wenig Englisch kann, so ist noch lange nicht garantiert, dass er sich in Moskau tatsächlich auskennt. Denn nicht wenige Fahrer stammen aus der Provinz oder aus den südlichen Ex-Sowjetrepubliken. Sie arbeiten in Moskau und versorgen ihre Familien zu Hause mit dem weitaus höheren Einkommen, das sie in der Hauptstadt erzielen.

      Andererseits können Sie den Stau immer als Ausrede benutzen, sollten Sie sich zu einem Termin verspäten. Eine Viertelstunde später zu kommen, ist übrigens in Ordnung, rufen Sie die Wartenden dennoch lieber an, damit das Meeting nicht ohne sie beginnt. Aber: Nie an die Decke gehen, immer schön ruhig bleiben – denn ändern können Sie den Stau ohnehin nicht.

      Sind Sie hingegen Fußgänger, dann sollten Sie alles, aber auch alles, was Sie jemals im Rahmen der Verkehrserziehung oder in der Fahrschule gelernt haben, schnellstmöglich vergessen! Zebrastreifen sind nur ein Straßenschmuck. Eine weitere Bestimmung gibt es dafür nicht, zumindest nicht in Russland! Ampeln? Das könnte eine blinkende Kunstinstallation sein – entsprechend wenig gibt es davon in den Städten. Nutzen Sie daher lieber die Unterführungen, auch wenn Sie einen Umweg in Kauf nehmen müssen. Sollten Sie die Straße dennoch einmal an einer Stelle ohne Verkehrszeichen überqueren wollen, hilft nur eins: Trainieren Sie schon mal im heimischen Fitnessstudio, sputen Sie sich und versuchen Sie am besten, dem Weltrekord der russischen Sprinterin Irina Anatoljewna Priwalowa (Jahrgang 1964) nachzueifern: Sie schaffte 100 Meter in nur 10,77 Sekunden. So dürften Sie die andere Straßenseite hoffentlich heil erreichen!

      5

       HERR MÜLLER LANGT BEIM FRÜHSTÜCK KRÄFTIG ZU

      Herr Müller ist geschockt, mit welcher Brutalität sein Tischnachbar vorgeht. Ein einziger, gezielter Messerhieb – und die Köpfung ist vollstreckt. Allerdings am falschen Ende. Oder essen Russen ihre gekochten Frühstückseier immer andersrum? Fast verschluckt sich Herr Müller, so lenkt ihn der Eierköpfer am Nebentisch ab. Doch damit ist längst noch nicht Schluss! Der grausame Exekutor im Hotelrestaurant setzt noch eins drauf: Er nimmt eine Banane in die Hand und hält diese wie eine Pistole, indem er den Stiel zum Griff macht. Will er ihn damit etwa bedrohen? Nun beginnt er auch noch, die Banane von der falschen Seite zu schälen!

      Das ist ja eine verkehrte Welt hier in Russland, staunt Herr Müller. Er beschließt, sich lieber wieder seinem eigenen Teller zuzuwenden, bevor er Zeuge anderer kulinarischer Hinrichtungen wird: frisch gepresster Orangensaft, leckere blini mit Marmelade und warme syrniki – an solch ein Frühstück könnte sich Paul Müller gewöhnen.

       RUSSISCHE FRÜHSTÜCKSKLASSIKER

      Unglaublich, wie luftig-locker die blini, kreisrunde kleine Pfannkuchen, schmecken! Das kommt vom Buchweizenmehl. Anderswo werden blini auch mit Hirsemehl zubereitet, gelegentlich auch mit Hefe. Ein Klassiker sind natürlich blini mit rotem oder schwarzem Kaviar und einem Klecks smetana, der russischen sauren Sahne.

      Syrniki sind Quarkküchlein mit russischem Hüttenkäse, Eidotter, Honig und Salz, manchmal auch mit Rosinen. Sie sind mit den in Sachsen bekannten Quarkkäulchen vergleichbar. Oft werden syrniki auch in Hotels zum Frühstück serviert.

      Nur seinen geliebten Chai Latte mit Hafermilch, den er in Karlsruhe immer getrunken hat, den vermisst Paul Müller. Aber gut, zur Not geht auch dieser dünne Filterkaffee hier im Hotel, den die Bedienung immer als American Coffee bezeichnet – ob sie ihn vielleicht für einen Amerikaner hält?

      Stopp, Herr Müller! Längst schon haben auch in Moskau Coffeeshops mit unzähligen Arten von Kaffee und Coffee-to-go Einzug gehalten, und es gibt wunderbare, stylishe Cafés, in denen man den ganzen Tag beim Kaffeetrinken und People-Watching verbringen könnte.

      Auf alle Fälle ist der für Herrn Müllers Geschmack zu wässrige Filterkaffee immer noch besser als dieser starke Schwarztee, den seine Arbeitskollegen den ganzen Tag lang trinken, nachdem sie Berge von Zucker oder gar Konfitüre (Herr Müller meint warenje, womit gerne Tee gesüßt wird) darin versenkt haben. Oder noch schlimmer: dickflüssige, karamellisierte Kondensmilch! An deren Dauergebrauch haben sicher nur Zahnärzte ihre helle Freude.

      (Herr Müller hat wohl sguschtschjonka probiert: Dickflüssige, ziemlich süße Kondensmilch, mit der nicht nur Kaffee und Tee gesüßt, sondern in die auch bubliki, Kekskringel, eingetunkt werden. Auf den sguschtschjonka-Trend ist längst ein globaler Nahrungsmittelkonzern aufgesprungen, der die Kondensmilch in Tuben auch in Deutschland verkauft. In Russland sind hingegen Dosen üblich. Auch die russischen Lebensmittelgeschäfte in Westeuropa setzen auf die Nostalgie von Migranten aus Russland und seinen Nachbarländern: Sguschtschjonka gibt es so ziemlich in jedem russischen Supermarkt in Deutschland.

      Überhaupt scheinen die Russen das Versenken eines Lebensmittels in einem anderen zu lieben. Davon zeugt ein Trinkspiel, bei dem ein Schnapsglas Wodka einfach in einem großen Bierkrug versenkt wird. Dazu passt das russische Sprichwort: »Pivo bes wodki, dengi na wjeter!« (»Bier ohne Wodka ist zum Fenster rausgeschmissenes Geld!«)

      Das gilt nicht nur für Getränke, sondern auch für Gerichte: Neulich in einem Hotel in Barnaul – in der westsibirischen Stadt im Altai war Herr Müller schon mehrmals, da dort ein potenzieller Geschäftspartner sitzt – schwamm ein Getreideberg in flüssiger Butter, sodass man kaum entdecken konnte, welche Sorte das eigentlich war. Na ja, und irgendwie sah dieser Brei nicht wirklich lecker aus – zumindest nicht in Herrn Müllers Augen. Als die Bedienung dann noch mit dem wtoroje ankam, was auch immer das sein mochte, dachte Paul Müller, er habe sich komplett in der Uhrzeit verirrt, durch die Zeitverschiebung zwischen Moskau und Sibirien. Es gab Gulasch mit Kartoffelpüree – und das tatsächlich zum Frühstück!

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