Zu den Klippen von Vanikoro. Jean-Francois de Lapérouse
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Читать онлайн книгу Zu den Klippen von Vanikoro - Jean-Francois de Lapérouse страница 10
Die Höhe der Insel beträgt in dieser Gegend ungefähr zwanzig Fuß; die Berge liegen sieben- bis achthundert Klafter landeinwärts; vom Fuß dieser Berge an fällt das Land sanft zum Meer ab. Diese Fläche ist von einer Grasart bedeckt, die, wie ich glaube, ein gutes Rinderfutter abgäbe. Im Gras liegen obenauf große Wackersteine, die mit denjenigen absolut identisch sind, die man auf Île-de-France8 Giraumons oder Flaschenkürbisse nennt, weil sie in Form und Umfang an diese erinnern. Diese Steine hinderten uns zwar am Gehen, sind aber eine Wohltat der Natur; sie erhalten nämlich den Boden immer feucht und kühl und ersetzen auf diese Weise erquickenden Schatten der Bäume, die die Inselbewohner unbedachterweise schon vor undenklichen Zeiten gefällt haben, mit dem Resultat, dass ihr Land von der heißen Sonne ausgedörrt wird und sie ohne Wassergräben, Bäche und Quellen auskommen müssen. Diese unwissenden Leute hatten nicht herausgefunden, dass es auf kleinen, in einem unermesslichen Ozean liegenden Inseln die Vegetation ist, die die Wolken anzieht und in bergigen Gegenden jene starken Regenfälle hervorruft, die dann in der Form von Quellen und Bächen ein ganzes Eiland bewässern. Darum herrscht auf Inseln ohne hohe, schattenspendende Bäume eine fürchterliche Dürre. Herr de Langle war ganz meiner Meinung, dass dieses Volk seine jetzige traurige Lage bloß der Unwissenheit seiner Vorfahren zuzumessen hat. Auch ist es sehr wahrscheinlich, dass es anderen Südseeinseln nur darum nicht an Wasser gebricht, weil sie glücklicherweise sehr hohe und unzugängliche Gebirge besitzen, in denen es schlechterdings nicht möglich war, alle Bäume abzuholzen. Während meines langen Aufenthalts auf Île-de-France, einer Insel, die mit der Osterinsel eine auffällige Ähnlichkeit aufweist, konnte ich beobachten, dass Bäume, die nicht durch andere Bäume oder durch steinerne Mauern gegen die Seewinde geschützt sind, nicht wachsen können; diese Erfahrung gilt auch für die Osterinsel und erklärt deren Verwüstung. Die Bewohner der Insel sollten sich, statt über ihre längst erloschenen Vulkane, über ihren unklugen Umgang mit der Natur beklagen. Da sich der Mensch aber besser als jedes andere Lebewesen den einmal gegebenen Umständen anpasst, kamen mir diese Insulaner bei Weitem nicht so unglücklich vor, wie Kapitän Cook und der Deutsche Förster sie geschildert haben. Diese kamen freilich nach einer langen, mühseligen Reise hier an, litten Mangel an allem und waren skorbutkrank; sie konnten weder Wasser noch Holz oder Schweine bekommen, einige wenige Hühner, Bananen und Süßkartoffeln halfen ihnen auch nicht viel weiter. So spiegeln ihre Reiseberichte im Grunde nur ihre schlimme Lage. Die unsrige war weitaus günstiger. Die Mannschaft beider Schiffe war kerngesund, wir hatten uns in Chile auf mehrere Monate mit allen nur erdenklichen Vorräten versehen und begehrten von den Bewohnern der Osterinsel weiter nichts als die Erlaubnis, ihnen Wohltaten erweisen zu dürfen. Wir überbrachten diesem Völkchen Schafe, Ziegen und Schweine sowie die Samen von Orangen- und Zitronenbäumen, Baumwolle, Mais und anderen Pflanzenarten, die im dortigen Klima gedeihen konnten.
Karte und Ansichten der Osterinsel – aufgenommen im April 1786 an Bord der französischen Fregatten La Boussole und L’Astrolabe
Nachdem wir uns ausgeschifft hatten, stellten sich die mich begleitenden bewaffneten Soldaten auf mein Geheiß in einem weiten Kreis auf. Wir gaben den Inselbewohnern zu verstehen, dass sie die Kreisfläche nicht betreten dürften. Hier schlugen wir ein Zelt auf. Als dies geschehen war, ließ ich die für sie bestimmten Geschenke an Land schaffen. Da ich ausdrücklich befohlen hatte, dass keiner von unseren Leuten Schüsse abgeben, ja selbst die zudringlichsten Indianer nicht mit dem Flintenkolben zurückstoßen solle, kamen wir rasch in arge Verlegenheit. Das Gedränge wuchs, es kam zu Rangeleien, denn die Begierde der Insulaner ließ sich kaum mehr eindämmen. Zuletzt umringten uns mindestens achthundert Personen, darunter bestimmt hundertfünfzig Weiber. Viele von ihnen waren hübsch und äußerst entgegenkommend, sie boten ihre Gunst jedem an, der ihnen etwas dafür geben wollte. Die Indianer bedeuteten uns, dass wir uns dieser Frauen und Mädchen bedienen sollten. Einige von ihnen boten uns sogar eine Demonstration der Vergnügen, die uns erwarteten; von den Gaffern, die uns bedrängten, waren diese Paare nur durch eine einfache Decke aus einheimischem Stoff getrennt. Während uns die Weiber mit ihren Liebkosungen heimsuchten, wurden uns die Hüte von den Köpfen und die Schnupftücher aus den Taschen gestohlen. Dass diese Diebstähle verabredet und alle Komplizen waren, konnte man daraus ersehen, dass alle nach vollbrachter Tat im selben Augenblick die Flucht ergriffen und wie ein Vogelschwarm aufflogen. Als sie sahen, dass wir von unseren Gewehren keinen Gebrauch machten, kamen sie nach einigen Minuten wieder zurück. Die Weiber fingen erneut an, mit uns zu schmusen, die Männer passten einen günstigen Augenblick ab, um wieder etwas zu stibitzen. Dieses Spiel wiederholte sich den ganzen Vormittag über.
Da wir uns vorgenommen hatten, in der Nacht wieder abzureisen und folglich die Zeit viel zu kurz war, als dass wir uns hätten darauf einlassen können, den Insulanern ihre Unarten abzugewöhnen, hielten wir es für das Beste, uns an ihren Diebereien zu belustigen. Um aber jedem Akt der Gewalttätigkeit vorzubeugen, der schlimme Folgen hätte haben können, ließ ich den Soldaten und Matrosen mitteilen, dass ich ihnen die gestohlenen Hüte und Mützen ersetzen würde. Fast alle Indianer waren unbewaffnet; drei oder vier von ihnen trugen eine Art Streitkolben, die aber einen nicht eben sehr gefährlichen Eindruck machten. Einige Inselbewohner schienen über die anderen eine gewisse, wiewohl wenig ins Gewicht fallende, Autorität auszuüben. Ich hielt sie für die Häuptlinge und verteilte unter sie Medaillen, die ich ihnen mit einer Kette um den Hals hängte. Bald allerdings merkte ich, dass just sie die abgefeimtesten Spitzbuben waren. Sie stellten sich zwar, als ob sie denen, die uns die Schnupftücher entwendet hatten, nachjagen wollten, doch konnte man ihnen leicht ansehen, dass sie dies mit dem festen Vorsatz taten, die Übeltäter nicht einzuholen.
Da wir nur acht bis zehn Stunden auf der Insel bleiben konnten, mussten wir jeden Augenblick zu nutzen suchen, ich vertraute daher meinem Ersten Schiffsleutnant, Herrn d’Escures, die Bewachung unseres Zeltes und aller mitgeführten Gegenstände an und übertrug ihm zugleich das Kommando über die gelandeten Matrosen und Schiffssoldaten. Als dies geschehen war, teilten wir uns in zwei Haufen. Der eine, unter dem Befehl des Kapitäns de Langle, erhielt den Auftrag, so weit wie möglich in das Innere der Insel vorzustoßen und an jedem dazu geeigneten Ort einige Samenkörner zu pflanzen; auch sollte er den Boden, die Pflanzen, die Gärten der Wilden, sie selbst sowie die berühmten Denkmäler der Osterinsel untersuchen. Zu diesem Haufen gesellten sich alle diejenigen, die sich zutrauten, eine große Strecke zu gehen. Er bestand unter anderem aus Herrn Dagelet, Herrn de Lamanon, Herrn Duché de Vancy, Herrn de La Martinière, Pater Receveur, Abbé Mongès und dem Gärtner. Der zweite Haufen, an den ich mich hielt, begnügte sich damit, die Denkmäler, ihre Sockel, die Häuser und die Pflanzungen in einer Gehstunde Entfernung von unserem Zelt in Augenschein zu nehmen. Die Ansichten der Denkmäler9, die Herr Hodges für Cooks Reisen gezeichnet hat, geben den Gesamteindruck nur unvollkommen wieder. Herr Förster vermutet, sie seien von einem Volk verfertigt worden, das ehedem viel zahlreicher war als heute; ich kann nicht einsehen, worauf sich diese Meinung gründet. Die größte dieser plump gearbeiteten Statuen, die wir auf den steinernen Plattformen aufgestellt sahen, war nur vierzehn Fuß und sechs Zoll hoch. Quer über die Schulter betrug ihre Breite sieben Fuß und