Jüdische Altertümer. Flavius Josephus
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27. Als Phineës so geredet hatte, fingen die Vorsteher der Versammlung und das ganze Volk an, die gegen sie erhobenen Beschuldigungen zurückzuweisen. Sie hätten den Altar weder errichtet, um von ihren Verwandten sich zu trennen, noch um Neuerungen einzuführen. Sie erkennten vielmehr nur einen einzigen Gott an, den alle Hebräer gemeinsam verehrten, und wüssten, dass man nur auf einem Altare Gott opfern dürfe, nämlich dem ehernen Altare vor der heiligen Hütte. »Den Altar aber«, sagten sie, »den wir jetzt erbaut haben, und der einen solchen Verdacht bei euch wachgerufen hat, haben wir nicht zum Zwecke der Gottesverehrung errichtet, sondern damit er ein ewiges Wahrzeichen unser beiderseitigen Verwandtschaft sei. Er sollte, statt uns, wie ihr argwöhntet, zur Übertretung der Gebote zu verführen, uns vielmehr den rechten Anlass geben, stets im wahren Glauben und in den Gebräuchen unserer Väter zu verharren. Gott selbst sei unser Zeuge, dass wir nur in dieser Absicht den Altar errichtet haben. Denket also künftig besser von uns und legt uns kein Vergehen bei, wegen dessen alle Nachkommen Abrams, die von den überkommenen Einrichtungen abwichen und Neuerungen einführten, die Todesstrafe verdient haben.«
28. Wegen dieser vernünftigen Sprache lobte sie Phineës sehr. Darauf kehrte er zu Jesus zurück und erzählte dem Volke, was sich zugetragen. Diese freuten sich, dass sie nicht in den Krieg zu ziehen und das Blut ihrer Verwandten zu vergießen brauchten, und brachten Gott Dankopfer dar. Jesus entließ sodann das Volk und begab sich nach Sikim. Zwanzig Jahre später, als er in hohem Greisenalter stand, berief er aus den einzelneu Städten die Angesehensten, die Behörden und die Ältesten nebst allen aus dem Volke, die er bequem zusammenbringen konnte, zu sich. Und als sie versammelt waren, rief er ihnen die Wohltaten Gottes ins Gedächtnis, deren sie gar viele erfahren hätten, da sie aus Niedrigkeit zu solchem Ruhm und solcher Macht gelangt seien. Dann ermahnte er sie, dem Willen Gottes, der ihnen stets gnädig gewesen, zu folgen, denn nur durch Frömmigkeit würden sie sich Gottes Wohlwollen auch für die Zukunft bewahren. Er sei im Begriff, aus dem Leben zu scheiden, und es stehe ihm deshalb zu, ihnen solche Ermahnungen zu erteilen. Dass sie dieser Ermahnungen stets eingedenk bleiben möchten, darum bitte er sie noch ganz besonders.
29. Nachdem er so zu den Anwesenden gesprochen hatte, starb er im Alter von einhundertzehn Jahren. Hiervon hatte er vierzig Jahre mit Moyses zusammengelebt, von dem er viel Nützliches gelernt, und nach dessen Tod er fünfundzwanzig Jahre lang den Oberbefehl innegehabt hatte. Er war ein Mann, dem es weder an Einsicht noch an der nötigen Beredsamkeit fehlte, um seine Gedanken dem Volke klar zu machen; vielmehr besaß er beides in hohem Maße. In gefahrvollen Unternehmungen tapfer und starkmütig, war er im Frieden ein geschickter Ratgeber und von allzeit erprobter Tüchtigkeit. Begraben wurde er in der Stadt Thamna im Stamme Ephraïm. Um dieselbe Zeit starb auch der Hohepriester Eleazar und hinterließ die Würde seinem Sohne Phineës. Sein Grabdenkmal steht in der Stadt Gabatha.
ZWEITES KAPITEL
Wie nach dem Tode des Feldherrn die Israeliten die väterlichen Gesetze
übertraten und deshalb in großes Unglück gerieten und wie nach einer
Empörung der ganze Stamm Benjamin bis auf sechshundert Mann
zugrunde ging.
1. Nach dem Tode dieser beiden Männer weissagte Phineës nach dem Willen Gottes, bei der Vernichtung des Chananäervolkes solle der Stamm Judas den Oberbefehl erhalten. Denn es lag dem Volke daran, zu erfahren, was Gott für das Beste hielt. Und dieser Stamm nahm noch zu sich den Stamm Simeon unter der Bedingung, dass, nachdem er die tributpflichtigen Feinde aus dem Gebiete des Stammes Judas habe vertilgen helfen, dieser auch dem Stamme Simeon dabei helfen solle.
2. Die Chananäer aber, deren Macht sich damals wieder gehoben hatte, erwarteten mit einem großen Heere die Israeliten bei der Stadt Bezek. Den Oberbefehl führte Adonibezek, König der Bezeker (dieser Name heißt »Herr der Bezeker«, denn Adoni heißt in der hebräischen Sprache »Herr«), und sie hofften die Israeliten umso eher besiegen zu können, weil Jesus gestorben war. Mit ihnen trafen nun die beiden genannten Stämme zusammen und kämpften tapfer, töteten mehr als zehntausend Mann von ihnen, schlugen die anderen in die Flucht, verfolgten sie und nahmen den König Adonibezek gefangen. Als der Letztere von ihnen verstümmelt worden war, sprach er: »Gott lässt nichts unbestraft, denn ich muss jetzt dasselbe erleiden, was ich früher zweiundsiebzig Königen anzutun mich nicht gescheut habe.« Man brachte ihn zwar noch lebend nach Jerusalem, doch erlag er bald seinen Leiden und wurde dort begraben. Darauf durchzogen sie das Land, um die Städte zu erobern. Und nachdem sie viele derselben eingenommen hatten, griffen sie auch Jerusalem an, besetzten den unteren Teil der Stadt und töteten alle, die hier wohnten. Die Eroberung des oberen Teiles dagegen mussten sie seiner starken Mauern und seiner natürlichen Festigkeit wegen aufgeben.
3. Danach brachen sie wieder auf und zogen nach Chebron, nahmen es ein und töteten alle Bewohner. Hier hatte sich noch ein Riesengeschlecht erhalten, das durch Körpergröße und Gestalt von anderen Menschen sich unterschied, von erstaunlichem Aussehen war und eine erschreckliche Stimme besaß. Ihre Gebeine werden noch heute gezeigt und sind so groß, dass es schwer fällt, sie für menschliche Gebeine zu halten. Diese Stadt schenkte man nebst zweitausend Ellen Ackerland als Zeichen besonderen Vorzuges den Leviten, das übrige Land aber erhielt nach dem Befehle des Moyses Chaleb, einer der Kundschafter, die er nach Chananaea geschickt hatte. Auch den Nachkommen des Madianiters Jothor, des Schwiegervaters des Moyses, räumte man ein Land als Wohnsitz ein. Denn sie hatten ihr Vaterland verlassen und waren den Israeliten durch die Wüste gefolgt.
4. Die Stämme Judas und Simeon hatten alle Städte im Gebirgslande Chananaeas genommen, in der Ebene aber und an der Meeresküste nur Askalon und Azot. Gaza dagegen und Akkaron entgingen ihnen, denn da deren Bewohner Wagen in Menge hatten und in der Ebene wohnten, griffen sie die Belagerer an und brachten ihnen empfindliche Verluste bei. Darauf legten diese Stämme, nachdem sie sich durch Beute sehr bereichert hatten, die Waffen nieder.
5. Die Benjamiter begnügten sich damit, den Einwohnern von Jerusalem, das in ihrem Lose lag, Abgaben aufzulegen, und so erfreuten sie sich beide der Ruhe. Die einen wurden von den Kriegsbeschwerden, die anderen aus ihren Gefahren befreit, und beide verlegten sich nun auf den Ackerbau. Dem Beispiele der Benjamiter folgten die übrigen Stämme, begnügten sich mit Tributleistung und ließen die Chananäer in Frieden.
6. Der Stamm Ephraïm hatte ein Heer gegen Bethel geschickt, richtete aber trotz langwieriger und mühevoller Belagerung nichts aus. Obgleich sie nun über die Verzögerung sich sehr ärgerten, ließen sie doch von der Belagerung nicht ab. Endlich ergriffen sie einen Bürger, der der Stadt Proviant zuführte; diesem versprachen sie, sie wollten ihn nebst den Seinigen nach Einnahme der Stadt verschonen, wenn er ihnen dieselbe verriete. Hierauf ging der Mann ein und schwor ihnen eidlich, er werde ihnen Bethel überliefern. So wurde die Stadt verraten und eingenommen, und alle ihre Bewohner wurden getötet, der Verräter dagegen mit den Seinen am Leben gelassen.
7. Hierauf standen die Israeliten vom Kriege ab oder befassten sich wenigstens nicht viel mit ihm; dagegen verlegten sie sich eifrig auf Ackerbau und Viehwirtschaft. Und da sie hieraus reichen Gewinn zogen, lebten sie in Schwelgerei und Wollust, verachteten Zucht und Ehrbarkeit und übertraten Gesetze wie Verfassungsbestimmungen. Hierüber erzürnte Gott und tadelte sie zuerst in einem Orakelspruch, dass sie gegen seinen Willen die Chananäer verschont hätten; denn diese würden ihnen zu gelegener Zeit ihre Milde nur mit Grausamkeit vergelten. Diese Ermahnung Gottes aber nahmen die Israeliten nicht nur mit Widerwillen auf, sondern waren auch dem Kriege gänzlich abgeneigt, einmal weil sie von den Chananäern viele Vorteile hatten, dann aber auch, weil sie infolge ihres weichlichen Lebens zur Kriegführung zu träge geworden waren. Auch die Vornehmen fingen an, verderbt zu werden, und es wurden weder Älteste erwählt noch andere obrigkeitliche Personen, wie das Gesetz es vorschrieb. Man beschäftigte sich lediglich mit Ackerbau und jagte nur noch nach Gewinn. Bei dieser Ungebundenheit und Leichtfertigkeit