Jüdische Altertümer. Flavius Josephus
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Читать онлайн книгу Jüdische Altertümer - Flavius Josephus страница 58
8. Ein Mann aus dem Stande der Leviten, der im Stamme Ephraïm wohnte, hatte ein Weib aus Bethlehem, das zum Stamme Judas gehörte, geheiratet. Da dieser seine Gattin um ihrer Schönheit willen heftig liebte, sie ihm aber nicht die gleiche Zuneigung entgegenbrachte, vielmehr sich ihm von Tag zu Tag desto mehr entfremdete, je größer seine Liebe zu ihr wurde, kam es schließlich zu täglichen Streitigkeiten zwischen ihnen, infolge deren das Weib im vierten Monat von ihrem Manne sich trennte und zu ihren Eltern zurückkehrte. Das ertrug der Mann in seiner großen Liebe nicht und folgte ihr zu seinen Schwiegereltern nach, die die Streitigkeiten schlichteten und eine Versöhnung zwischen den Ehegatten zustande brachten. Vier Tage hatte der Mann sich dort aufgehalten und freundlichste Aufnahme bei seinen Schwiegereltern gefunden. Am fünften Tage aber wollte er nach Hause zurückkehren und begab sich gegen Mittag weg; die Eltern jedoch ließen die Tochter ungern ziehen und hielten sie daher bis gegen Abend hin. Auf der Reise begleitete sie ein einziger Diener, und das Weib ritt auf einem Esel. Als sie nun dreißig Stadien zurückgelegt hatten und in die Nähe Jerusalems gekommen waren, riet der Diener zur Einkehr, damit sie nicht in der Nacht gefahrvollen Zufällen ausgesetzt seien, zumal da sich Feinde in der Nähe aufhielten, und die Nacht selbst eine friedliche Gegend unsicher und verdächtig mache. Dem Levit aber missfiel dieser Vorschlag, weil er in fremdem Lande nicht gern einkehrte (in Jerusalem wohnten Chananäer). Er hielt es vielmehr für besser, noch zwanzig Stadien weiter zu reisen, da sie dann zu einer israelitischen Stadt kommen würden. Und da diese Meinung Beifall fand, zogen sie weiter und gelangten nach Gaba im Stamme Benjamin, als die Sonne bereits untergegangen war. Zu dieser späten Stunde befand sich aber niemand mehr auf dem Markte, der ihnen ein Nachtlager angeboten hätte. Zuletzt begegnete ihnen jedoch ein alter Mann vom Stamme Ephraïm, aber wohnhaft zu Gaba, der eben vom Felde heimkehrte. Dieser fragte ihn, wer er sei, woher er komme und weshalb er noch so spät ein Nachtmahl suche. Und da der Levit ihm entgegnete, er führe sein Weib wieder nach Hause, die ihre Eltern besucht habe, und er wohne im Stamme Ephraïm, bat sie der Greis, weil auch er in demselben Stamme gewohnt habe und ihnen so zufällig als Verwandter begegnet sei, sie möchten bei ihm einkehren. Einige Gabaënerjünglinge aber, die das Weib auf dem Markte gesehen und seine Schönheit bewundert hatten, hatten kaum bemerkt, dass sie bei dem Greise eingekehrt sei, als sie ohne Scheu vor das Haus zogen. Der Greis bat sie, sie möchten doch weggehen und keine Gewalttat verüben; doch sie verlangten, er solle ihnen nur das fremde Weib ausliefern, dann hätten sie mit ihm nichts mehr zu schaffen. Und da er ihnen vorstellte, sie sei seine Verwandte und eine Levitin, und sie möchten doch keine solche Schandtat begehen und aus Wollust die Gesetze verletzen, schlugen sie Recht und Gerechtigkeit in den Wind und verhöhnten ihn noch dazu; ja sie drohten ihm mit dem Tode, wenn er ihrer Lust noch weiter Hindernisse bereite. Nun geriet der Greis in große Not, und da er seinen Gästen eine solche Schmach nicht antun lassen wollte, bot er ihnen an, ihnen seine eigene Tochter preiszugeben; denn ihre Sünde würde geringer sein, wenn sie an dieser ihre Lust ausließen, als wenn sie das Gastrecht also verletzten. So glaubte er seinerseits alles getan zu haben, um von seinen Gästen die Beleidigung abzuwehren. Als sie aber von ihrem Verlangen nicht abließen, vielmehr noch heftiger und ungestümer die Auslieferung begehrten, bat er sie kniefällig, doch von ihrem ungerechten Vorhaben abzustehen. Sie aber, wahnsinnig vor Wollust, wandten Gewalt an und schleppten das Weib mit sich nach Hause, schändeten sie und trieben die ganze Nacht ihre Kurzweil mit ihr, und erst gegen Morgen ließen sie sie weg. Das Weib kehrte, schwer betrübt über die ihr widerfahrene Unbill, wieder nach der Herberge zurück; aber vor Schmerz und Scham wagte sie nicht, ihrem Manne unter die Augen zu treten, denn sie wusste, wie schwer er unter dem Geschehenen leiden würde. Plötzlich fiel sie zur Erde und gab ihren Geist auf. Ihr Gatte aber dachte, sie sei nur in tiefen Schlaf gefallen, und wollte sie, da er nichts Schlimmes argwöhnte, aufwecken und sie trösten, weil er wusste, dass sie sich den schändlichen Menschen nicht freiwillig hingegeben habe, vielmehr von ihnen mit Gewalt entführt worden sei. Als er aber merkte, dass sie tot sei, fasste er sich, soweit ihm dies die Entsetzlichkeit des Unglückes gestattete, lud sein totes Weib auf den Esel und nahm es mit sich nach Hause. Dort zerschnitt er sie in zwölf Stücke und schickte jedem Stamme eins davon zu, wobei er zugleich die Ursache ihres Todes und die unerhörte Gewalttat, die man an ihr verübt, mitteilen ließ.
9. Diese aber wurden durch den grässlichen Anblick der Körperteile und durch die Nachricht von der Schandtat gewaltig erschüttert, da sie dergleichen nie gehört hatten, und von gerechtem Zorn getrieben, kamen sie bei Silo vor der Hütte zusammen, wo sie sogleich zu den Waffen zu greifen und die Gabaoniter mit Krieg zu überziehen beschlossen. Dem widersetzten sich jedoch die Ältesten und erklärten es für unzulässig, so ohne weiteres die Stammesgenossen zu bekriegen, bevor man den Streit mit Worten zu schlichten versucht habe. Das Gesetz gestatte ja noch nicht einmal, gegen Fremde wegen begangenen Unrechtes in den Krieg zu ziehen, bevor man eine Gesandtschaft zu ihnen geschickt und versucht habe, sie auf andere Weise zur Besinnung zu bringen. Es sei daher billig, dass man nach Vorschrift des Gesetzes Gesandte an die Gabaëner schicke, die die Bestrafung der Frevler zu verlangen hätten. Wenn man ihnen dann die Täter ausliefere, so solle man mit deren Bestrafung zufrieden sein; stießen sie aber auf Widerstand, so müsse man sie bekriegen. Demgemäß schickte man Gesandte zu den Gabaënern, ließ die Jünglinge wegen der an dem Weibe begangenen Freveltat anklagen und die Forderung stellen, dass sie für ihre scheußliche Tat mit dem Tode bestraft werden müssten. Die Gabaëner aber wollten die Jünglinge nicht ausliefern und glaubten, es sei schmachvoll für sie, aus Furcht vor Krieg fremdem Befehl zu gehorchen, da sie keinem Volke weder an Rüstung noch an Truppenzahl noch an Tapferkeit nachständen. Und wirklich rüsteten sie sich mit anderen Stammesgenossen eifrig zum Kriege, denn diese trugen denselben Übermut zur Schau und gedachten ihre Angreifer empfindlich zu schlagen.
10. Sobald den Israeliten gemeldet wurde, was die Gabaëner beabsichtigten, schworen sie, sie würden keinem Benjamiter eine ihrer Töchter zur Ehe geben und sie mit Krieg überziehen; denn sie zürnten ihnen noch heftiger als unsere Vorfahren den Chananäern. Und sogleich zogen sie mit einem Heere von vierhunderttausend Bewaffneten gegen Gaba. Die Benjamiter dagegen zählten fünfundzwanzigtausendsechshundert Mann, darunter fünfhundert Mann, die mit der linken Hand ausgezeichnet schleudern konnten. Bei Gaba kam es zum Treffen, in welchem die Benjamiter die Israeliten in die Flucht schlugen, und zweiundzwanzigtausend Mann von den Letzteren fielen; es wären ihrer vielleicht noch mehr umgekommen, wenn die Nacht nicht dem Kampfe ein Ende gemacht hätte. Darauf zogen die Benjamiter frohlockend in ihre Stadt ein, die Israeliten dagegen waren ihrer Niederlage wegen mutlos und bezogen wieder ihr Lager. Am folgenden Tage wurde wieder gestritten, und die Benjamiter siegten abermals: Von den Israeliten fielen achtzehntausend Mann, die Übrigen aber flohen in feiger Furcht zum Lager. Als sie dann nach der nahe gelegenen Stadt Bethel gekommen waren, fasteten sie am folgenden Tage und ließen durch den Hohepriester Phineës Gott bitten, er möge ihnen nicht weiter zürnen, sich an der zweimaligen Niederlage genügen lassen und ihnen Stärke und Sieg über ihre Feinde verleihen. Gott verhieß ihnen denn auch das Erbetene durch den Phineës.
11. Hierauf teilten sie ihr Heer in zwei Teile, von denen der eine in der Nacht sich in einen Hinterhalt bei der Stadt legte, der andere dagegen mit den Benjamitern anband. Als nun die Benjamiter auf sie eindrangen, zogen sie sich zurück, während die Benjamiter sie verfolgten. Immer weiter wichen die Hebräer und lockten so allmählich alle aus der Stadt heraus, sodass die Jünglinge sowohl wie die wegen ihrer Kampfunfähigkeit in der Stadt zurückgelassenen Greise zusammen hervorstürmten, um den Feind zu erdrücken. Als sie sich nun weit genug von der Stadt entfernt hatten, machten die Hebräer halt, wandten sich und rückten in Schlachtordnung, und zugleich gaben sie den im Hinterhalt Aufgestellten das verabredete Zeichen, worauf diese sofort hervorbrachen und den Feind mit großem Geschrei angriffen. Sobald die Benjamiter merkten, dass sie überlistet seien, waren sie ratlos vor Verwirrung, sodass sie sich in ein tiefes Tal drängen ließen. Hier wurden sie mit Wurfgeschossen überschüttet und kamen alle bis auf sechshundert Mann um, die dicht geschlossen mitten durch den Feind durchbrachen und sich auf den benachbarten Bergen festsetzten, wo sie eine Zeit lang blieben. Alle Übrigen dagegen, gegen fünfundzwanzigtausend Mann, fielen durchs Schwert. Hierauf steckten die Israeliten Gaba in Brand und brachten sogar die Weiber und Knaben um; ebenso verfuhren sie mit den anderen Städten der Benjamiter. Und sie waren dergestalt ergrimmt, dass sie zwölftausend auserlesene