Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme. Galileio Galilei
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In dem gleichen Jahre 1587 betrat Galilei zum ersten Male den Boden Roms, der späterhin der Schauplatz so denkwürdiger Erlebnisse für ihn werden sollte. Er suchte bei dieser Gelegenheit die Bekanntschaft mit dem JesuitenC l a v i u s5,damals dem angesehensten Astronomen und Mathematiker in Italien. Er stand mit ihm bis zu dessen 1612 erfolgtem Tode in freundlichen Beziehungen, sie erlitten freilich während Galileis paduanischer Professur eine Unterbrechung, da dieser in Diensten der venezianischen Republik sich gegenüber den Jesuiten, die im Jahre 1606 aus allen Territorien der Republik vertrieben wurden, große Zurückhaltung auferlegen musste. Der Kommentar des Clavius zur »Sphaera« des Sacrobosco galt damals – vom Standpunkte der Antikopernikaner mit Recht – als das beste Lehrbuch der Elemente der Astronomie und erlebte zahlreiche Auflagen.6 Selbstverständlich kannte und benutzte es Galilei, wovon auch im Dialoge deutliche Spuren bemerkbar sind. – Als Galilei sich mit Clavius in Rom in Verbindung setzte, war wohl sein Hauptzweck durch Empfehlung seitens des einflussreichen Mannes eine Professur an einer der italienischen Universitäten zu erhalten. Wenigstens sehen wir ihn vorher und nachher bemüht, eine solche Stellung zu erlangen, die ihm bei seinen kärglichen Mitteln schon aus materiellen Gründen höchst wünschenswert erscheinen musste. Durch Vermittlung des zu jener Zeit sehr angesehenen Mathematikers MarcheseG u i d o b a l d od e lM o n t e ,der ihn dem Großherzog von Toskana, Ferdinand I., warm empfahl, wurde denn in der Tat Galilei im Jahre 1589 für drei Jahre zum Lektor der Mathematik in Pisa ernannt. Angenehm war diese Stellung freilich nicht; abgesehen von dem kärglichen Gehalte, das er bezog, stand er mit seinen Kollegen, zu denen der fanatische Gegner aller Neuerungen,G i u l i oL i b r i ,gehörte, auf dem denkbar schlechtesten Fuße; nur zuJ a c o p oM a z z o n i ,unter dessen Leitung er philosophische Studien trieb, stand er in freundschaftlichen Beziehungen. Die Lossagung von der aristotelischen Naturphilosophie, die Anerkennung, welche G. den bedeutsamen IdeeB e n e d e t t i s7zollte, das waren Dinge, welche die herrschende Schule aus sachlichen und persönlichen Gründen nicht verzeihen konnte.
Aus der Zeit der Pisaner Professur stammen verschiedene Abhandlungen über mechanische Fragen, in denen der jugendliche Forscher noch mühsam mit dem Stoffe ringt. Die bekannteste ist eine in dialogischer Form abgefasste Schrift, die Sermones de motu gravium. Dieselbe ist zum ersten Male in der Albèrischen Ausgabe der Werke (XI, 9–55) im Jahre 1854 veröffentlicht worden; es sind ihr fünf weitere kleine Abhandlungen beigefügt, die von dem Herausgeber offenbar irrig8 in eben jene Zeit verlegt werden, während sie teilweise augenscheinlich auf einem weit vorgeschritteneren Standpunkt stehen. In der neuerdings erscheinenden Ausgabe der galileischen Werke, die von Favaro besorgt wird, sind noch andere interessante, der pisanischen Zeit angehörige Aufsätze über Bewegungsfragen enthalten. (I, 243–366.) Die Sermones dürfen jedoch als das Reifste aus jener Periode angesehen werden, wir beschränken uns daher auf deren Besprechung. Zunächst erkennen wir aus der unbedingten Verehrung, mit der G. im Gegensatz zu späteren Äußerungen in dieser Schrift von Ptolemäus spricht9, und aus der Bemerkung, der Erde sei die Ruhe »angenehmer« als die Bewegung10, dass er damals wirklich noch Anhänger des ptolemäischen Weltsystems war. Weiterhin aber finden wir, dass er in der Bewegungslehre die Anschauungen Benedettis, der freilich in keiner galileischen Schrift namentlich erwähnt wird11, im Wesentlichen sich aneignet und in eigentümlicher Weise weiterbildet. In erster Linie bekämpft er in ganz ähnlicher Weise wie im Dialog über die Weltsysteme12 die sonderbare aristotelische Anschauung, dass bei »gewaltsamen« Bewegungen (wie z. B. bei horizontalem und vertikalem Wurfe) die Ursache des Andauerns der Bewegung in der Bewegung des Mediums zu suchen sei; G. führt dasselbe vielmehr wie Benedetti auf eine virtus impressa, auf eine dem Körper von der ursprünglichen Bewegungsursache (etwa dem schleudernden Arme) eingeprägte Kraft zurück, mit anderen Worten auf das Beharrungsvermögen. Er hat über diese virtus impressa freilich noch sehr unrichtige Anschauungen, nimmt namentlich an, dass dieselbe mit der Zeit abnehme und schließlich erlösche; hingegen gibt er sich keiner Täuschung darüber hin, dass dieses Wort das Wesen der Sache nicht enthülle, wie gleichfalls im Dialog über die Weltsysteme ausgeführt wird.13 Zu einem völlig konsequenten Standpunkte bezüglich des Beharrens der Bewegung ist er, wie sich später zeigen wird, zeitlebens nicht gelangt, sodass es nur sehr bedingt richtig ist, Galilei die Entdeckung des Beharrungsgesetzes zuzuschreiben. – Auch die Unterscheidung zwischen gewaltsamer und natürlicher Bewegung, die eines der schwersten Hindernisse für den Fortschritt der Mechanik bildete, wird in den Sermones beibehalten, und auch diese Fessel hat Galilei nie ganz abgestreift. Mit Lebhaftigkeit bekämpft er hingegen unter Bezugnahme auf seine Studien zu Archimedes die Existenz absolut leichter Körper, während er wiederum die aristotelische Lehre von den übereinander geschichteten vier Elementarsphären und von deren Umschließung durch die Mondsphäre anerkennt. Weiterhin folgt die Untersuchung, ob bei Übergang einer Bewegung in die entgegengesetzte ein Ruhezustand eintreten müsse; er verneint diese Frage im Gegensatze zu Aristoteles. Auch im Dialoge über die Weltsysteme wird die Sache gestreift, ohne aber ausführlichere Behandlung zu finden.14 Sodann kommt G. auf die falsche, ja törichte aristotelische Behauptung zu sprechen, dass die Fallgeschwindigkeit proportional dem Gewichte und umgekehrt proportional der Dichtigkeit des Mediums sei. Neben vielen zutreffenden und scharfsinnigen Bemerkungen über diesen Gegenstand tritt doch noch eine völlig unzureichende Anschauung über den Verlauf der Fallbewegung und die dabei wirksamen Ursachen hervor. G. meint, die Verzögerung beim Emporsteigen eines in die Höhe geworfenen Körpers rühre von der Abnahme der virtus impressa her; im Augenblicke, wo diese sich bis zum Betrage der Schwere vermindert habe, finde der Umschlag der Bewegung in die entgegengesetzte statt; anfänglich sei dabei noch immer ein Rest derselben vorhanden, sodass aus diesem Grunde die Bewegung nach unten erst langsamer, dann schneller erfolge; von dem Momente, wo die virtus impressa ganz aufgezehrt sei, werde die Bewegung gleichförmig. Diese letzteren Ansichten stehen sogar hinter dem, was Benedetti geleistet hatte, beträchtlich zurück, einen so großen Fortschritt gegen die herrschenden Anschauungen andererseits schon die Art der Problemstellung, nämlich das Eingehen auf den faktischen Verlauf der Bewegung, bekundet. Übrigens begnügte sich G. nicht mit diesen theoretischen Erörterungen, er stellte auch wirkliche Fallversuche an und zwar von dem berühmten schiefen Glockenturme von Pisa, der sich zu solchen ganz besonders eignete. »Von der Höhe dieses Turmes erlitt die peripatetische Philosophie einen Schlag, von dem sie sich nie wieder erholte.«15
Der Hass seiner Kollegen und eines Halbblutprinzen des Hauses Medici, welchen er durch eine freimütige Kritik einer von diesem erfundenen Maschine sich zum Gegner gemacht hatte, zwang ihn nach Ablauf des Trienniums im Jahre 1592 seine Stellung in Pisa aufzugeben. Galilei, dessen Vater inzwischen gestorben war, und auf dem die Sorge für seine Geschwister lastete, musste sich nach einer anderen Stellung umsehen. Wiederum leistete ihm der Marchesed e lM o n t evortreffliche Dienste; durch seine Empfehlung gelang es Galilei, die seit vier Jahren vakante Stelle eines Lektors der Mathematik in Padua zu erhalten. Die Bestallungsurkunde ist datiert vom 26. September 1592, am 7. Dezember hielt er in Padua seine Antrittsrede. – Eine glücklichere Wahl hätte G. nicht treffen können, denn nirgends sonst in Italien wurden der Forschung so wenig äußere Hindernisse in den Weg gelegt als auf dem Boden der Republik Venedig. Die Jahre, die er in Padua verlebte, waren denn auch seine glücklichsten und an wissenschaftlichen Ergebnissen reichsten. Zwar sind seine bedeutendsten Werke erst nach Ablauf dieser Periode geschrieben,