Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme. Galileio Galilei
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Ein weiterer im Dialog mehr episodisch behandelter Stoff39, dem Galilei in Padua seine vollste Aufmerksamkeit zuwandte, waren die magnetischen Erscheinungen. Wir finden ihn spätestens seit 1602 mit dem Studium derselben beschäftigt, angeregt offenbar durch das im Jahre 1600 erschienene Buch Gilberts »De Magnete«. Mit seinen Freunden Fra Paolo Sarpi und Francesco Sagredo betrieb er gemeinsam die Lektüre des von ihm hochbewunderten Engländers, und wiederholte, ja überbot teilweise die Gilbertschen Versuche. Er adoptierte fast durchweg die Ansichten Gilberts; namentlich glaubte er irrigerweise wie dieser, dass das ganze Erdinnere aus Magneteisen bestehe und dass die Unveränderlichkeit der Erdachsenrichtung eine Folge des Erdmagnetismus sei; doch trat er anderen Irrtümern freimütig entgegen, wie der Vermutung Gilberts, dass eine freischwebende Magnetkugel von selbst rotiere. Am Schlusse der Gespräche des dritten Tags widmet Galilei dem berühmten Zeitgenossen und seinen Leistungen eine ziemlich ausführliche Besprechung; er war sich bewusst, in ihm einen Mitstreiter zu haben, nicht nur für die kopernikanische Sache, sondern überhaupt für eine moderne Art des naturwissenschaftlichen Betriebs gegenüber der vergilbten Papierweisheit der Peripatetiker.
So wenig Galilei schon vor der Zeit seines glänzenden Eroberungszugs am Himmel die Wahrheit des kopernikanischen Systems bezweifelte, so sehr mussten ihn doch die überraschenden Entdeckungen, die er mit Hilfe des von ihm verbesserten und zuerst für astronomische Zwecke benutzten Fernrohres machte, in seinen Ansichten bestärken und ihm den Wunsch nahelegen, auch die Zeitgenossen von der Bedeutung dieser Entdeckungen für die neue, scheinbar so phantastische Lehre zu überzeugen. Im März 1610 erschien sein »Sternenbote«, der Sidereus nuncius, der allenthalben bei Freund und Feind gewaltigsten Aufruhr erregte. Vor allem waren es die im Januar desselben Jahres zuerst aufgefundenen Jupitersmonde, die mediceischen Gestirne, wie Galilei sie nannte, die mit unerbittlichster Klarheit dem sinnlichen Auge einerseits bewiesen, dass das Zentrum der Planetenbewegungen nicht durchweg die Erde sein könne, und die andererseits den weiteren wichtigen Einwand gegen die kopernikanische Lehre hinfällig machten, dass ihr zufolge der Mond eine ungebührliche Sonderstellung einnehme, da er allein von allen beweglichen Himmelskörpern nicht die Sonne umkreisen sollte, sondern die Erde. Hatte man doch jetzt einen gar von vier Monden umkreisten Planeten. Die Analogie zwischen Erde und Himmelskörpern oder, wie man sich damals häufig ausdrückte, der Umstand, dass die Erde ein Stern sei, war der von den Gegnern vielleicht zumeist bestrittene Punkt der Diskussion; er wurde damit verständlich. Galilei deutet dies selber am Schlusse des Berichtes über die von ihm gemachten Entdeckungen an40 und wagt damit zum ersten Male öffentlich sich zu Gunsten der Lehre von der Erdbewegung auszusprechen. Nachdem er so lange verschwiegen, wessen sein Herz voll war, glaubte er durch die Wunderbotschaften, die er vom Himmel brachte, endlich das Recht erwirkt zu haben, seine Stimme für die fast greifbar gewordene Wahrheit zu erheben. Auch die gebirgige Natur des Mondes, die durch das Fernrohr erschlossen war, und die übrigen Analogien zwischen Erde und Mond, welche ähnlich wie später im Dialog41 schon im Sidereus nuncius hervorgehoben werden, benutzte er als Argumente für die im Wesentlichen gleichartige Natur der Erde und der Himmelskörper. Betreffs ausführlicherer Erörterungen verweist er wiederholt42 auf das Werk De systemate mundi.
Zum ersten Male seit dem Briefe an Kepler von Jahre 1597 hören wir damit wieder von schriftlichen Aufzeichnungen, welche die Lehre der Weltsysteme zum Gegenstande hatten. Was damals vermutlich kürzere Notizen oder kleinere Abhandlungen gewesen waren, hatte sich nunmehr ausgewachsen zu einem größeren Ganzen, das der Hauptsache nach wohl schon das enthalten sollte, was im Dialog uns vorliegt. Aus dem Briefe vom 7. Mai 1610 an den toskanischen Staatssekretär Belisario Vinta erfahren wir, dass zu den Werken, mit deren Abfassung Galilei damals beschäftigt war, und für deren Vollendung er die nötige Muße ersehnte, auch zwei Bücher De systemate seu constitutione universi gehörten; er nennt sie eine »gewaltige Konzeption, voll philosophischer, astronomischer und geometrischer Untersuchungen.« Soweit ihnen überhaupt damals eine fertige Gestalt zukam, scheinen sie in lateinischer Sprache und in Abhandlungsform, nicht dialogisch abgefasst gewesen zu sein.
Die Ruhe, die zur Fertigstellung dieses wie der anderen geplanten Werke nötig war, hoffte Galilei nach 21-jähriger, von beispiellosem Erfolg begleiteter Lehrtätigkeit besser finden zu können, wenn er von der Pflicht des Kollegienlesens entbunden würde. So bewarb er sich denn um die Stellung eines Großherzoglich Toskanischen Mathematikers und Philosophen, auf die er umso eher rechnen durfte, als er dem Erbgroßherzog Cosimo II., der nunmehr seit 1609 den Thron bestiegen hatte, während der Universitätsferien regelmäßig mathematischen Unterricht erteilt hatte. Es waren gewiss nicht bloß materielle Gründe und ehrgeizige Absichten, die ihn zu diesem verhängnisvollen Schritte bewogen. Er dachte sicherlich vor allem durch den vielbeneideten Glanz, der den Hofmann nun einmal umstrahlte, hinreichende Autorität zu gewinnen, um seine innersten Überzeugungen aussprechen zu dürfen; er hoffte, dass seine Feinde, die bornierten sowohl wie die boshaften, fernerhin nicht mehr wagen würden, die neuen von ihm vertretenen Gedanken lächerlich zu machen oder zu ignorieren. Er hatte empfunden, dass zur Bekehrung der Massen gute Gründe nicht ausreichten; die Machtstellung des Mannes, nicht die Güte der Sache sah er auch in wissenschaftlichen Fragen häufig den Ausschlag geben; und da er endlich einen Erfolg seiner Mühen und Arbeiten sehen wollte, trachtete er danach, seine goldenen Früchte auch in silbernen Schalen aufzutischen. Aber es sollte die Zeit kommen, wo er nur allzu schmerzlich fühlte, dass die scheinbaren Annehmlichkeiten seiner Stellung teuer erkauft waren durch Nachteile anderer Art. Der Ruhm seiner astronomischen Entdeckungen würde ihm, wo immer er seinen Wohnsitz aufschlug, trotz aller Neider die Aufmerksamkeit der ganzen wissenschaftlichen Welt gesichert haben. Und wären ihm auf dem Katheder zu Padua auch Kämpfe nicht erspart geblieben, der starke Arm der Republik Venedig, die selbst vor dem Bannstrahle des Papstes sich nicht beugte, hätte ihn vor dem Äußersten geschützt, während das toskanische Fürstenhaus unter jesuitischem Einfluss stand und nimmer gewagt hätte, sich mit Rom zu überwerfen, am wenigsten dem Hofmathematikus zu liebe, mochte dieser auch ein Galilei sein.
Kurz vor seiner im September 1610 erfolgenden Übersiedlung nach Florenz fügte Galilei seinen astronomischen Entdeckungen eine neue hinzu; er beobachtete Ende Juli 1610 die auffallende Gestalt des Saturn, den er für begleitet von zwei Nachbargestirnen hielt. Die wahre Figur zu ermitteln gelang ihm nicht, es blieb dies Huyghens vorbehalten. – Endlich fallen vielleicht noch in die nämliche Zeit, allerdings aufgrund von Zeugnissen, die aus bedeutend späterer Zeit stammen, auch die ersten Beobachtungen der Sonnenflecken, die indessen einstweilen zu unbestimmten Ergebnissen geführt haben müssen. Galilei würde sonst schwerlich verfehlt haben, in seinem Briefwechsel mit Kepler und Belisario Vinta davon zu sprechen. Er selbst datiert in dem ersten Briefe an Welser diese Entdeckung vom November 1610, im Dialog aber schon aus der Zeit der paduanischen Professur.43 Ein erbitterter Prioritätsstreit, auf den wir mehrfach zurückzukommen haben, entspann sich später darüber und trug nicht wenig dazu bei, die künftigen Schicksale über Galilei heraufzubeschwören.
Gleich nachdem Galilei festen Fuß in Florenz gefasst hatte, richtete er von neuem sein Augenmerk auf die Literatur über die Weltsysteme, er bittet alsbald den toskanischen Gesandten in Prag, Giuliano de’ Medici, der mit dem gleichfalls dort weilenden Kepler engste Fühlung hatte, um Zusendung einschlägiger Bücher.44 Aber mehr als durch irgendwelches Bücherstudium förderte er seine Sache – denn alss e i n eSache sah er nunmehr die Verteidigung der kopernikanischen Lehre an, und der Volksmund bezeichnete bald die Kopernikaner als Galileisten – durch eine neue Entdeckung von der größten Tragweite. Am