Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme. Galileio Galilei
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»Und weil ferner zur Kenntnis vorgenannter heiliger Kongregation gelangt ist, dass jene falsche, der Heiligen Schrift durchaus widersprechende pythagoreische Meinung von der Beweglichkeit der Erde und Unbeweglichkeit der Sonne, welche Nicolaus Copernicus De revolutionibus orbium coelestium, sowie Didacus Astunica in Iob lehren, sich jetzt verbreitet und von vielen gebilligt wird; wie zu ersehen ist aus einem gedruckten Briefe eines gewissen Karmeliterpaters, dessen Titel lautet: Lettera del R. Padre Maestro Paolo Antonio Foscarini, Carmelitano, sopra l’opinione de Pittagorici, e del Copernico, della mobilità della Terra, e stabilità del Sole, et il nuovo Pittagorico Sistema del Mondo, in Napoli per Lazzaro Scoriggio 1615, worin genannter Pater zu zeigen versucht, vorgenannte Lehre von der Unbeweglichkeit der Sonne im Mittelpunkte der Welt und von der Beweglichkeit der Erde sei in Übereinstimmung mit der Wahrheit und widerspreche nicht der Heiligen Schrift: Darum, damit sotane Meinung nicht zum Schaden der katholischen Wahrheit um sich greife, beschloss man, genannten Nicolaus Copernicus de revolutionibus orbium und Didacus Astunica in Iob zu suspendieren, bis sie verbessert würden, das Buch des Karmeliterpaters Paulus Antonius Foscarini aber ganz zu verbieten und zu verdammen, und alle anderen Bücher, die dasselbe lehrten, gleichermaßen zu verbieten. Wie sie denn durch gegenwärtiges Dekret alle respektive verboten, verdammt und suspendiert werden. Zu Urkund dessen ist gegenwärtiges Dekret mit Unterschrift und Siegel Sr. Erlaucht und Hochwürden des Herrn Kardinals von S. Caecilia, Bischofs von Albano, unterzeichnet und ausgefertigt worden am 5. März 1616.«
Wir ersehen aus dem Wortlaute des Dekrets, dass das Werk des Kopernikus nicht ohne Weiteres verboten wurde, dass nur diejenigen Bücher als verdammenswert bezeichnet werden, die wie das Foscarinische es sich zur Aufgabe machten, die Wahrheit der Lehre und ihre Konkordanz mit der Heiligen Schrift zu erweisen. Es lag also nicht in der Absicht der Kongregation, die Berechnung der Planetenbewegung aufgrund der kopernikanischen Annahmen zu verbieten, nur durften diese Annahmen nicht als Wahrheit, sie mussten als mathematische Fiktion gelehrt werden. Demgemäß wurde denn auch Kopernikus in der Folge (1620) verbessert, d. h. alle die Stellen seines Werkes, die apodiktisch von der Erdbewegung und dem Stillestehen der Sonne reden, wurden auf eine hypothetische Form gebracht. Die hypothetische Behandlung seiner Lehre ließ man also im Allgemeinen zu und von dieser Erlaubnis wurde Gebrauch gemacht.
Wie stand es nun aber mit der Ausführung des anderen, speziell auf Galilei bezüglichen Beschlusses, der in der Sitzung vom 25. Februar gefasst wurde? DurchW o h l w i l l sscharfsinnige Studie »Der Inquisitionsprozess des Galilei« ist diese Frage angeregt und in zahlreichen Schriften behandelt worden, sie ist noch immer kontrovers. – Am 26. Februar beschied nämlich Bellarmin Galilei zu sich, machte ihm Mitteilung von dem bevorstehenden Dekret der Indexkongregation und ermahnte ihn die kopernikanische Lehre aufzugeben. Soweit ist der Tatbestand verbürgt; und wenn damit alles Vorgefallene wiedergegeben ist, wenn Galilei sich dabei beruhigte, so war zwar der Schlag für ihn schmerzlich genug. Er durfte von nun ab an einer der Lebensaufgaben, die er sich gestellt, nur mit gefesselten Händen arbeiten; denn von dem, was er als Wahrheit erkannte, musste er wie die ganze katholische Christenheit als von einer Hypothese reden. Aber er durfte immerhin davon reden, und er konnte bei seiner Kunst der Darstellung hoffen, dass er auch so, trotz aller Erschwerung, dem verständigen Hörer verständlich sein werde. Hat nun aber Galilei der Ermahnung Bellarmins Widerspruch entgegengesetzt? Wurde also auch die im Beschluss der Inquisition vorgesehene andere Möglichkeit aktuell? Wenn dies geschah, so musste der Kommissar der Inquisition einschreiten, vor Notar und Zeugen Galilei verbieten, irgendwie, auch nur hypothetisch, über die kopernikanische Lehre zu handeln, und ihn für den Fall der Widersetzlichkeit mit Einkerkerung bedrohen. Wenn es soweit kam, war Galilei für alle Zeiten in Sachen der Erdbewegung mundtot gemacht. Die Entscheidung der Frage ist von erheblicher Wichtigkeit; denn einer der Rechtsgründe des zweiten Inquisitionsprozesses gegen Galilei wurde durch die Annahme geschaffen, dass er das speziell ihm auferlegte Schweigen gebrochen habe. Ein von Notar und Zeugen unterschriebenes Dokument über das Vorgefallene – und ein solches muss doch wohl ausgefertigt worden sein, wenn der zweite Fall eintrat – liegt nicht vor; das Aktenstück, welches man früher dafür ansah, ist entweder eine sogenannte Registratur, d. h. »eine vom Notar der Inquisition gemachte und den Akten einverleibte amtliche Aufzeichnung«68, oder es verdankt einer im Jahre 1632 oder 1633 gemachten Fälschung seinen Ursprung. Gegen die Echtheit sprechen gewichtige Gründe. Vor allem besitzen wir ein auf Wunsch Galileis von Bellarmin ausgestelltes Zeugnis über das, was sich damals ereignete69; darin ist von dem Sonderverbote keine Rede. Weiter ist das ganze Verhalten Galileis in der Folgezeit und seine Aussage bei dem zweiten Prozess, wie sich zeigen wird, kaum erklärlich, sobald man das Sonderverbot als wirklich ergangen annimmt. Endlich ist es trotz der üblichen Geheimhaltung aller Inquisitionsbeschlüsse unbegreiflich, dass die Sonderstellung Galileis zu dem Dekrete vom 5. März auch der Behörde unbekannt gewesen sein soll, die naturgemäß in erster Linie die Kontrolle über das Verhalten Galileis zu üben hatte, d. h. der römischen Zensur. Und doch erteilte diese späterhin dem Dialog das Imprimatur, welches, wie es nachher hieß, erschlichen sein sollte, weil Galilei dem Zensor von dem ihm speziell auferlegten Schweigen keine Kenntnis gab. Trotz dieser und noch einiger anderer Gründe kann man immerhin – wir kommen darauf zurück – die Fälschung jenes Dokuments nicht mit voller Sicherheit erweisen. Und so mag denn alles, was in der Folge geschah, so unwahrscheinlich dies auch ist, in aller Form rechtens geschehen sein. Die späteren Richter Galileis mögen dann persönlich entlastet sein, aber das System ist nur umso schlimmer gerichtet; die späterhin begangene Barbarei war dann ganz in der Ordnung.
Die Szene vom 26. Februar 1616 bildete den Abschluss des ersten gegen Galilei angestrengten Prozesses. Gegen seine Person war man, sehr entgegen den Wünschen seiner Feinde, glimpflich verfahren; seine künftige Tätigkeit hatte man ihm freilich mindestens sehr erschwert. Die nächstfolgenden Jahre weisen denn auch hervorragendere Leistungen Galileis nicht auf; eine gewisse Entmutigung hatte sich seiner bemächtigt, nach den vergeblichen Mühen und Kämpfen der letzten Jahre wollte er ruhigere Tage verleben.70 Namentlich konnte er das Werk De systemate mundi in der Form, die vor Erlass des Indexdekrets geplant war, nicht veröffentlichen. Dass er schon damals an eine Umarbeitung dachte, wie sie uns im Dialog vorliegt, ist nicht anzunehmen. Indessen zeigt der Brief71, den er einer Abschrift seiner Abhandlung über die Erklärung der Gezeiten beifügte, als er dieselbe an den Erzherzog Leopold von Österreich übersandte (23. Mai 1618), wie er sich die Möglichkeit vorstellte, seine Gedanken auszusprechen, ohne die notwendige Rücksicht auf die Kirche zu verletzen. Er nennt darin seine Ansicht eine Dichtung, einen Traum, gibt aber vor, auf diese denselben Wert zu legen, wie ein Dichter auf seine Dichtung. An die Richtigkeit seiner Erklärung glaube er nicht, seitdem eine himmlische Stimme ihn aufgeklärt habe. Man kann zweifeln, ob diese auch im Dialoge angewendete Manier mit dem Dekrete sich abzufinden als statthaft gelten konnte, ob das die hypothetische Form war, wie sie dem Dekrete und der in den nächsten Jahren üblichen Praxis entsprach; man kann aber nicht zweifeln, dass sie dem etwaigen verschärften Verbote, dass nur für Galilei galt, aufs Bestimmteste widersprach. In demselben Schreiben findet sich auch zum ersten Male der in der Vorrede zum Dialog wiederkehrende Gedanke, dass er seinen Einfall veröffentliche, damit kein Fremder oder außerhalb der katholischen Kirche Stehender sich desselben bemächtigen und Prioritätsansprüche darauf erheben könne. Der unausgesprochen bleibende Nebengedanke ist: »Seht, wie schwer durch Eure Schuld der katholische Gelehrte im Wettbewerb mit den Ketzern benachteiligt ist.« Es liegt darin eine ähnliche agitatorische Absicht, wie wenn Campanella später sagte72, dass er einige deutsche Edelleute beinahe zum Katholizismus bekehrt habe, dass sie ihn aber entrüstet verlassen hätten, als sie von dem Verbote der kopernikanischen Lehre gehört hätten.
Im Jahre 1617 nahm Galilei die Verhandlungen mit Spanien wieder auf, die schon vier Jahre zuvor gespielt hatten und die auch später wiederholt in Gang gebracht wurden, ohne je zu einem Ziel zu führen. Es handelte sich dabei um eine Methode der geographischen Längenbestimmung mittels der Jupiterstrabanten, eine Methode, auf die Galilei ungemeinen Wert legte, und auf deren Vervollkommung er unsägliche Mühe verwendete. Er beabsichtigte dieselbe