Jahre 1619 begann eine literarische Fehde, die für Galilei verhängnisvoll werden sollte, da sie ihm die Feindschaft der Jesuiten zuzog. Bis dahin hatte er, wenigstens zu den Jesuiten in Rom, in einem leidlichen Verhältnis gestanden. Die Briefe über die Sonnenflecken mussten zwar den deutschen Jesuitenpater Scheiner verdrießen, da namentlich in der von Angelo de Filiis geschriebenen Vorrede die Priorität der Entdeckung sehr energisch für Galilei in Anspruch genommen wurde. Indessen hat Scheiner damals kaum Widerspruch erhoben; ja in dem von ihm inspirierten Büchlein Disquisitiones mathematicae de controversiis et novitatibus astronomicis seines Schülers Locher, welches 1614 zu Ingolstadt erschien, wird an mehreren Stellen von Galilei mit höchster Achtung gesprochen und nur schüchtern die Bemerkung gemacht73: »Diese [Erscheinungen an der Sonne] wurden vor einigen Jahren zuerst durch Apelles in zwei Gemälden, sodann auch durch den Herrn Galilei bekannt.« – Die drei Kometen des Jahres 1618 hingegen sollten Galilei schwere Kämpfe mit den Jesuiten bringen, Kämpfe, bei welchen wissenschaftlich in der Hauptsache das Recht nicht auf seiner Seite war. Über diese Kometen nämlich hieltO r a z i oG r a s s i ,Professor am römischen Jesuitenkolleg, einen Vortrag74, worin er im Wesentlichen richtige Ansichten über die Natur der Kometen entwickelt, ähnlich denen, die Tycho de Brahe früher aufgestellt hatte. Er erklärt sie für dunkle, vom Sonnenlicht erleuchtete Körper, vergleicht ihre Bewegung mit derjenigen der Planeten und versetzt sie vermutungsweise in die Sphäre zwischen Mond und Sonne. Diese Ansichten bekämpfte ein Schüler Galileis,M a r i oG u i d u c c i ,in einem in der Florentiner Akademie gehaltenen Vortrage, welcher im Juni 1619 durch den Druck veröffentlicht wurde unter dem Titel: Discorso delle Comete di Mario Guiducci.75 Die darin aufgestellten Ansichten rührten von Galilei her, auch die Redaktion im Einzelnen war großenteils sein Werk. Neben Ausfällen auf Scheiner76 und vorsichtigen Anspielungen darauf, dass zur vollen Erklärung des Kometenphänomens die Lehre von der Erdbewegung herangezogen werden müsse77, findet sich als wahrscheinlich ausgesprochen, dass die Kometen nichts Reales seien, sondern eine bloße optische Erscheinung, hervorgebracht durch Brechung und Reflexion an den von der Erde emporsteigenden, möglicherweise bis in die Himmelsräume sich erhebenden Dünsten. Es werden aber beiläufig auch mancherlei beachtenswerte Erörterungen angestellt; so über die Irradiation, die minder ausführlich schon im Nuncius Sidereus sich finden und im Dialoge sich wiederholen.78 Auf den Discorso Guiduccis erschien 1619 eine Entgegnung, angeblich von einem Schüler Grassis, Lotario Sarsi, in Wahrheit aber von Grassi selbst verfasst: Libra astronomica ac philosophica qua Galilaei Galilaei opiniones de cometis a Mario Guiduccio in Florentina Academia expositae atque in lucem nuper editae examinantur a Lothario Sarsio Sigensano.79 Darin wird, wie der Titel bereits andeutet, Galilei selbst, nicht Guiducci – und zwar in sehr boshafter Weise – angegriffen. Die Diskussion dreht sich vielfach nicht mehr um die Hauptfrage, sondern um gelegentlich zur Sprache gekommene Dinge: ob das Fernrohr nahe und entfernte Objekte gleich stark vergrößere, ob ein rotierendes Gefäß die darin enthaltene Luft in Bewegung versetze, ob die Reibung der Luft Wärme erzeuge, wie die Irradiation kleiner leuchtender Körper zu erklären sei, ob Flammen durchsichtig seien oder nicht. – Galileis Freunde waren über die Händel, in die er sich eingelassen hatte, nicht erbaut; sie schwankten lange, wie am besten auf Pseudo-Sarsis Schrift zu reagieren sei. Die Ängstlichkeit, mit der man die notwendigen Maßregeln erwog, ist höchst charakteristisch; wusste man doch nur zu gut, dass es unberechenbare Folgen haben könne, sobald man die allmächtigen, vor keinem Mittel zurückschreckenden Jesuiten zu Gegnern habe. So kam es, dass Galilei von seinen Freunden zu einer Entgegnung gedrängt und gleichzeitig zur Vorsicht gemahnt wurde. Erst im Oktober 1622 beendigte er seine Arbeit, welche in Form eines Briefes anD o nV i r g i n i oC e s a r i n iabgefasst war. Er schickte sie nach Rom, um vor der Drucklegung das Urteil der Mitglieder der Accademia dei Lincei, auf deren Kosten die Veröffentlichung stattfand, einzuholen. Dieses fiel sehr günstig aus, nur an wenigen Stellen hielt man es für zweckmäßig, Änderungen anzubringen. Der Saggiatore (Goldwäger) – dies war der Titel der Schrift – sollte namentlich deshalb in Rom gedruckt werden, damit durch die ausdrückliche Genehmigung der römischen Zensur die von Galilei ausgesprochenen Ansichten vor nachträglicher kirchlicher Verfolgung umso sicherer seien. An der Spitze dieser Zensurbehörde steht der sogenannte Magister Sacri Palatii; in diesem Falle nahm jedoch die Prüfung des Buches nicht der Palastmeister selbst vor, sondern der durch seine ungewöhnliche Gelehrsamkeit bekannte DominikanerN i c c o l òR i c c a r d i ,genannt Padre Mostro. Am 2. Februar 1623 stellte dieser dem Werke ein höchst schmeichelhaftes Zeugnis aus; er wurde kurz darauf in Florenz auch persönlich mit Galilei bekannt und spielte späterhin, als er selbst Magister Sacri Palatii geworden war, in dessen Leben noch eine wichtige Rolle. Während des Drucks des Saggiatore trat ein Wechsel im Pontifikat ein; der Kardinal Maffeo Barberini, der sich nunmehrU r b a nVIII. nannte, wurde am 6. August 1623 zum Papste gewählt. Er war mit Galilei persönlich bekannt, schätzte ihn hoch, ja er hatte seine astronomischen Entdeckungen vormals in schwungvollen Oden besungen. Ihm wurde die Widmung des Saggiatore angeboten und er nahm sie an. Im Oktober 1623 erschien der »Goldwäger« auf dem Büchermarkte. Er erregte schon durch die klassische Form, die ihn zu einem Meisterwerke italienischer Prosa stempelt, großes Aufsehen; aber auch wissenschaftlich interessante Einzelheiten bringt er in großer Zahl, zum Teil solche, die im Dialog zitiert und nochmals besprochen werden.80 Besondere Beachtung verdienen wiederholte Äußerungen über die Frage der Weltsysteme, die einer boshaften Provokation der Libra astronomica ihren Ursprung verdanken81 und die wiederum mit dem Indexdekret allenfalls vereinbar sind, nicht aber mit einem an Galilei ergangenen Sonderverbote. Namentlich wird an einer Stelle (Op. IV, 304) die von Kopernikus angenommene »dritte« Bewegung, die sogenannte Deklinationsbewegung, welche vielfach besonderen Anstoß erregt hatte, in ihrer Bedeutung klargelegt und durch Hinweis auf einen Versuch, ganz wie im Dialog82, erläutert. In der Einleitung finden sich scharfe Ausfälle gegen Scheiner, ohne dass dessen Name genannt würde; gerade um jene Zeit war derselbe aus Deutschland nach Rom gekommen und hatte dort wahrscheinlich sich als ersten Entdecker der Sonnenflecken geriert. Wie wütend die Jesuiten über das neu erschienene Werk Galileis waren, so sehr auch Grassi seinen Zorn zu verbergen suchte, geht namentlich daraus hervor, dass man trotz der Approbation durch die römische Zensur, trotz der Widmung an den Papst, das Buch zu denunzieren wagte, dass man darauf hinarbeitete, Galilei abermals in einen Inquisitionsprozess zu verwickeln und sein Buch verbieten zu lassen; diese Machinationen blieben indessen für jetzt erfolglos.
Das anstandslos dem Saggiatore erteilte Imprimatur und die freundliche Gesinnung des neuen Papstes, der als Freund und Beschützer von Künsten und Wissenschaften bekannt war, und der auch als Kardinal Galilei seine Gewogenheit mehrfach nicht nur mit Worten versichert, sondern auch durch die Tat bewiesen hatte, belebten dessen Hoffnungen. Er hatte schon einige Zeit vor der Neubesetzung des päpstlichen Stuhles an einer Erweiterung seiner Abhandlung über Ebbe und Flut gearbeitet.83 Da jetzt die Verhältnisse äußerst günstig zu liegen schienen, da Galileis Freunde Cesarini und Ciampoli, beide Mitglieder der Accademia dei Lincei, mit einflussreichen Stellungen am päpstlichen Hofe bedacht wurden, da ebenso Cesi, der Begründer und Leiter der Akademie, hoch in der Gunst Urbans stand, so konnte Galilei an die Fertigstellung seines immer wieder aufgeschobenen Werkes über die Weltsysteme denken. Es schien der Zeitpunkt gekommen, wo man versuchen durfte, das Verbot der kopernikanischen Lehre rückgängig zu machen; denn Urban war zwar nie ein Kopernikaner gewesen, billigte aber, wie aus späteren Äußerungen hervorgeht84, das Indexdekret keineswegs. Die Freunde bestürmten daher Galilei – und sie gossen damit nur Öl in das Feuer, das in ihm nie erloschen war – nach Rom zu kommen, um dem Papste persönlich seine Huldigung darzubringen und bei dieser Gelegenheit für die Aufhebung des Dekrets vom 5. März 1616 tätig zu sein. Galilei ging denn auch wirklich im April 1624 nach der ewigen Stadt, wurde vom Papste sehr freundlich empfangen, scheint aber nicht direkt mit demselben über Kopernikus und seine Sache verhandelt zu haben, sondern nur durch Vermittlung des Kardinals Hohenzollern. Ein sachliches Ergebnis erzielte er nicht, wenngleich ihm die Genugtuung wurde, in einem Breve des Papstes an den Großherzog – im Jahre 1621 war auf Cosimo II. der minderjährige Ferdinand II. gefolgt – sein Lob in überschwänglicher Weise erschallen zu hören.
Da eine Aufhebung des Verbots der Lehre von der Erdbewegung nicht zu erreichen war, so hatte sich Galilei von neuem