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1 Die kurzfristigen Ziele des D3Ds liegen innerhalb der Filmindustrie. Die längerfristigen transformativen Effekte werden sich aber vor allem auf Kleinbildschirmen, Spielekonsolen und Mobilbildschirmen zeigen, wenn auch die Entwicklung des Fernsehens noch eine Weile in der Schwebe bleiben wird. Des Weiteren ist es für die kurzfristige Industriestrategie der D3D Einführung, sobald sie erfolgt ist, weitgehend irrelevant, ob 3D-Filme auf Großleinwänden eine vergängliche Modeerscheinung, eine Nische oder der große Wurf sein werden.
2 Das wieder auflebende 3D ist als Komplement zu Kinoton und Sound d. h. zu unseren akustischen Repräsentationssystemen zu verstehen. Wir sollten 3D also nicht (nur) als verbessertes, »realistischeres« System der visuellen Darstellung begreifen.
3 Historisch gesehen kann man argumentieren, dass 3D der 2D-Technologie in der mechanischen Bildproduktion vorausging. Noch vor der Einführung des Kinos eroberte die Stereoskopie so unterschiedliche und gleichzeitig verwandte Bereiche wie Entertainment und Militär. Das Kino übernahm daraufhin Aspekte der Stereoästhetik und unterdrückte zugleich das Wissen um deren Popularität.
4 Ästhetisch gesehen ist es das Ziel der D3D-Technologie, in den Filmen selbst eher unsichtbar, d. h. gefühlt und nicht bewusst bemerkt zu werden. In anderen Worten, ein Großteil des von Regisseuren, Designern und 3D-Zeichnern betriebenen Aufwands ist auf die »Naturalisierung« des technologisch produzierten räumlichen Blicks gerichtet, um den Effekt dadurch immer weniger wahrnehmbar zu machen.
Meine Hauptthese geht aus diesen vier Punkten hervor. Sie besagt, dass 3D nur eines der Elemente ist, die unser Bildverständnis neu definieren, dass 3D in diesem Prozess unseren zeitlichen und räumlichen Orientierungssinn verändert und somit unser verkörpertes Verhältnis zu datenintensiven simulierten Umgebungen. Abschließend stelle ich einige Spekulationen darüber an, was solche Veränderungen über die Geschichte des Kinos verraten – und inwiefern dessen Ensemble noch um einige »Akteure« erweitert werden sollte.
Wag the Dog: Wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt
Trifft Behauptung eins zu, so ist D3D für das heutige Hollywood keine Strategie der Schadensbegrenzung (oder zumindest nicht nur): Die gegenwärtige Situation ist kaum vergleichbar mit den fünfziger Jahren, als die Filmindustrie ihr Familienpublikum ans Fernsehen zu verlieren drohte. Heute ist Hollywood in allen Medien und Märkten präsent, offline im physischen Raum, online in virtuellen Räumen, auf dem national-lokalen Markt ebenso wie auf dem international-globalen.6 Die Einführung einer kostspieligen Technologie, die ausschließlich für die Großleinwand gedacht ist, würde für Hollywood bedeuten, sich selbst Konkurrenz zu machen, was natürlich wenig Sinn ergibt. Das WWW per se bedeutet keine Bedrohung für Hollywood, sondern lediglich dessen »Businessmodells«, da viele Inhalte entweder kostenlos oder zu Preisen angeboten werden, die zu niedrig sind, als dass die Urheber Profit machen könnten. Der Grund hierfür liegt darin, dass »Inhalte« im Web Mittel zum Zweck und nicht Selbstzweck sind. Die Antwort Hollywoods auf das WWW besteht weniger in 3D denn in Franchisefilmen, Merchandizing und themenbezogener Unterhaltung. Auch Onlinepiraterie und Copyrightschutz sind eher Angelegenheiten, die nach rechtlichen Maßnahmen und internationalen Abkommen verlangen als nach technischen Spielereien oder künstlichen Zugriffsbarrieren, wie z. B. der Verschlüsselung der Inhalte.7
Eines der Hauptprobleme der Filmbranche ist industrieintern und besteht darin, die Kinobetreiber zur Investition in die digitale Projektion zu bewegen.8 3D als neue Attraktion war nicht in erster Linie eine auf den Zuschauer ausgerichtete Maßnahme, sondern hauptsächlich für die Kinobetreiber gedacht: Der Eintrittspreisaufschlag sollte deren Kosten für Digitalprojektoren kompensieren.9 Einmal installiert und über die Spielzeit erfolgreicher 3D-Filme amortisiert, ist es nicht mehr so wichtig, ob 3D-Filme sich als Regelfall durchsetzen oder Nischenprodukte sind, ob sich die Technologie nur für Science-Fiction, Fantasy und Animations-Blockbuster eignet oder auch für herkömmliche Dramen, Thriller, Dokumentarfilme und romantische Komödien.10 Ein weiterer wichtiger Aspekt betrifft die digitalen Projektionssysteme, welche die großen Studios den Kinobetreibern aufzwingen wollen, egal ob es sich um Multiplex- oder Programmkinos handelt und ob diese 3D- oder 2D-Filme zeigen. Es geht also um eine weitere Runde im anscheinend endlosen Machtkampf der unterschiedlichen Teilbranchen der Filmindustrie: Die Auseinandersetzungen drehen sich um die Macht, verbindliche Standards setzen zu können, und somit eher beiläufig um 3D und nur nominell um Maßnahmen gegen Produktpiraterie.11
Bereits Ende 2010 berichteten Industrieexperten, dass die Strategie, Kinos mittels 3D zur Investition in Digitalprojektion zu zwingen, weitgehend erfolgreich war. Dies ist der Spielzeit 2009/10 zu verdanken, und insbesondere Filmen wie Up, Coraline, Avatar, Alice in Wonderland sowie Toy Story 3, Shrek, Ice Age und weiteren Disney-Pixar Animationsfilmen.12 Im Gegensatz zu analogem 3D können mit digitaler 3D-Projektionstechnik sowohl 2D- als auch 3D-Filme gezeigt werden (auch wenn die 2D-Projektion durch 3D-Equipment technisch nicht immer ganz reibungslos vonstatten geht).
Mein Argument ist allerdings noch weiter gefasst: Der Medienrummel um 3D auf der Großleinwand hat ähnliche Beweggründe wie jener, mit dem alle neuen Kinofilme lanciert werden: Jede Kinopremiere zielt darauf, kulturelles Kapital zu akkumulieren und Zugang zu den Sekundärmärkten zu sichern, die letztlich entscheiden, ob der Film ein kommerzieller Erfolg wird. In manchen Fällen betragen die Einnahmen an der Kinokasse nur 35% des Gesamtumsatzes eines Films, d. h. des Umsatzes, den ein Film insgesamt über alle Vertriebswege erzielt. Des Weiteren kamen in den letzten zehn Jahren für manche Filme bis zu 70% der Kinoeinnahmen aus Märkten in Übersee.13 Mit anderen Worten, während US-Kinovorführungen ökonomisch gesehen nur eine untergeordnete Rolle für die Hollywood-Unterhaltungsmaschine spielen, hat ein Film ohne solche Kinovorführungen eigentlich weder Präsenz noch Existenz. Das (Miss-) Verhältnis ökonomisch marginal und kulturell zentral macht somit den Kinostart zum treffenden Beispiel für »wag the dog«: wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt, oder – etwas feiner formuliert – für Jacques Derridas Logik des »Supplements«.14
Das Verhältnis zwischen dem Kinostart und der Kette der Sekundärmärkte ist nicht weniger paradox. Angesichts der immer geringeren Aufmerksamkeitsspanne entscheiden die Besucherzahlen am Eröffnungswochenende zusehends über das Schicksal eines Films, sowohl was seinen Erfolg auf dem US-Markt betrifft als auch auf dem internationalen. Die Werbebudgets folgen daher ebenfalls der Logik des Supplements, indem sie immer größere Anteile der Produktionskosten verschlingen. Die extreme Bedeutung, die dem Zeit- und Ortsvorteil der Kinopremiere zugeschrieben wird, kann nicht allein mit Onlinepiraterie erklärt werden. Sie ist Hollywoods Reaktion auf das Geschäftsmodell des Internets, wo DVD–Direktversand und Abonnementdienste wie Netflix oder Redbox Hollywoods ökonomisches Überleben ebenso bedrohen wie illegale Downloads.15
Falls die Filmindustrie also die 3D-Projektion flächendeckend als neuen Industriestandard einführen möchte, benötigen Filme weiterhin die große Leinwand und eine Kinopremiere, um sich zu präsentieren, auch wenn sie für ganz andere Formate bestimmt sind. Angesichts des Potentials von 3D-Bildern wird deren Einsatz sicher bald nicht mehr auf das Multiplexkino beschränkt sein. Auch auf mobilen Geräten, und nicht nur für Spielfilme, sondern auch für andere Arten der Unterhaltung