Bildwerte. Группа авторов
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![Bildwerte - Группа авторов Bildwerte - Группа авторов Bild und Bit. Studien zur digitalen Medienkultur](/cover_pre938595.jpg)
In Bezug auf die Wiedereinführung von 3D befindet sich das Fernsehen zwischen IMAX-Dome-Leinwand und iPhone-Touchscreen in einer Art Grauzone: Einerseits ist das Fernsehen ein wichtiges Medium zur Verbreitung von Kinofilmen und wird, selbst wenn sich 3D-Filme nur als Nische für den Animations- und Kinderfilm herausstellen, in der Lage sein müssen, solche sogenannten »Premiuminhalte« zu senden. Andererseits wird das Satelliten- und Kabelfernsehen sich neu erfinden müssen, um auf das Internet zu reagieren. Somit werden Verknüpfungen mit Tourismus, Talentshows, Reality-TV sowie Quervernetzungen mit Online-Shopping immer bedeutender werden. Es erstaunt also wenig, dass 3D-Fernseher bereits von globalen Herstellern wie Toshiba, Hitachi, Samsung und LG entwickelt werden.16 Anlass für die Einführung und den Verkauf von neuer Hardware waren – neben Filmen – bisher immer Sportveranstaltungen, große nationale oder internationale Events (Krönungen, königliche Hochzeiten, die Olympischen Spiele) sowie veränderte häusliche Aktivitäten wie zum Beispiel das geteilte Elternglück vor dem heimischen Fernseher oder der private Genuss von Pornographie. Bislang gibt es nur wenige Anzeichen, die belegen, dass solche Anlässe und Faktoren den Konsumenten ebenfalls dazu verleiten werden, seinen HD-Fernseher durch ein 3D-Gerät zu ersetzen. Die Olympischen Spiele 2012 werden weithin als der große »Wendepunkt« angepriesen.17 Bevor 3D sich auch im häuslichen Bereich einen festen Platz erobern kann, werden allerdings noch andere Voraussetzungen zu schaffen sein, wie etwa die Durchsetzung von »Serious Games«, eine stärkere Vernetzung von Fernsehen und Internet sowie die Garantie des brillenfreien TVs. Bis dahin werden vermutlich 3D-Smartphones und Spielekonsolen bereits so alltäglich und wenig bemerkenswert sein, wie es Touchscreens (als deren komplementäre Ergänzung 3D gesehen werden kann) bereits sind.
Der Sound-Revolution auf den Fersen?
Um zur zweiten Behauptung zu kommen: Falls meine Annahme stimmt, dass 3D viel mehr ein Supplement zu Ton und Hören denn zu Bild und Sehen ist, eröffnet sich eine neue Dimension. Ein Großteil der Abneigung gegen 3D seitens der Kritiker (und selbst der Regisseure) speist sich aus der Annahme, dass 3D vorwiegend eine Erweiterung des Visuellen darstelle und uns dem Realismus immer näher bringe. Realismus ist, wohlgemerkt, eine der beständigen (wenn auch fragwürdigen) Teleologien, die die Geschichte des Films und deren Hauptinnovationen (vom Stumm- zum Tonfilm, vom Schwarzweiß- zum Farbbild, von 2D zu 3D) bestimmen. Wie die Forschung über das frühe Kino allerdings gezeigt hat, beruht diese Genealogie auf einem historischen Irrtum, selbst wenn man 3D außen vor lässt, denn mit Ton und Farbe wurde seit den Anfängen des Kinos experimentiert. Der 3D-Film selbst existiert bereits seit 1902, als die Lumière Brüder (und nicht Méliès!) auf der Pariser Weltausstellung 3D-Filme auf eine riesige Leinwand projizierten.
Auch Jeffrey Katzenberg, ehemaliger Produktionsleiter bei Paramount und Disney und gegenwärtig CEO bei DreamWorks Animation, scheint eine ähnlich selektive Auffassung der Filmgeschichte zu teilen. Katzenberg, neben Spielberg und James Cameron einer der Hauptfürsprecher der 3D-Technologie in Hollywood, wurde aufgrund seines missionarischen Eifers bereits zum »Jerry Falwell des 3D«18 erklärt, auch wenn sein Konterfei eher suggeriert, er habe Modell für Shrek gestanden, einem der erfolgreicheren (inzwischen 3D-) Franchises seiner Produktionsfirma. Katzenberg spricht von 3D als der dritten Revolution des Kinos: »There have been two previous revolutions that have occurred in movies. The first one is when they went from silent film to talkies, and the next one happened when they went from black-and-white to colour. Which was 70 years ago. In my opinion, this is the third revolution.«19 Das Erstaunliche an Katzenbergs »Revolution« ist nicht so sehr, dass sie einer viel zu stromlinienförmigen und zweckorientierten Auffassung der Filmgeschichte entspringt. Bemerkenswerter und richtungweisender ist, dass Katzenberg denkt, 3D führe das Bild aus dem, was er die »vinyl phase« nennt, heraus:
»As human beings, we have five senses: touch, taste, smell, hearing and sight. The two senses that filmmakers use to affect an audience are hearing and sight. And if you think about the evolution of sound, [which] in our lifetime, […] has gone from vinyl to an 8-track to a CD to digital. But sight is kind of at vinyl right now. Whatever sight—whether it's in a magazine that you're looking at, or it's on a television set, or on your iPod, or in a movie theatre—we're kind of, at vinyl.«20
Katzenberg scheint praktischerweise Hollywoods 3D-Phase in den Fünfzigern vollkommen vergessen zu haben. Seine Plattenmetapher (und somit seine Analogie zum Ton) zeigt zwei weitere interessante Aspekte auf: Während der letzten 30 Jahre hat sich Hollywoods Filmindustrie in vielerlei Hinsicht revolutioniert, vor allem was die digitalen Produktionsmethoden und das damit verbundene Outsourcing der Filmnachbearbeitung betrifft. Allerdings wurden nur sehr wenige dieser Innovationen industrieller und geschäftlicher Natur vom Durchschnittszuschauer bemerkt, da das Kinoerlebnis selbst weitgehend unverändert blieb: der zweistündige Spielfilm, das erzählerische Format, die Genres-und-Stars-Formel, die wie im Theater angeordneten Sitze, der Projektor im Rücken, die Gewohnheit des »Mach dir ein paar schöne Stunden, geh ins Kino«, Popcorn und Softdrinks.
Was sich allerdings beträchtlich verändert hat und was ebenso oft als Grund der Wiederbelebung der Filmindustrie in den Achtzigern gesehen wird, ist der Filmton. Der »Surround Sound« wurde stark vom Walkman-Erlebnis der Achtziger geprägt und machte, was damals als »persönliches Stereo« bekannt war, zu einem kollektiven, geteilten Erlebnis. Auf einmal gab es eine neue Art der öffentlichen Intimität, vermittelt durch den Klangraum, den wir mit anderen Zuschauern im Dunkeln teilen.21 Dolby (direktionaler Multikanalton) gab dem Kino neue räumliche Tiefen- Dimensionen. Vier wichtige Filme der zweiten Hälfte der Siebziger (Nashville, Jaws, Star Wars und Apocalypse Now) bereiteten – jeder auf seine Art – dem neuen Ton den Weg und definierten das Kinoerlebnis neu. Vertritt Katzenberg also nur, was vielleicht unerwartet, aber dennoch im Nachhinein offensichtlich ist, dass nämlich die visuelle Komponente mittels 3D-Bildern endlich mit dem dreidimensionalen Ton gleichzieht?
Sollte dem so sein, hängt dies mit der sich im Allgemeinen wandelnden Beziehung zwischen »Ton« und »Bild« in unserer Kultur zusammen: Immer mehr definieren Ton und Geräusche öffentliche und private Räume, innere und äußere Welten, Normen und Abweichungen. Spätestens seit die Dolby Geräuschunterdrückungssysteme eingeführt wurden, begann Ton als dreidimensional wahrgenommen zu werden. Auf einmal »füllte« der Ton den Raum wie Wasser ein Glas, ging aber gleichzeitig von unseren Köpfen aus und stattete uns – selbst beim passiven Hören – scheinbar mit aktiver Handlungsmacht aus. Im Kino hat sich die traditionelle Hierarchie zwischen Bild und Ton zu Gunsten des letzteren verschoben. Der Ton dominiert inzwischen das Bild oder ist zumindest das, was den Gegenständen ihre ganz eigene Körperlichkeit und Materialität verleiht. Diese Entwicklung bewegte den Filmtheoretiker Christian Metz von »akustischen Objekten«22 zu sprechen, ein Verständnis, das der mit mehreren Oscars ausgezeichnete Film The Artist (F 2011, R: Michel Hazanavicius) erfolgreich umsetzt. The Artist ist ein »Stummfilm«, in dem der Protagonist sich weigert, sich auf die »Talkies« (Tonfilme) einzulassen. In einem seiner Alpträume erwachen Alltagsgegenstände wie Wassergläser oder Stühle plötzlich zu unheimlichem akustischen Leben, und dies in einer ansonsten lautlosen Welt. Die Rückkehr der