Cyberland. Gundolf S. Freyermuth

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Cyberland - Gundolf S. Freyermuth

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der Plastischen Chirurgie ein. Was früher allein für die alternden Reichen und ein paar Starlets war, ist heute ein ganz normales Mittelstandsphänomen. Jeder, der will, kann seine Biologie überwinden und seinen Körper verändern - seine Nase oder sein Geschlecht.«

      Die Zahlen geben dem Cyber-Enzyklopädien recht. Allein 1994 ließ sich rund eine halbe Million Amerikaner, Männer wie Frauen, chirurgisch verbessern - von der Liposuktion (Fett absaugen, einundfünfzigtausend Eingriffe) über die Nasenkorrektur (sechsunddreißigtausend Eingriffe) bis zur Bauchstraffung (siebzehntausend Eingriffe). Die Ankündigung, dass R. U. Sirius plane, sich im Rahmen eines Auftritts von »Mondo Vanilli« auf der Bühne einer plastischen Verschönerung zu unterziehen, erscheint von daher nicht verrückter, als die Wirklichkeit längst ist.

      Doch natürlich sind das alles in den Augen der Cyber-Enthusiasten nur kümmerliche Reparaturversuche, vergleichbar einem Karosseriejob in einer kleinen Klitsche. Anvisiert werden stilistische und technische Überarbeitungen von grundsätzlicherer Art - das humane Äquivalent zu dem Einbau eines stärkeren Motors und größeren Tanks, zur Kotflügelverbreiterung und elektronischen Aufrüstung mit Satellitenempfang. Diese Verschmelzung von Menschen und Maschinen steht historisch an, meint Rudy Rucker:

      »Eine massive Mensch-Computer-Symbiose vollzieht sich, schneller, als wir es überhaupt begreifen können.«

      Fortschreitende Miniaturisierung sorgt nicht nur dafür, dass uns eine Vielzahl von Maschinen immer dichter auf den Leib rückt. Die Wanderung der Kleingeräte, die an uns hängen - Brille, Fernglas, Fotoapparat, Videokamera, Hörgerät, Walkman, Funktelefon, Armbanduhr, Taschenrechner, Taschenübersetzer, Laptop, Digitaler Assistent -, von der Außenseite ins Innere des Körpers hat ebenfalls begonnen. Längst sind erste elektronische upgrades für Menschen zu haben, intelligente Implantate wie Hörchips oder Herzschrittmacher. Die Zahl der Möglichkeiten nimmt ständig zu, wenn auch nicht so schnell, wie viele Cyberianer es wünschen. Richtmikrophonmäßig zu hören, Augen wie Lupen zu besitzen, sich exakt wie ein Tonband zu erinnern, sich via Gehirnstöpsel direkt in den Cyberspace beamen zu können - das alles scheinen dringende und unbefriedigte Bedürfnisse im Hightech-Underground.

      »Es wäre doch wunderbar«, schwärmt R. U. Sirius, »wenn wir uns die Daten, die uns interessieren, direkt ins Gehirn laden könnten. Oder stell dir eine künstliche Leber vor, die besser ist als die natürliche. Jeder wird sie haben wollen, weil man dann soviel Drogen nehmen kann, wie man möchte. Es wird Mode werden, sich eine neue Leber einsetzen zu lassen. Dasselbe wird mit den Herzen geschehen. Es wird verschiedene Fabrikate geben, von Sony und Toyota oder meinetwegen von Mercedes.«

      R. U. Sirius träumt allerdings nicht nur. Er versucht auch - dabei seiner Annahme folgend, wozu Körper überhaupt noch gut seien -, der Integration von Mensch und Maschine auf avantgardistisch-schockierende Weise vorzugreifen.

      »Arthur Abraham, ein sehr bekannter Konstrukteur von Computerspielen, der zum Beispiel an der Mutterplatine für den Amiga mitarbeitete, hat uns den ersten jederzeit fickfähigen Roboter gebaut. Wir werden ihn in den schmierigsten Stripläden von San Francisco auftreten lassen. ‘Mondo Vanilli’ macht den Soundtrack dazu.« Sirius strahlt engelhaft: »Es ist ein Netzwerk-Fickroboter, der in die Vagina fickt und mit den üblichen Haushaltsgeräten vernetzt ist. Man kann sich erregen lassen und dabei seinen Haushaltspflichten nachgehen. Sex und Arbeit werden vollständig integrierbar. Das entspricht unserem Cyber-Traum, die Grenzen der Biologie zu überwinden, ohne auf Sensualität oder Sexualität verzichten zu müssen.«

      Bionische Engel: Homo Super Sapiens, tiefgekühltes Leben, planetarisches Kollektivhirn. Dem Wunsch nach upgrading real-existierender Individuen entspricht die Sehnsucht, den Homo sapiens als Rasse zu verbessern - durch Reprogrammierung der Wetware.

      »Es gibt keine von der Seele getriebene Kraft, die hinter dem Leben steht, kein wummerndes, wallendes, sprossendes, protoplasmisches mystisches Gel«, schreibt der Oxforder Evolutionsforscher Richard Dawkins, ein Kultautor der Cyberszene: »Leben besteht einfach aus Bytes und Bytes und Bytes digitaler Information. Gene sind reine Information - Information, die kodiert, rekodiert und dekodiert werden kann, ohne dass sich ihre [grundsätzliche] Bedeutung verringern oder ändern würde. ... Wir - und damit meine ich alle Lebewesen - sind Überlebensmaschinen, die dazu programmiert sind, die digitale Datenbank fortzupflanzen, die uns programmierte.«

      Mit der Umschreibung unserer genetischen Programme, mit der Korrektur von Fehlkodierungen wie Krebs und mit eleganten Verbesserungen intakter Kodes, möchten die meisten Cyberianer keinen Tag länger warten als nötig. Ein zentrales Ziel ist dabei die Kopierung kompletter Individualitäten.

      »Ich bin recht nervös im Augenblick, weil ich keine Sicherheitskopie von mir habe«, bekannte ein Leser bereits 1987 in Sirius’ »Reality Hacker Newsletter«: »Ich lege regelmäßig back-ups von meinen Disketten an, doch ich habe noch nicht ein einziges Mal mich selbst zur Sicherheit kopiert. Ich bin deshalb sehr interessiert an Technologien, die in der Zukunft ermöglichen könnten, von der Essenz des menschlichen Wesens einen back-up zu machen.«

      Solche Sicherheitskopien sowie die Löschung des unseren Genen inhärenten »Todesprogramms« sollen dem zukünftigen Homo super sapiens Unsterblichkeit verschaffen.

      »Die Kids sitzen an den Schaltstellen«, sagt R. U. Sirius. »Alles wird möglich sein. Wir können bionische Engel werden.«

      Solange aber eben noch nicht alles möglich ist, gilt es, die Persönlichkeit der heute sterbenden Individuen zu konservieren - Psyche, Erfahrungsschatz, Wissen -, um sie dereinst zu unsterblichem Leben wiedererwecken zu können. Als eine solche Übergangslösung ist die Idee der Kryonik, die Tiefkühlkonservierung menschlicher Wetware, in der Cyberkultur populär. Die idealster auf diese Weise bewahrte »Gehirninformation« soll, so will es die Utopie, entweder in einem neuen, genetisch konstruierten Körper enden oder aber als Down- beziehungsweise Upload in den Netzen selbst.

      Denn viele Cyberianer, darunter so verschiedene Charaktere wie Infobahn-Konstrukteur und US-Vizepräsident Al Gore, der Mitbegründer der Chaostheorie Ralph Abraham oder R. U. Sirius, folgen der Vision des französischen Jesuitenpriesters und Paläontologen Pierre Teilhard de Chardin. Er gilt ihnen als Prophet des Cyberspace, da er bereits Jahrzehnte vor Anbruch des digitalen Zeitalters die Ansicht vertrat, dass die Evolution auf einen Punkt zusteuere, an dem alles in der Welt vorhandene Bewusstsein sich zu einem kollektiven Verstand vereinigen werde.

      »Man kommt zu der fast mystischen Ansicht, dass Technologien als Teil des natürlichen evolutionären Prozesses erscheinen«, sagt R. U. Sirius. »So wie bestimmte Tiersorten auftauchen, ist vielleicht die Menschheit dazu programmiert, bestimmte Technologien zu entwickeln.« Er grinst. »Was die Frage angeht, worauf das alles hinausläuft, glaube ich, dass die Kommunikations- und Informationstechnologien so weitgehend vernetzt werden, dass eine Art Gehirn und Nervensystem entsteht, welches die gesamte Spezies umfasst. Es mag ein bisschen deterministisch klingen, doch wir haben genauso wenig Wahl, das zu tun oder zu lassen, wie Polypen in einem Korallenriff, Bienen in einem Bienenkorb oder Ameisen in einem Ameisenhaufen. Alles, was wir mit unserer Intelligenz tun können, ist nur, die Sache so zu programmieren, dass sie in eine Richtung verläuft, die uns das biologische Überleben ermöglicht.«

      Top-Vier-Cyberclans. Voller Mutanten, Menschen besonderen Erbguts, ist der amerikanische Westen heute schon, denn der typische Sozialcharakter, der seine Heimat verlässt, um eine neue zu finden, ist untypisch; wagemutiger und weniger angepasst als der zurückbleibende Rest. Ein Stück Himmel auf Erden zu realisieren, war zudem die erklärte Absicht der meisten, die in die Neue Welt strömten, der religiös oder politisch motivierten Einwanderer des siebzehnten, achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts, aber auch der Mehrheit derjenigen, die im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert ökonomische Freiheit suchten - Häretiker und Rebellen, steckbrieflich Gesuchte und Querulanten, Außenseiter und Einzelgänger. Die Ankömmlinge in der Neuen Welt waren daher, schreibt Timothy Leary, die »Mutanten«

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