Verlorene Zeiten?. Группа авторов

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      Haben Sie den Druck der Stasi auch privat zu spüren bekommen?

      Anfang 1990, nach der Wende, stellte ich fest, dass das private Telefon in unserer Wohnung immer mal wieder aussetzte. Da hab’ ich einen Techniker bestellt und gesagt: „Das muss mal repariert werden.“ Das hat er auch gemacht: Mit der Pinzette hat er so eine kleine Sache rausgeholt, mir hingelegt: „Das können sie behalten.“ Ich war die ganze Zeit abgehört worden, auch privat. Das hat natürlich dazu beigetragen, dass die Stasi hellhörig war, denn privat haben wir 12 uns oft über Dinge unterhalten, die nun nicht so regimefreundlich waren.

      Wie standen Sie während Ihrer Laufbahn allgemein zur DDR oder zum Sozialismus?

      Also, ich war ja Mitglied der SED. Bin im Jahre 1948 Mitglied geworden, noch während meiner Studienzeit, weil ich einfach der Meinung war, man darf nie wieder zulassen, dass ein solches Massenmorden begonnen wird wie im Zweiten Weltkrieg. Ich hatte das ja persönlich hautnah erleben müssen an der Oder-Neiße. Ich war ursprünglich überzeugt: Man kann im Sozialismus streben und tätig sein, den Menschen helfen, dass sie in Frieden, Glück und Wohlstand leben können. Ich war der Auffassung, man kann in diesem Staat nicht nur für den Frieden arbeiten, sondern auch in meinem Beruf als Stadtarchitekt so bauen, dass die Menschen sich wohl fühlen. Das war mein Ziel. Aber das wurde mir immer mehr verwehrt. Stattdessen dirigierte man mich immer mehr in Richtung Industrie- und Massenbauweise.

      „… diese öden, trostlosen Plattenbauten …“

      Wie sah Ihr Arbeitsalltag als Stadtarchitekt konkret aus?

      Wir bekamen praktisch die Auflage vom Ministerium für Bauwesen, im Planjahr soundsoviele Neubauwohnungen in Plattenbauweise zu errichten. Der Plan musste erfüllt werden, ob man wollte oder nicht. Die Altbausubstanz wurde vernachlässigt. Man hatte unter meiner Führung dann zwar doch die Altbaugebiete Brühl und Sonnenberg in Karl-Marx-Stadt zu sanieren begonnen, aber das war mit hohem ökonomischen Aufwand verbunden. Das nahm man mir übel und sagte, hier werden Baukapazitäten vergeudet, die woanders gebraucht werden, die im Wohnungsbau fehlten. Die wollten die Altbaugebiete abreißen und durch Plattenbauten ersetzen. Das war überall so in der DDR, nicht nur in unserer Stadt. Und dagegen hat man sich gemeinsam mit den Bewohnern aufgelehnt und gesagt: Es kann doch nicht sein, dass man die historische Altbausubstanz einfach wegreißt und durch diese öden, trostlosen Plattenbauten ersetzt.

      Zum einen gab es die Auflehnung gegen den Abriss historischer Altbauten. Andererseits wollten viele in einer Neubauwohnung wohnen.

      Die Neubauwohnungen waren sehr gefragt, natürlich. Da kam warmes Wasser aus der Wand, es gab Bäder, da war Fernwärmeversorgung, es gab einen Müllschlucker. Das war gegenüber den Altbauten mit Trockenabort auf halber Etage oder im Hof ein enormer Fortschritt. Viele kamen aus den maroden Altbaugebieten und suchten sich eine Wohnung in den Plattenbauten. Die logische Folge war, dass der Leerstand in den Altbaugebieten immer größer wurde. Und da hat man gesagt, das reißt man alles weg, da kommen auch Neubauwohnungen hin. Aber das Umfeld der Neubauten blieb oft eine Wüstenei. Beim Bau des ,Fritz Heckert‘-Gebietes zum Beispiel fehlte es an Tiefbaukapazität. Die Außenanlagen wurden nicht fertig, weil die Mittel einfach nicht da waren. Und die Bewohner der Plattenbauten mussten früh zur Arbeit durch Schlamm und Wüstenei waten. Jeder, der in der Stadt jemanden mit schmutzigen Schuhen sah, sagte sich: „Ach, der kommt wohl aus dem ,Fritz Heckert‘-Gebiet.“

      Hatten Sie als Architekt innerhalb der ganzen Vorgaben überhaupt die Möglichkeit, in irgendeiner Art und Weise kreativ zu sein?

      Nun ja, es gab Mangel an Geld und Mangel an Material. Kreativ konnte ich nur in der Zeit sein, als das Stadtzentrum wiederaufgebaut wurde. Dort konnte man zum Teil mit individuell gefertigten Typen arbeiten. Die Karl-Marx-Städter Stadthalle zum Beispiel, das war ein individuelles Projekt, wo man kreativ sein konnte. Es wurde in solchen Fällen eine bestimmte Summe bereitgestellt, etwa für die Gestaltung einer Stadthalle oder für den Aufbau eines Hotels. Damit konnte man versuchen, etwas zu bauen, was nicht aus vorgefertigten Elementen zusammengesetzt war, was man individuell gestalten konnte, und womit man auch der Stadt ein unverwechselbares Gesicht geben konnte.

      Wenn Sie mit den ,von oben‘ verordneten Vorgaben so häufig nicht einverstanden waren, warum haben Sie Ihren Beruf so lange ausgeübt?

      Ja, eigentlich habe ich ihn zu lange gemacht. Das könnte ich mir selber noch zum Vorwurf machen. Erst 1984 hab’ ich dann den Schlussstrich gezogen und gekündigt. Man hat mich nicht herausgeworfen, sondern ich bin gegangen. Einmal aufgrund des Drucks seitens der Staatssicherheit, da ich immer mehr bespitzelt wurde und mir mehr und mehr Schwierigkeiten bereitet wurden. Zum anderen wegen der unbefriedigenden Arbeitsweise, also auf diese Weise bauen zu müssen, obwohl ich mir selbst darüber im Klaren war, dass man so nicht bauen darf. Als mein Nachfolger wurde als Stadtarchitekt ein Tiefbau-Ingenieur bestimmt, der nach kurzer Zeit wieder entlassen werden musste.

      Und umgekehrt gefragt: Warum hat man Sie trotz Ihrer kritischen Haltung so lange in dieser Position belassen?

      Die Frage habe ich mir auch oft gestellt und kam zu der Überzeugung, man hätte keinen Besseren gefunden. (lacht) Es war ja so, dass der Wiederaufbau des Stadtzentrums und auch der Wohngebiete doch recht schwierig war. Mir war es gelungen, diese Schwierigkeiten immer wieder zu meistern. Selbst wenn Kapazitäten fehlten, wie etwa bei der Sanierung der Altbauwohnungen in Brühl, einem Stadtteil von Chemnitz. Der Brühlboulevard, der da entstanden war, wurde in der DDR ja hoch gelobt! Erich Honecker kam persönlich nach Karl-Marx-Stadt und ließ sich feiern von den Bewohnern, die begeistert waren von diesem Altbaugebiet. 13 Das veranlasste immer wieder Leute in der Bezirksleitung zu sagen: „Irgendwie hat der Beuchel doch die Menschen gewonnen für unsere Sache und unsere Stadt. Soll er halt weitermachen.“ Ich erhielt sogar den Architekturpreis der DDR für den Brühl. Die Bezirksleitung der SED und sicherlich auch das Ministerium für Staatssicherheit versuchten, das zu verhindern. Aber da ich gute Kontakte zur Bauakademie hatte, haben sich die Leute dort durchgesetzt beim Minister für Bauwesen, unserem ,Betonminister Junker‘. Ich merkte aber eben immer wieder, dass es Leute gab, die versuchten mir Steine in den Weg zu legen.

      „… bei dem Beuchel, da müsst ihr aufpassen.“

      Sie blieben aber trotz aller Einschränkungen in der SED?

      Ich muss ehrlich sagen, ich habe mich nicht durchringen können, mich von der Mitgliedschaft zu lösen. Man hätte mir dann ganz schnell Dinge nachreden können – das habe ich dann lieber nicht gemacht. Man hat mir aber immer wieder deutlich zu machen versucht, ich möge mich doch an das Statut der Partei halten und nicht gegen die Partei revolutionieren. Ich wurde jedenfalls mehr und mehr enttäuscht von dem, was ich mir anfangs unter der Mitgliedschaft in dieser Partei vorgestellt hatte.

      Ungeachtet aller Schwierigkeiten haben Sie immer wieder Kritik geübt und haben nicht resigniert?

      Nein, ich war immer aufmüpfig (lacht). Ich bin dann nach meiner Kündigung zum Kombinat Bau und Rekonstruktion nach Karl-Marx-Stadt gegangen. Das war der Hauptauftragnehmer bei der Rekonstruktion des Altbaugebietes Sonnenberg. Mit denen hatte ich gut zusammengearbeitet, man war erfreut, dass ich dort anfangen wollte und gab mir den Auftrag, eine Planungsabteilung zu installieren und die gesamte Projektierung, Planung und Vorbereitung für die Umgestaltung des innerstädtischen Altstadtgebietes im eigenen Kombinat zu bewältigen, was erfolgreich abgeschlossen wurde.

      Wusste Ihr neuer Arbeitsgeber über Ihre Probleme mit der Stasi Bescheid?

      Die wussten Bescheid, also ganz in Ruhe gelassen wurde ich trotzdem nicht. Eines Tages kam der Parteisekretär zu mir: „Ich muss dir mal was sagen, da sind Leute hier gewesen, die haben sich nach dir erkundigt“. Ich fragte, was sie wollten. „Na, das waren

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