Schwertmeister der Magie: Drei Fantasy Sagas auf 2500 Seiten. Alfred Bekker
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Erst spät am Abend kehrte Nhorich zurück. Inzwischen hatte es zu regnen begonnen, und ein kräftiger Sturmwind wehte von der See her, der die ohnehin windschiefen Bäume in seine Richtung bog, und hier und dort knackten Äste und brachen ab.
Nhorich war sehr schweigsam, und Gorian bemerkte eine Wunde an seiner rechten Hand, die wie eine Brandverletzung aussah. Nhorich beantwortete zunächst keine von Gorians Fragen. Stattdessen wies er den Orxanier Gaerth und Beliak den Adh an, in der Nähe zwei Gruben zu schaufeln, wie man sie nach den Bräuchen der Kirche des Verborgenen Gottes für eine Totenbestattung auszuheben pflegte. Er selbst wandte sich den Überresten der beiden Schattenkrieger zu. Der ascheartige Staub war aufgrund des schmelzenden Schnees bereits in den Boden gesickert.
Gorian beobachtete seinen Vater, wie dieser ein Ritual vorbereitete, das offenbar zum Geheimwissen des Ordens gehörte. Er streute ein weißes Pulver über die Stellen, an denen die Schattenkrieger vernichtet worden waren. Dazu sprach er ein paar Worte in der alten Sprache Nemoriens, in der viele magische Formeln und auch die Schriften über Ursprung und Gebrauch der Alten Kraft verfasst waren. Auf der Ordensburg gehörte die nemorische Sprache und Schrift zu den wichtigsten Dingen, die ein Neuling zu lernen hatte, aber angeblich war beides so kompliziert, dass selbst viele Meister nur Grundkenntnisse vorweisen konnten. Zumindest galt dies für die Schwertmeister, denn bei den Magiemeistern des Ordens spielte Nemorisch als Sprache der Magie eine extrem wichtige Rolle.
Der dunkle Staub, der von den Schattenkriegern geblieben war, glühte kurz grell auf. Danach füllte Nhorich die Überreste der beiden Schattenreiter jeweils in einen irdenen Krug, steckte auch die beiden Ringe der Schwertmeister in die Krüge und vergrub diese in den von Gaerth und Beliak ausgehobenen Erdlöchern.
„Stimmt es, dass sie einst Schwertmeister des Ordens waren?“, fragte ihn Gorian später.
Nhorich nickte. „Das waren sie – auch wenn es schon fast ein Jahrhundert her ist, dass sie gegen die Horden Morygors kämpften. Damals gab es ein Bündnis zwischen dem Kaiser, den Orxaniern, den Königen von Torheim und den freien Kapitänen der Torlinger Inseln. Aber auch deren vereinte Kräfte konnten die Ausbreitung des Übels nicht aufhalten. Es kostete den Orden fast alle seine Schwertmeister und wäre beinahe sein Ende gewesen.“ Nhorich lachte heiser auf. „Der nachfolgende Kaiser erließ das Gesetz, dass von dieser Niederlage nicht mehr gesprochen werden darf, und dieses Verbot ist bis heute offiziell in Kraft.“
„So schlimm war es?“
Nhorich nickte. „Die Berichte der Überlebenden werden in der Ordensburg aufbewahrt, denn innerhalb ihrer Mauern haben die Gesetze des Kaisers nur bedingte Gültigkeit.“ Er atmete tief durch, was für Gorians Ohren fast wie ein Stoßseufzer klang, und fügte hinzu: „Diese Schwertmeister hier hätten ein würdiges Begräbnis verdient, wie es ihnen seit hundert Jahren verwehrt wurde – seit sie gezwungen wurden, Morygor als Schattenkrieger zu dienen, der durch die verbotene Magie, der er sich bedient, schon seit langem selbst ein untotes Monstrum ist. Wie sonst könnte er sich an einem Ort wie der Frostfeste wohlfühlen.“ Er sah Gorian an, und der Junge erwiderte den Blick seines Vaters. „Alle, die in den Einflussbereich Morygors geraten, verändern sich; sie werden zu Wesen, die nicht lebendig und nicht tot sind – oder zu Schatten. Ohne freien Willen, ohne Liebe, ohne Gewissen – Marionetten des Bösen, die der Herr der Frostfeste an seinen unsichtbaren Fäden führt.“
„So wie dieser Gargoyle – Ar-Don?“, fragte Gorian.
„So ähnlich – aber Ar-Dons Geschichte hat ein paar Besonderheiten“
„Was für Besonderheiten?“
„Später.“
„Nein, ich will es jetzt erfahren! Ich weiß, dass es irgendetwas mit mir zu tun hat. Ich weiß, dass es einen Grund dafür geben muss, dass Morygor ausgerechnet mich töten will und dazu eine Bestie wie diesen Gargoyle aussandte! Und wahrscheinlich könnte es jederzeit wieder geschehen.“
„Nein“, widersprach Nhorich, „in den nächsten Jahren wird sehr wahrscheinlich nichts in dieser Richtung geschehen, nachdem dieser Versuch, dich zu töten, gescheitert ist. Dieser Moment, da dein Tod Morygor nützen würde, ist ungenutzt verstrichen.“
„Wer war Domrich?“
„Nicht hier, mein Sohn, und nicht jetzt.“
„Wann dann?“
„Ich werde morgen mit dir ausreiten. Und dann werde ich dir alles erzählen. Alles, was du wissen musst.“
––––––––
Am nächsten Tag sattelten sie die Pferde. Das Wetter war wieder milder geworden. Zwar stand das Wasser teils noch knöcheltief auf den Wiesen, aber nirgends lag mehr Schnee, und selbst der Dunst über dem Meer hatte sich verzogen. Zeitweilig schien sogar die Sonne, und fast konnte man den Eindruck gewinnen, dass das Frostreich einen plötzlichen Vorstoß sehr weit in den Süden unternommen und sich seine Kälte danach wieder aus diesem Landstrich zurückgezogen hatte.
Gorian und sein Vater waren lange unterwegs. Die Pferde dampften förmlich. Am frühen Nachmittag erreichten sie ein Waldstück irgendwo in dem unwegsamen Gebiet im Landesinneren zwischen Twixlum und der Mündung des Seg und nördlich der Straße zur Brücke von Segantia, über die der südlichere Weg nach Estrigge führte.
Die ganze Zeit über wartete Gorian darauf, dass sein Vater ihn in die Geheimnisse einweihen würde, die hinter all den seltsamen Geschehnissen steckten. Aber Nhorich schwieg.
Schließlich gelangten sie in einen Teil des Waldes, der sehr dicht und dunkel war. Die Bäume, die an dieser Stelle wuchsen, waren von seltsam verwachsener Art. Viele sahen aus, als wären sie von Blitzen gespalten worden, und das mehrfach in ihrer Wachstumsgeschichte. Farnähnliche Gewächse, wie Gorian sie noch nie zuvor gesehen hatte, ragten bis zu den Baumkronen empor, und höchst fremdartige Tierschreie erfüllten den Wald. Obwohl Gorian ausgedehnte Streifzüge in der Umgebung unternommen hatte, war er dabei nie in diese Gegend gelangt.
Sein Pferd scheute mehrfach, so als fürchtete es sich davor, weiter in dieses Gebiet vorzudringen, und nachdem es sich auf die Hinterhand gestellt und Gorian beinahe abgeworfen hatte, sah sich Nhorich gezwungen, das Tier mit einer magischen Formel unter Kontrolle zu bringen.
„Die Schwertmeister beruhigen damit ihre Schlachtrösser, bevor sie in den Kampf ziehen“, erklärte er seinem Sohn. „Du wirst diese Formel auch lernen, wenn du möchtest.“
„Ich will alles lernen, was es zu lernen gibt“, erwiderte Gorian forsch.
„Du wirst noch erkennen, dass manches Wissen zum falschen Zeitpunkt eher schadet als nützt.“
„Aber ist nicht Unwissenheit der größte Feind?“
Ein Lächeln huschte über Nhorichs Gesicht. „Du hast in den Axiomen der Ordensmeister gelesen“, stellte er fest.
„Das Buch war bei den Sachen auf dem Speicher.“
Etwas später erreichten sie eine Lichtung.