Mein Leben - Meine Musik. John Fogerty
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Merle Haggard ist auch einer jener Musiker, die damals wie heute – also viele Jahre später – einen starken Einfluss auf mich haben. Ich glaube, es liegt schon mal an seiner unglaublichen Stimme. Allerdings hat er im Laufe der Jahre auch einfach sehr viele gute Platten gemacht. Auch sein Songwriting spielt eine Rolle. Merle verfügt über eine solch nachdenkliche, intelligente, bescheidene, lebenslustige und raubeinige Sicht der Dinge! Er ist ein wahrer Gigant der Musik. Es dürfte auch kein Zufall sein, dass so viele dieser Jungs begnadete Songwriter waren und sind.
Als Teenager hörte ich schrecklich viel Buck Owens im Radio. Songs wie „Tiger by the Tail“, „Together Again“ oder „Crying Time“ waren sehr wichtig für mich. Dieses Näseln, diese Energie. Und Don Rich mit seiner Telecaster. Als die Beatles „Act Naturally“ von Buck Owens coverten, überraschte mich das nicht. George Harrisons ganzer Spielstil, sein Hybrid-Spiel mit den Fingern, diese Zupf- und Schlagtechnik – das alles war vom Country inspiriert. Hört euch nur mal „Help!“ an.
Ich traf Buck eigentlich erst irgendwann in den Achtzigerjahren, und zwar im Rahmen der Bay Area Music Awards (auch „Bammies“ genannt). Er trug eine Art Country-Sportjacke und einen Cowboyhut. Wir freundeten uns schließlich an, er überließ mir sogar eine seiner in Rot, Weiß und Blau gehaltenen Gitarren. Allerdings traf er bei mir so richtig den Nerv, als er mich irgendwann wissen ließ, dass Don Rich ein großer Fan von Creedence war.
Während ich mich mit Blues, Rock und Country beschäftigte, kam im Verlauf der Fünfzigerjahre der Folk-Boom – manch einer sprach auch von einer Bedrohung – immer mehr auf Touren, obwohl dies alles sogar schon vor den Weavers oder Pete Seeger seinen Ausgang genommen hatte. Zuerst köchelte die Szene in den Cafés vor sich hin, bis schließlich das Kingston Trio 1958 mit „Tom Dooley“ einen veritablen Hit verzeichnen konnte. Von da an ging die Sache richtig ab. Es folgten eine Reihe von Folk-Hits, was wiederum zu eigenen Festivals führte – und meine Mom war so nett, mich dorthin zu fahren. Als ich sie später fragte, warum sie nicht auch meinen älteren Bruder Tom mitnahm, meinte sie: „Ach, der hatte keine Lust.“ Ich befand mich damals einfach im richtigen Alter, nämlich zwölf, wohingegen Tom bereits 16 war und sich für Mädels und Autos begeisterte. Ich war jedoch ernst.
Die Folk-Festivals auf dem Campus der UC Berkeley wurden von meinem wunderbaren Gitarrenlehrer Barry Olivier veranstaltet. Dort sah ich Pete Seeger, Jesse Fuller, Mance Lipscomb, Lightnin’ Hopkins, Sam Hinton und Alan Lomax. Dies waren aber nicht einfach nur Konzerte: Es war eine Art Ausbildung. Ich war ganz hin und weg. Diese Folk-Festivals waren enorm ergiebig für mich und wie ein Fundament. Und nicht nur in Sachen Musik. Ich bin überzeugt, dass Folk viel mit meinen Überzeugungen davon verknüpft ist, wie die Welt funktionieren sollte. Tagsüber wurde bei diesen Folk-Veranstaltungen eine Reihe von Workshops angeboten. Pete Seeger referierte dort etwa über seinen Banjo-Stil oder dass Blues-Musiker wie Lead Belly Gitarren von Stella mochten, weil sie so robust gefertigt waren. Pete sprach mit einer solchen Leidenschaft und war voller Verehrung. Außerdem hatte er Filmmaterial dabei! Von Lead Belly! Oh, mein Gott, ich durfte Lead Belly sehen, wie er auf dieser alten zwölfsaitigen Stella spielte, und fünf Minuten später griff sich Pete ebenfalls eine Stella, präparierte seine Finger und spielte „Midnight Special“.„Goodnight Irene“ hatte ich schon als kleiner Junge gehört, als es meine Mom sang. Einen Film zu sehen, in dem Lead Belly es performte – nun, es klang wie das, was ich aus dem Radio kannte! Es war wie Muddy Waters oder Howlin’ Wolf, nur dass diese Jungs über Schlagzeug und E-Gitarren verfügten. Doch bei diesen Folk-Veranstaltungen war es beinahe verpönt, darüber zu sprechen. Ich begriff, dass es eine Folk-Polizei gab. Kommerzielle Musik wurde abgelehnt. Nach „Tom Dooley“ zerrissen sich etwa alle das Maul über das Kingston Trio: „Wer sind sie denn schon? Nur ein paar Kids vom College. Die haben sicher nie Baumwolle gepflückt!“ Dabei hatten sie doch nur einen Song neu arrangiert und interpretiert. Was sollte daran denn bitte so schlimm sein? Hatte Lead Belly nicht etwa dasselbe mit „Midnight Special“ getan? Die Folk-Puristen lebten einfach in ihrer eigenen kleinen Welt, in der Leute wie Gene Krupa keinen Platz fanden. Lightnin’ Hopkins war live unglaublich. Er hatte einen Riesenhit mit „Mojo Hand“ – auch eine der coolsten Scheiben überhaupt. Seiner Musik haftete dieses Geheimnisvolle, Verbotene, Kultige an, das dem weißen Mann grundsätzlich verschlossen blieb. Ich war also aufmerksam und versuchte, es zu begreifen. Eine mojo hand war in Wirklichkeit eine Affenpfote. Wow! Ich traf Lightnin’ Hopkins sogar und unterhielt mich mit ihm – ein paar Minuten, nachdem ich Pete Seeger auf demselben Festival kennengelernt hatte. Er war jedenfalls sehr liebenswürdig. Als ich ihm ein Stück Papier und einen Kugelschreiber überreichte, damit er mir sein Autogramm gab, schrieb er ein krakeliges X. Wenn ich ein Erwachsener gewesen wäre, hätte er meinen Wunsch sicher abgelehnt, um nicht preisgeben zu müssen, dass er nicht schreiben konnte. Dieses Stück Papier bewahrte ich lange Zeit in meiner Sockenschublade auf, bis es irgendwann verschwand. Allerdings bin ich der Meinung, dass die Erinnerung daran tatsächlich besser ist als das eigentliche Stück Papier. Immerhin hatte ich Lightnin’ Hopkins getroffen.
Pete Seeger war der beste Entertainer, den ich je erleben durfte, und außerdem ein unglaublicher Musiker! Wenn er eine Geschichte erzählte, dann bewegte er seinen hageren Körper hin und her. Und wenn aus seinem Mund „Michael, row the boat ashore …“ erklang, dann befand man sich gemeinsam mit Pete in ebendiesem Boot. Dann brachte er das Publikum noch dazu, ihn dreistimmig zu begleiten. Man dachte sich anschließend: „Verdammt, wie haben wir das alle nur eine ganze Stunde lang hinbekommen?“ Ich habe nie einen anderen erlebt, der das vermocht hätte. Keinen einzigen. Ich hab es ja selbst ein paar Mal versucht! Ich habe Frank, Sammy, Dino, Elvis und wie sie alle heißen gesehen – aber Pete Seeger verfügte über eine ganz besondere Qualität als Entertainer. Pure Magie! Es war authentisch und ging ihm mühelos von der Hand.
Ungefähr zu dieser Zeit, als ich ihn live sah, musste Peter vor dem Komitee für unamerikanische Umtriebe erscheinen. Er stellte sich seinen Angreifern aber entgegen und ließ sie wissen: „Ich habe das Recht auf meine Überzeugungen.“ Und diese Art von Haltung und Gesinnung wurde auch durch seine Musik befördert. So erreichte er die Leute viel besser als mit flammenden Appellen, was vor allem auf unbedarfte Kids wie mich zutraf. Da gab es also Menschen, die für eine Überzeugung eintraten und sogar starben, die Gutes für mich bewirken würde? Und wenn nicht genug Leute dafür einträten, würde ich nicht in Freiheit leben können? Das sprach mich alles sehr an. Ich liebte Pete und lernte so viel von ihm. Er spielte gerne Songs, die Botschaften vermittelten, doch verlor er auch nie aus den Augen, dass es auch darum ging, einfach miteinander zu singen und Spaß zu haben.
Was Folk-Musik betraf, so konnte man aus einem großen Repertoire schöpfen, und beileibe nicht alles war durchtränkt von Traurigkeit.
Aber obwohl ich auf Rock ’n’ Roll abfuhr, saugte ich auch diese Musikrichtung auf und fuhr total darauf ab. Auch wenn es mir damals nicht bewusst war, hat mich Pete mehr beeinflusst als die ganzen Rock ’n’ Roller.
Folk, Rock, Blues, Country – ich machte da keine Unterschiede. Ich war jung und für alles offen. So wollte ich auch etwa später einmal „Both Sides Now“ von Joni Mitchell mit Creedence covern. Ich liebte diese Nummer und dachte mir: „Mann, in meinem Stil und mit einer Rock ’n’ Roll-Band würde das sicher cool klingen.“ Leider wurde nichts daraus.
Ich bin auch heute noch so. Sobald ich einmal loslege, kann man mich nur mehr schwer bremsen. Ich habe noch gar nicht Songs wie „The Slummer the Slum“ von den 5 Royales oder „I Confess“ von den Four Rivers erwähnt. Letzteren coverte ich in den Achtzigerjahren, obwohl ich auf eine tiefere Tonart zurückgreifen musste. Nur Wahnsinnige kennen diese Nummer – und, jawohl, ich bin so