Mein Leben - Meine Musik. John Fogerty
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Der Bandname, das Label, das Plattencover, der Sound und die Abfolge der Songs – all diese kleinen Details waren mir sehr wichtig. Ein Album wurde durch diese Dinge nur noch mysteriöser für mich. Es fesselte einen und offenbarte sich schrittweise. Das ist etwas, was ich heutzutage an der Musik vermisse.
Das bringt mich zum Unterricht von Mrs. Starck. In der siebten und achten Klasse, als ich die Portola Junior High besuchte, belegte ich nämlich einen Kurs für Musikliebhaber bei eben jener Dame. Ihre Stunden umfasste Musikgeschichte, und auch Instrumente – in erster Linie Rhythmusinstrumente – kamen zum Einsatz. Ich war ein großer Fan dieser Stunden. Mrs. Starck hatte ihre Haare zu einem Zopf gebunden und trug Perlen. Sie hatte etwas von einem Beatnik und war hinreißend. Wir lernten etwas über Mozart und Beethoven, wobei mich der Umstand, dass Beethoven taub war, schwer faszinierte. Sogar Boogie-Woogie – Meade Lux Lewis, Albert Ammons und solche Leute – kamen in ihrem Unterricht zur Sprache. Mrs. Starck begegnete all diesen Themen mit großer Ernsthaftigkeit. Für sie war alles echte Musik, und Boogie-Woogie durfte ruhig im selben Atemzug mit Beethoven genannt werden. Das war richtig cool. Wir erfuhren sogar ein wenig über das Musikbusiness, etwa über die Bedeutung von Verträgen und dass diese oft unfair waren. Da hätte ich wohl ein bisschen besser aufpassen sollen.
Eines Tages wandte sich Mrs. Starck an mich: „John, du sammelst doch Schallplatten. Warum bringst du nicht ein paar von deinen Favoriten mit, damit wir sie uns anhören können und du uns erklären kannst, warum sie dir gefallen.“ Ich fand das so cool von ihr. In der nächsten Musikstunde spielte ich der Klasse „I’m Walkin’“ von Fats Domino vor. Ich liebte Fats, und es gefiel mir ungemein, wie sich dieser Song einfach seine Zeit zu nehmen schien. Außerdem brachte ich noch „Boppin’ the Blues“ von Carl Perkins mit. Möglicherweise auch „Henrietta“.
Mrs. Starck war sehr tolerant und eine große Inspiration. Statt mich daran zu hindern, am Klavier Rock ’n’ Roll zu spielen – und ich bin mir sicher, dass das damals noch ziemlich abscheulich klang ‒, ermutigte sie mich und vermittelte mir das Gefühl, dies sei die coolste Sache auf der Welt.
Am Ende des Schultages hatten wir üblicherweise Sportunterricht, der ganz in der Nähe ihres Klassenzimmers stattfand. Also stahl ich mich eines Tages aus dem Turnsaal davon, um mich ins Musikzimmer zu schleichen. Das war in der achten Klasse. Ich weiß nicht, woher ich die Chuzpe nahm, aber ich setzte mich ans Klavier und spielte einfach drauflos. Ich bin nämlich eigentlich ein sehr scheuer Typ. Plötzlich umstanden mich ein paar Kids. Ich spielte einige Sachen, die ich mir zu Hause beigebracht hatte: „Do You Want to Dance“ und eine paar Instrumentalstücke, die ich auf den schwarzen Tasten in Fis spielte. Das erinnerte an eine Art bluesigen Boogie-Woogie. Nachdem sich das ein paar Tage hintereinander wiederholt hatte, trat ich bereits vor einem richtigen kleinen Publikum auf. Eines Tages kreuzte auch Doug Clifford auf. Er ließ mich wissen, dass er Schlagzeug spiele und sogar seine eigene Ausrüstung besitze, weshalb wir vereinbarten, uns zusammenzutun.
Als ich schließlich bei ihm vorbeikam, stand da eine Snare-Drum auf einem Blumentopfständer und daneben ein einzelnes Becken. Das war alles. Ein wenig später organisierte sich Doug noch eine Hi-Hat von einem gewissen Rich Knapp, der das Ding im Werkunterricht angefertigt hatte. Das Ding mochte zwar selbst gebastelt sein, doch es funktionierte. Und so begannen wir, gemeinsam zu musizieren – ich mit meiner kleinen Gitarre und meinem Verstärker und Doug mit seiner Blumentopf-Trommel und dem Becken.
ICH ERINNERE MICH NOCH an einen Ausflug mit meinem Vater nach Montana im Sommer nach der neunten Klasse. Ich hatte meine Gitarre, eine Silvertone, mit dabei und spielte auf dem Rücksitz des Autos vor mich hin. Ich versuchte mich an „Red River Valley“ in einer Moll-Tonart, wodurch es ein wenig bluesiger oder folkiger klang. Auch meinem Dad fiel das auf. Es war so verdammt heiß, dass das Kunststoff-Griffbrett der Gitarre sich aufwölbte wie eine schmelzende Kerze. Es müssen über 40 Grad gewesen sein, aber mir war das egal. Ich hatte meine Gitarre und befand mich in einer Zauberwelt, in der ich einem geheimen Schamanen-Pfad folgte. Anders kann ich das gar nicht beschreiben. Heute habe ich genau die gleiche Verbindung zur Musik. Ich hatte schon bei meiner Geburt ein Liedchen auf den Lippen. Ich wollte mich musikalisch ausdrücken und wusste, dass ich mich sonst nicht komplett fühlen würde.
Die erste Gitarre, die wir zu Hause hatten, war eine alte Stella, die stabil wie ein ’48er Ford gebaut war. Wir Jungs spielten gerne im Haus Baseball, und die Stella war unser Schläger! Allerdings weiß ich nicht, ob sie meinem Dad oder meiner Mom gehörte, weil sie niemand spielte. Mein Dad dürfte ein paar Griffe gekannt haben, doch als ich mich ernsthaft dafür zu interessieren begann, war er schon seit Jahren außer Haus.
Meine Mom und ich nahmen die akustische Stella zu den Gitarrenstunden bei Barry Olivier mit und spielten abwechselnd darauf. Barry schlug uns jedoch eine Gitarre mit Nylon-Saiten vor, was tatsächlich besser für uns war. Der Gruppenunterricht, an dem außer mir nur Erwachsene teilnahmen, umfasste ungefähr zwei Mal sechs Wochen und erwies sich als Gottesgeschenk. Barry war ein so charismatischer Mensch und generell sehr aufrichtig. Und ich war wie ein Schwamm, der alles aufsaugte.
Entweder meine Mom oder Barry empfahlen mir, mir ein Exemplar von The Burl Ives Song Book zu besorgen. Ganz hinten waren eine Reihe von Akkorden grafisch dargestellt. Das half immens weiter. Eines Abends, als wir zu unserer Folk-Gitarrenstunde fuhren, war auch mein jüngerer Bruder Dan bei uns im Wagen. Ich spielte „S & J Blues“ auf der Gitarre, und Dan sagte: „Wow, du spielst ja wie ein Profi.“
Zu Hause hatten wir auch ein altes Klavier, auf dem ich selbstverständlich auch herumhämmerte. Mann, war das Ding verstimmt! Manchmal drückte ich Reißzwecken in die kleinen Hämmer, damit es sich mehr nach Honky-Tonk anhörte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendein Jugendlicher dafür heute noch die Geduld aufbrächte. Wir besaßen den Bob-Fina-Song „Bumble Boogie“ auf 78er-Single. Ich spielte diese Platte allerdings gerne langsamer ab, um so herauszufinden, was Bob Fina da genau spielte. So lernte ich schrittweise, dass da ein System dahintersteckte. Ich ließ einfach nicht locker, bis ich selbst eine präsentable Version von „Bumble Boogie“ spielen konnte. Vermutlich setzte ich mich zu Highschool-Zeiten noch am intensivsten mit dem Klavier auseinander. Ich ging der Sache aber nie wirklich ernsthaft nach und wurde nie wirklich gut an Keyboards, obwohl ich immerhin „Great Balls of Fire“ und „Whole Lot of Shakin’ Going On“ draufhatte. Das Intro zu dieser Nummer ist immer noch einer coolsten Klavier-Parts, die es gibt.
Der Jazz-Pianist Earl Grant trat um 1958 mit einer Version von „Fever“ im Fernsehen auf, woraufhin ich mir die Single kaufte. Auch Little Willie John und Peggy Lee hatten den Song schon aufgenommen, doch auf dem Klavier klang er nicht weniger frisch als etwa „What’d I Say“ oder „Whole Lot of Shakin’“. Die Nummer startete mit einem richtig coolen Riff, und als die Performance vorüber war, setzte ich mich ans Klavier, um den Song nachzuspielen – so gut ich das eben konnte. Ich wusste nicht, in welcher Tonart Earl Grant „Fever“ interpretiert hatte, doch hielt ich mich in erster Linie an die schwarzen Tasten, vermutlich in H- oder Fis-Dur. Um zwischen zwei Töne zu kommen, schlug er zwei verschiedene Töne an – einen Triller oder so. Das war alles neu für mich. „Fever“ bescherte mir zweifelsohne orgasmische musikalische Freuden! Eineinhalb Stunden lang spielte ich den Song immer und immer wieder, bis ich ihn total ausgereizt hatte. Ich schwebte in völlig anderen Sphären.
Heutzutage kann ein Jugendlicher solche Sounds einfach auf dem Computer erzeugen, aber damals, in der analogen Welt, musste man eben einfach irgendwie anders dahinterkommen. Früher Rock ’n’ Roll war, was die Gitarre angeht, oft so einfach gestrickt, dass man sich die Songs selbst beibringen konnte. Ich lernte anhand von Schallplatten auch, wie Bands zusammenspielten, wie ihre Musik arrangiert