Rave On. Matthew Collin

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Rave On - Matthew Collin

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Wizard im Lokalradio seinen wirren, von schnellen Übergängen geprägten DJ-Stil. Ab 1987 konnte die Detroiter Hörerschaft auch die Radioshow Fast Forward empfangen, in der Techno ebenso wie Electronic Body Music von Bands wie Front 242 und Skinny Puppy, Acid House, belgischer New Beat sowie britischer Indie-Dance über den Äther ging. Moderiert wurde die Sendung von Alan Oldham, der außerdem für das ikonische Artwork im Graphic-Novel-Stil verantwortlich zeichnete, das die Veröffentlichungen vieler Techno-Labels der Stadt zierte. Zudem sollte er unter dem Pseudonym T-1000 auch als Underground-Resistance-DJ in Erscheinung treten.

      So wie The Electrifying Mojo zeigten die Detroiter Techno-Pioniere wenig Respekt vor den traditionellen ethnischen Grenzen der amerikanischen Popkultur. „Ich erinnere mich an einen Interviewer, der mich fragte, was all dies inspiriert hätte. Ich erwähnte dann Gruppen wie Ultravox und Visage. Er war ganz perplex, dass ich wusste, wer Midge Ure, Steve Strange und Gary Numan waren. Als ich ihm erklärte, welch hohen Stellenwert Depeche Mode in der hiesigen schwarzen Community genossen, war er richtig schockiert! Aber für uns war das ganz normal“, berichtet May. „Wir wussten ja nicht, dass wir nicht auf diesen Shit abfahren durften. Niemand hatte uns wissen lassen, dass wir nicht zuerst George Clinton abfeiern, dann den Hebel umlegen und Visage hören konnten. Keiner sagte: ‚Du darfst dir nicht „Fade to Grey“ anhören, du Motherfucker.‘ Wir wussten ja nicht, dass wir uns nicht die Cocteau Twins, Echo & the Bunnymen oder ‚Bela Lugosi’s Dead‘ von Bauhaus anhören durften.“

      Auch Kraftwerk hatten ihren Platz im UR-Museum: Ihr Album Man-Machine (deutscher Titel: Menschmaschine) war neben einer Platte von Funkadelic platziert. Der Aufstieg des Techno sowie die stetigen Ehrerbietungen, die ihnen Atkins, May und Saunderson erwiesen, festigte den Ruf der Deutschen als Innovatoren. Die nahmen das dankbar zur Kenntnis. „Ralf Hütter saß vor zehn Jahren genau hier, wo wir jetzt sitzen, und bedankte sich bei mir“, erinnerte sich May, als wir uns in seinem Studio unterhielten.

      Hütter berichtete ebenfalls emotional von seinen Treffen mit May und Atkins in Detroit sowie der Bewunderung der Düsseldorfer Formation für die musikalische Ästhetik der amerikanischen Stadt. „Zwischen dem industriellen Sound der Motor City und Kraftwerk auf der Autobahn besteht eine spirituelle Verbindung. Automatische Rhythmen, robotergesteuerte Arbeitsvorgänge und roboterhafte Musik – alle möglichen Fantasien sind hier am Werk“, sagte er.6

      Doch die Vorstellung, dass Kraftwerk die unumstrittenen Paten des Techno sind, entspricht wohl kaum der ganzen Wahrheit. Der musikalische Afrofuturismus von Musikern wie Herbie Hancock, George Clinton, Stevie Wonder und all den anderen, die in den Siebziger- und Achtzigerjahren den Weg für den Einsatz elektronischer Texturen, synthetisch generierter Bassläufe und rhythmischer Technologien bereiteten, spielte eine nicht minder prägnante Rolle dabei, der elektronischen Tanzmusik eine breite Palette an Möglichkeiten bereitzustellen.

      Weitere Schlüsselfaktoren stellten House und Disco dar – synthetische Italo-Disco und europäische Electro-Pop-Grooves ebenso wie amerikanische Klassiker des Genres. Aufgrund der elegischen Akkordabfolgen und wehmütigen Melodien, die Detroit Techno mitunter aufwies, wurde er zuweilen als rein schwelgerische Mucke interpretiert, obwohl viele dieser ursprünglichen Tracks hart pumpenden Maschinen-Funk boten, der für den Dancefloor prädestiniert zu sein schien. Deshalb wurden Nummern wie Mays „Nude Photo“ oder Saundersons „The Sound“ auch zu Hymnen in britischen Clubs wie dem Haçienda. Auch Detroit besaß in den Achtzigerjahren eine pulsierende Disco- und House-Szene mit DJs wie dem leider verstorbenen Ken Collier, der im Gay-Club Heaven auflegte. Er war ein zentraler Szeneheld, der dabei behilflich war, ein paar der frühen Platten von Was (Not Was) zu remixen, und als Detroiter Antwort auf Ikonen wie Frankie Knuckles oder Larry Levan galt. „Wenn man als Detroiter auf Dance-Music abfuhr, konnte man die nur in den Gay-Clubs hören. Also bin ich dorthin gegangen“, erinnert sich May. Als ich Ken Collier zum ersten Mal in den späten Achtzigern in Detroit auftreten sah, vermengte er New Yorker Garage-Stücke von Adeva und Paul Simpson mit Sounds seiner jungen Kollegen aus der aufstrebenden Techno-Szene. Sie waren damals alle noch Teil ein und derselben Geschichte.

      Der Detroiter DJ Carlos Souffront erinnert sich daran, wie sich seine Welt veränderte, als er sich als ängstlicher schwuler Teenager zum ersten Mal in Colliers Club traute. „Als ich das Heaven fand, war das fast zu viel für mich“, erzählt Souffront. „Es war beängstigend, da ich noch nicht so weit war, mich zu outen. Allerdings war ich begeistert von der Musik und der Energie des Publikums und seiner totalen Hingabe. Das fand ich inspirierend. Auf mich wirkte es wie ein Kollektiv aller möglichen Außenseiter. Alle nur denkbaren an den Rand gedrängten Leute versammelten sich dort. Ich habe mich schon immer als Außenseiter gefühlt – doch hier wollte ich sofort mit dabei sein.“

      Die Clubkultur hatte einen emanzipatorischen Effekt auf die jungen Techno-Produzenten. Saunderson war begeistert, Larry Levan in der Paradise Garage in New York zu erleben, wohingegen May von Ron Hardy in der Music Box und Frankie Knuckles im Chicagoer Power Plant eingeführt wurden. „Diese Vision, einen Moment so euphorisch zu gestalten, veränderte mich“, staunte May ob Knuckles’ Kontrolle über seine Jüngerschaft.7

      Der erfahrene Chicagoer DJ Knuckles adoptierte den hyperaktiven jungen Detroiter May als sein musikalisches Mündel. Indem May Knuckles einen gebrauchten Roland-Trommelsynthesizer verkaufte, zementierte er die kreative Verbindung zwischen den beiden Metropolen. Auf ebendiese griff Knuckles zurück, um die gefühlvolle Hymne „Your Love“ mit Jamie Principle aufzunehmen und die Grooves im Power Plant, seiner neuen Heimat nach dem Abschied aus dem Warehouse, aufzufetten. „Im Verlauf der Woche programmierte ich unterschiedliche Muster, um sie dann über den Abend hinweg zum Einsatz zu bringen, abhängig vom Song auch live daruntergelegt oder als Überleitung“, erinnerte sich Knuckles später.8 Manchmal hört man auch, dass Knuckles seinen gebrauchten Roland an ein paar der frühen Chicagoer House-Produzenten verlieh, damit diese ihre ungestümen DIY-Tracks aufnehmen konnten.

      Die Entscheidung des Detroiter Trios, ihre Musik „Techno“ zu taufen und dadurch den Sound der Belleville Three von all den anderen Formen elektronischer Tanzmusik, die damals die Szene belebten, deutlich abzuheben, war zum Teil von Alvin Tofflers 1980 erschienenem Buch Die Dritte Welle beeinflusst. Darin postulierte der Zukunftsforscher seine Vision einer technologischen Revolution, die von einer neuen Generation von „Techno-Rebellen“ angeführt wird, welche den Fortschritt der Menschheit in Richtung „einer neuen Stufe der Zivilisation“ vorantreiben würden. Unbeabsichtigt prophezeite er darin, dass die Musiker der Electronic-Dance-Ära billiges Equipment besonders kreativ zum Einsatz bringen würden. „Die Techno-Rebellen stellen in Abrede, dass Technologie groß, kostspielig oder komplex sein muss, um ‚ausgeklügelt‘ zu sein“, schrieb er.9

      Ihrem Sound einen eigenen Namen zu geben, war ein cleverer Schachzug, der sicherstellte, dass die Belleville Three als historische Schöpfer eines neuen Genres wahrgenommen wurden – und nicht nur als ein paar weitere amerikanische House-Typen, die auf Krafwerk standen. Allerdings hatte der deutsche DJ Talla 2XLC, bürgerlich Andreas Tomalla, den Begiff „Techno“ in den frühen Achtzigerjahren bereits vor ihnen benutzt, um elektronische Bands wie New Order, Kraftwerk, Depeche Mode und Front 242 zu kategorisieren, als er in einem Frankfurter Plattenladen arbeitete. Tatsächlich hatte Talla 2XLC in derselben Stadt seine Technoclub-Nächte schon seit 1984 veranstaltet. Auch zeigen Archivaufnahmen von damals, wie Clubber den Begriff „Techno“ verwenden, um damit stampfende, industriell-elektronische Tracks und Electronic Body Music zu beschreiben. Erst 1988 und kurz vor der Veröffentlichung von Techno! The New Dance Sound of Detroit, einer bahnbrechenden britischen Compilation, die frühes Material von Atkins, May, Saunderson, Eddie Fowlkes, Blake Baxter und Anthony Shakir enthielt, kam das Detroiter Trio auf die Idee, wie sie ihre Musik nennen wollten. Wäre es nach May gegangen, hätte sich ein anderer Name durchgesetzt. „Ich wollte es ‚High-Tech Soul‘ nennen“, erinnert er sich. „Doch Juan meinte: ‚Nee, Mann, das ist kein High-Tech-Soul. Das ist Techno.‘“ Das Album, das gerade rechtzeitig zum wilden Höhepunkt des „Summer of Love“ der britischen Acid-House-Szene erschien, besiegelte ihr Image als intellektuelle Vorreiter der elektronischen Tanzmusik und sicherte ihnen ihren Platz

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