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RIK FOX: Als ich sie in ihrem Loft spielen sah, konnte ich auch ohne das Make-up erkennen, in welche Richtung sich ihre Bühnenpersönlichkeiten entwickeln würden. Die Schminke war nur der Zuckerguss auf der Torte. So viel Power transportierten sie schon während der Proben.
PETER CRISS: Vor der Zeit bei KISS hatte ich bereits in jedem Club in New York gespielt – Arthur’s, Harlows, Trudy Heller’s, im Metropole. Ich spielte auf Bar Mizwas und in Stripschuppen. Aber in jeder Band, in der ich dabei war, wollte ich nur selbst geschriebenes Material spielen. Ich sagte immer wieder: „Wir müssen uns verkleiden, Mann, lasst uns Make-up auflegen und eine Show abziehen.“ Ich verabschiedete mich von all diesen Bands und sagte ihnen: „Ich muss die richtigen Leute finden.“
EDDIE SOLAN (FRÜHER ROADIE UND SOUNDMAN BEI KISS): Ich war ein guter Kumpel von Ace, schon lange bevor er bei KISS anfing. Ich habe ihn sogar meistens vom Haus seiner Eltern abgeholt und in meinem kleinen VW-Käfer runter ins Loft gebracht – weil ich eben ein Auto hatte und er nicht. Jeden Abend war ich im Loft dabei. Zu dieser Zeit baute ich ihnen gerade eine PA. Es war immer Pauls und Genes Band, aber nach einiger Zeit begriffen die beiden, das es Ace und Peter waren, die die Sache zum Funktionieren brachten. Gene und Paul hatten da eine gute Sache ins Rollen gebracht. Sie hatten Geschäftssinn, waren sehr kreativ und zielorientiert, aber sie hatten nicht die nötige Lockerheit des Rock ’n’ Roll, die Peter und Ace wiederum mitbrachten. Paul und Gene zeigten absolute Entschlossenheit. Ihre Einstellung ließ sich so umreißen: „Wir werden es schaffen, wage es nicht, daran zu zweifeln!“ Diese Einstellung färbte schnell auf Ace und Peter ab. Ihr Enthusiasmus und ihre Hingabe wirkten ansteckend und ermutigend auf Ace. Er hatte davor nur mit Bar-Bands zu tun gehabt. Diese Band strahlte einen anderen Vibe aus, und ich ließ mich auch gerne davon anstecken. Ich glaubte an sie und wollte ihnen so gut ich konnte helfen.
RON JOHNSEN (PRODUZENT, WICKED LESTER): Ich sah sie in ihrem Loft und fand sie absolut umwerfend. Sie waren ungehemmt, energiegeladen, sehr wild. Sie warfen sich gegen die Wände – ein sehr körperbetonter Act, echte Rowdys. Vieles von dem, wie sie an die Sache herangingen, hatten sie sich bei Gruppen wie den New York Dolls oder The Brats abgeschaut.
PETER CRISS: Wir kupferten viel ab. Viele unserer Ideen, die Art, wie wir Sachen machten, kam von den Beatles, Alice Cooper und den New York Dolls. Wir hielten Kriegsrat: „Wie wäre es, wenn wir das alles in einen Topf werfen?“ Und es funktionierte. Es war fantastisch.
GENE SIMMONS: Wie die Beatles wollten wir eine Band aus vier Individuen sein. Du konntest ja schließlich Fan einer Band und gleichzeitig eines einzelnen Bandmitglieds sein. Wir waren eine Erweiterung von allem, was vor uns gekommen war. Wir waren Kinder der vorigen Generation des Rock. Alle meine Idole – die Stones, The Who und die Kinks – hatten so einen umfassenden Einfluss auf meine Weltsicht. Als ich Peter Townshend performen sah, wurde mir dieses Level an Begeisterung, das erreicht werden konnte, so richtig bewusst. Wir versuchten, uns an diesem archetypischen Image zu orientieren. Wir begannen Schminke aufzutragen, als Alice [Cooper] sie gerade abwischte, als Bowie sie hinter sich ließ – als Genesis fanden, dass es uncool wäre, Make-up aufzulegen. Uns gefiel die Idee, sich in die Lage zu versetzen, in seine eigenen Fantasien einzutauchen, dadurch eine völlig veränderte Person zu werden und doch noch dieselbe Person zu bleiben. Es ist, als ob man fünf oder sechs Jahre alt ist und gemeinsam mit seiner Schwester vor dem Spiegel steht und die Klamotten der Eltern anzieht. Du beginnst dich wie jemand anderes zu fühlen, aber du bis immer noch derselbe. Wenn du auf ein Kostümfest eingeladen bist, wirst du am ehesten ein Kostüm aussuchen, das deiner eigenen Persönlichkeit entspricht.
LEW LINET (ERSTER MANAGER VON KISS): Jedes Mal, wenn ich bei Proben vorbeischaute, fielen mir kleine Schminkdöschen auf. Als Erstes bemerkte ich, dass sie Eyeliner trugen, dann ein bisschen Rouge, dann ein wenig Augenbrauenstift, und so entwickelte sich das immer weiter. Mit jeder Probe wurden sie ein bisschen lauter und trugen etwas mehr Make-up. Sie warfen zusammen, was sie sich erträumt hatten – eine laute, altmodische Hardrock-Band, eine Art Mischung aus Stones, Bowie und Alice Cooper.
GENE SIMMONS: Anfangs befanden wir uns noch in der Glitter-Phase. Viele Bands hatten diesen androgynen Look, also versuchten wir es auch. Paul sah sehr überzeugend aus, ich dagegen wie ein Football-Spieler im Tutu. Der Look entwickelte sich gleichzeitig mit der Band. Als wir begannen, mit Make-up zu liebäugeln, passierte alles recht schnell. Paul und ich gingen ins Kaufhaus die Straße runter und kauften uns zwei anderthalb Meter hohe Spiegel für 15 Dollar. Als wir sie gegen die Wand im Loft stellten, verbogen sie sich, weil sie so billig waren. Als wir uns nun im Spiegel ansahen, ergab sich dieser freakige Effekt. Alles, woran ich mich erinnere, ist, dass wir begannen, Schminke aufzulegen. Unser erster Gig war schon eine Woche später. Zwischen dem Zeitpunkt, an dem ich den Club angerufen hatte, und dem Abend, an dem wir die Bühne im Coventry betraten, änderten wir unseren Namen in KISS und veränderten unseren Look. Zuerst malte sich keiner so weiß an wie ich. Ich ließ mich richtig gehen. Es war reinigend. Für die anderen war es mehr so: „Verkleiden wir uns ein bisschen und machen uns ein wenig zurecht für die Band.“ Ich erinnere mich an eine frühe Show, bei der Ace sein Spiegelbild in Peters Drums, die mit Polyesterfolie überzogen waren, stets im Auge behielt. Er fing immer wieder an zu lachen. Er fand es so bizarr. Aber am Anfang gab es für die anderen keine Verbindung zwischen der Schminke und ihrer Persönlichkeit. Es war so, als ob Dr. Jekyll noch nicht ganz zu Mr. Hyde geworden wäre. Bei mir vollzog sich diese Veränderung sofort, innerlich wie äußerlich. Wenn ich mir ein paar alte Fotos anschaue und sehe, wie ich da auf der Bühne stehe, dann ist das derselbe Typ, der später die gesamte Kriegsbemalung auflegte und sich in die Outfits zwängte.
EDDIE SOLAN: Paul und Gene sagten zu Ace: „Wir sind vielleicht nicht die beste Band der Welt, aber wir werden alles tun, um Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen.“ Sie waren überzeugt, dass das passieren würde. Sie sahen nur nach vorne. Ich holte Paul Stanley an Freitagabenden von seinem Elternhaus ab, um dann nach Auftrittsmöglichkeiten für die Band Ausschau zu halten.
TOMMY RAMONE (SCHLAGZEUGER, RAMONES): Damals gab es nur drei Orte, an denen man selbst geschriebenes Material spielen konnte – Max’s Kansas City, das Mercer Arts Center sowie das Coventry. New York war total tot. Es gab ein paar Clubs für Coverbands, aber für Gruppen, die ihr eigenes Zeug spielten, gab es nicht viele Orte.
GENE SIMMONS: Wir bekamen keine Auftritte, weil wir keine Songs aus den Charts nachspielten. Wir wollten unsere eigenen Songs spielen, aber die Clubs waren an solchen Bands nicht interessiert. Aber unser Plan war, in kleinen Clubs aufzutreten, um herauszufinden, wer und was wir auf der Bühne waren.
Ohne Geld, aber mit einer Menge Einfallsreichtum flickten KISS sich rudimentäre Kostüme und Bühnenutensilien zusammen, die ihren Ursprung an den unwahrscheinlichsten Orten hatten.
PAUL STANLEY: Es war kein Zufall, dass unsere frühen Outfits aus Sadomaso-Läden stammten. Wir gingen in Stadtteile und Gebäude, von denen ich nicht einmal gewusst hatte, dass sie existierten. Wir sahen befremdliches Zeug, etwa eine Rundum-Kapuze, bei der vorne, auf der Höhe des Munds, ein Schlauch befestigt war. Wir kauften uns einiges, aber sie machten auch speziell für uns ein paar Sachen. Da gab es diesen S&M-Homo-Biker-Laden namens Eagle’s Nest, wo man Outfits für uns schneiderte. Was hatten die so? Schwarzes Leder und Nieten. Unsere Nietengürtel und Nietenhalsbänder in Tierhandlungen – Dinge, die man für eine Dänische Dogge hätte gebrauchen können – und in Sadomaso-Shops im West Village. Unsere Outfits waren vornehmlich schwarz. Ich trug echt hohe Absätze. Und Lurex-Hosen. Schwarze Kniestrümpfe und schwarze Shirts, auf denen „KISS“ stand. Mein Kostüm kostete circa 45 Dollar für die Schuhe, 3 Dollar für das Shirt und etwa 5 Dollar für das Lurex.
JOEY CRISCUOLA (BRUDER VON PETER CRISS UND FRÜHER ROADIE VON KISS): Meine Mutter machte KISS-Shirts für Peter. Eines trug er bei dem Gig im Coventry. Sie gab Klebstoff auf die Shirts und bestreute sie mit Glitter – das KISS-Logo in Glitter, es sah echt cool aus. Sie stickte ein Schlagzeug auf seine T-Shirts. Mein Bruder trug Shorts mit Nieten auf der Seite und schwarze Trikots.