Lou Reed - Transformer. Victor Bockris
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Seine Mutter und sein Vater mussten einiges über die Jahre mitmachen, und sie haben ihn immer unterstützt. Ich hatte den Eindruck, dass Mr. Reed ein schüchterner Mann war. Jedenfalls war er sicher nicht der große Macker. Wenn man mit bestimmten Eltern ausging, war das sehr lustig. Sie sorgten für Unterhaltung und spendierten uns etwas zu essen; aber wenn man mit Sidney Reed ausging, zahlte man selbst. Für Kids war das ziemlich ungewöhnlich. Die Rechnung kam und er sagte: ‚Du musst so und so viel zahlen.‘ Das war eigenartig. Aber so war er eben – ein Steuerberater.“
Sein Vater war sehr ruhig, aber seine Mutter hatte viel Energie und Charakter. Sie war eine attraktive Frau und trug das Haar kurz. Sie hatte eine hübsche Figur und war immer tadellos gekleidet. „Er fand die Vorstellung von Geschlechtsverkehr immer abstoßend, besonders was seine eigene Zeugung betraf“, schrieb Lou im Eröffnungssatz der ersten Kurzgeschichte, die er jemals veröffentlichte. Die Geschichte war eine Seite lang, hatte keinen Titel, war mit Luis Reed unterzeichnet und erschien in der Zeitschrift The Lonely Woman Quarterly, die Lou 1962 an der Syracuse University herausgab. Darin thematisierte er alle gestörten Beziehungen innerhalb einer Familie, die ihn auch später im Privatleben und bei der Arbeit beschäftigen sollten.
Seine fantastisch-dämonische Beziehung zu allem Geschlechtlichen war sehr ausgeprägt. Entweder betete er seine Liebhaber an, oder er versuchte auf allen möglichen einfallsreichen Wegen, ihre Seelen zu zerstören. Die Psychologie der Geschlechter war alles für ihn. Lou hatte die besondere Fähigkeit, alle, die ihm nahe standen, dazu zu bringen, dass sie sich schrecklich fühlten. Niemand verstand das besser als Lous Eltern, die die Zielscheibe seines inneren Aufruhrs waren. In der Kurzgeschichte ließ Lou seine Mutter sagen: „Letzte Nacht hat Daddy Mama wehgetan“, und der Höhepunkt bestand in einer Szene, in der Mama „ihren kleinen Jungen“ verführt. Später schrieb Lou in „How Do You Speak To An Angel“ über den Fluch, eine „Dirne zur Mutter zu haben, einen schwachen, jämmerlichen Vater, Sohnesliebe und Inzest“. Nach allem, was man weiß, hat sich nichts in dieser Art jemals im Haushalt der Reeds abgespielt. In jedem Fall zeugen diese ödipalen Fantasien aber von einem turbulenten Seelenleben und einer ausgeprägten Reaktion auf das Hass-Liebe-Schema der Familie.
In seinen späten Dreißigern schrieb Lou eine Reihe von Songs über seine Familie. In einem davon sagte er, dass er ursprünglich einmal so werden wollte wie sein „alter Herr“, es dann aber doch satt hatte, ständig von ihm angemacht zu werden, und außerdem würde ihm kotzübel, wenn er sah, wie sein Vater seine Mutter schlug. Der Song erreichte seinen Höhepunkt in der Szene, in der ihm sein Vater sagt, er solle sich wie ein richtiger Mann verhalten. Und deshalb, so schloss er daraus in einem anderen Lied, wollte er nicht so werden wie sein „alter Herr“. Was in den Fünfzigerjahren im Amerika der Vorstädte als wohlwollende Dominanz des Vaters galt, wurde von Lou zu einer Art machiavellischer Tyrannei dramatisiert, als deren Opfer er vor allem seine Mutter sah, obwohl das in Wirklichkeit nicht der Fall war. Seine Freunde und die Familie waren schockiert über Lous Geschichten und Songs, die von innerfamiliärer Gewalt und Inzest handelten, und behaupteten, dass nichts weiter von der Wahrheit entfernt sein könnte. Tatsächlich waren Sidney und Toby Reed ganz vernarrt ineinander, nach zwanzig Jahren Ehe waren sie immer noch richtig verknallt. Und was die Gewalt betrifft, so regte sich Sidney Reed nur darüber auf, dass Lou sich seiner Mutter gegenüber sehr gemein benahm.
Lous Launenhaftigkeit war nur ein Hinweis darauf, dass er dabei war, ein ausgeprägtes Innenleben zu entwickeln. Lou war ein begeisterter Sciencefiction-Leser und schrieb neben seinen Songs auch Geschichten und Gedichte. „Im ersten Jahr auf der Highschool experimentierte er viel beim Schreiben“, berichtet Hyman. „Er schrieb eine ganze Menge. Er füllte ganze Notizbücher mit Gedichten und Kurzgeschichten, und sie waren immer düster. Ich meine, er schrieb nie über Blumen und solches Zeug.“
Reed und seine Freunde waren auch in Leichtathletik aktiv. Freeport High war eine Football-Schule. Unter der grandiosen Führung des Trainers Bill Ashley schwangen sich die Freeport High Red Devils zum Stolz der Stadt auf. Später schrieb Lou in Coney Island Baby, dass er Football nur für den Trainer spielen wollte – „den ehrlichsten Typen, den ich je kennen lernte“. Aber er hatte weder die richtige Größe noch die sportlichen Fähigkeiten dazu – und er hat es auch nicht versucht. Stattdessen schloss sich Lou dem Leichtathletikteam der Highschool an. Er war ein guter Läufer und kräftig genug für den Stabhochsprung. (In Take No Prisoners sagte er später, er habe im Stabhochsprung nur zwei Meter geschafft – „eine jämmerliche Vorstellung“.) Obwohl er Sportarten, bei denen er allein kämpfte, dem Teamsport vorzog, war er doch in Freeport als sehr guter Basketballspieler bekannt. „Lou war nicht bloß witzig, er war auch ein guter Sportler“, erinnert sich Hyman. „Er war immer irgendwie dünn und schlaksig. In der Nähe unseres Hauses gab es einen Park, und dort gingen wir gewöhnlich hin und spielten Basketball. Er war sehr auf Konkurrenz aus und in den meisten Dingen ehrgeizig. Er mochte es, irgendwas zu tun, für das er kein Team oder sonst jemanden nötig hatte. Und er war die ganze Zeit außergewöhnlich launisch.“
Nachdem er seine Eltern so lange bearbeitet hatte, bis sie ihm schließlich ein Motorrad kauften, brauste Lou als Marlon-Brando-Imitation durch die Straßen von Freeport. Allens Bruder Andy erinnert sich, dass es typisch für Lou war, eine Reihe von Einzelfreundschaften einzugehen, die jeweils anderen Zwecken dienten. Allen war beispielsweise der konservative Freund, während Eddie Elson, ein anderer Freund und Nachbar, eine ganz andere Facette von Lous Charakter beleuchtete. „Eddie hatte wirklich einen Schlag“, berichtet Carol Wood, eine Mitschülerin. „Er wohnte nur vier Häuser von Lou entfernt. Er hatte lauter verrückte Ideen über irgendwelche Außerirdischen, die gerade dabei waren zu landen, und so weiter. Damals gab es auch eine Bande in der Stadt, die Häuser ausraubte. Sie wurden die Malefactors genannt. Wie sich später herausstellte, gehörte Eddie zu ihnen.“
„Eddie Elson war mit Lou und mir befreundet, aber Elson war verrückt“, stimmt Allen Hyman zu. „Er war der erste Geistesgestörte, den ich kennen lernte. Er gehörte zu der Sorte Kids, mit denen einem der Umgang verboten wurde, und er steckte immer in irgendeinem Schlamassel. Er hatte ein Luftgewehr, mit dem er vom Dachboden aus auf Passanten schoss. Lou liebte ihn, denn er war genauso unverschämt wie er selbst, vielleicht sogar noch mehr. Ab und zu wurde er eingesperrt, er war einfach krank.“
„Einerseits hatte Lewis den Wunsch – was ich damals natürlich noch nicht wusste –, von ganz normalen Leuten akzeptiert zu werden, und andererseits fühlte er sich angezogen von all denjenigen, die von der Normalität abwichen“, sagt Andy. „Eddie war ein ziemlich verrückter Bursche, er beging manchmal Taschendiebstahl; er rauchte schon sehr früh Dope, und es liefen immer merkwürdige Geschichten mit Mädchen. Und in all diese merkwürdigen Geschichten geriet Lewis dann eben auch, wenn er mit Eddie zusammen war. Mit meinem Bruder verkehrte er zur gleichen Zeit in einer ganz anderen Szene.“
Was Lewis nach eigener Aussage von all den anderen typisch amerikanischen Jungs unterschied, war die Tatsache, dass er im Alter von dreizehn Jahren feststellte, dass er homosexuell war. Wie er in einem Interview von 1979 erklärte, war ihm früh bewusst, dass er sich von seinem eigenen Geschlecht angezogen fühlte, aber ebenso früh versuchte er auch, diese Tatsache zu ignorieren. „Ich hasste es. Es war so belastend. Sobald ich dreizehn war, hätte ich allmählich so richtig Spaß haben können, aber ich habe nicht mal an den Quatsch gedacht. Was für eine Zeitverschwendung. Wenn einem die Liebe verboten ist, beschäftigt man sich die ganze Zeit