Lou Reed - Transformer. Victor Bockris

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Lou Reed - Transformer - Victor Bockris

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Familie zu entziehen, die er nur als Einrichtung zur Bestrafung und Beeinträchtigung seiner Freiheit ansah. „Ich kam aus dieser kleinen Stadt auf Long Island“, erklärte er. „Von Nirgendwo. Ich meine es wirklich so, nirgendwoher. Vom langweiligsten Ort auf der Welt. Das einzig Gute daran war, dass man ­wusste, man würde da irgendwie herauskommen.“ Im August nahm Lou den Song „You’ll Never, Never Love Me“ auf und veröffentlichte ihn. Eine tief sitzende Abneigung gegen seine Eltern wurde schnörkellos in einem anderen Song, „Kill Your Sons“, zum Ausdruck gebracht. „All diese nichtsnutzigen Psychiater verpassen euch Elektroschocks“, sang er wie ein Zombie. „Sie sagen, dass ihr dann zuhause leben dürft, bei Mama und Papa, und nicht im Irrenhaus.“ Später sagte er, die Musik habe ihn wieder zum Leben erweckt und ihm zu neuen Träumen verholfen. „Musik bedeutet alles“, schrieb er in einem wunderbaren Prosastück namens From The Bandstand. „Leute sollten dafür sterben. Leute sterben für alles Mögliche, warum also nicht auch für die Musik. Es würde einige Leben retten.“

      Der Horizont erweitert sich

      Syracuse University: 1960–1962

      „Lou spielte gern mit den Menschen, er verleitete sie dazu, bis zum Äußersten zu gehen. Aber wenn man selbst bei Lou eine gewisse Grenze überschritt, dann schnitt er einen einfach aus seinem Leben heraus.“

      — Allen Hyman

      Um ihre Freundschaft fortzusetzen, beschlossen Lou und Allen Hyman, die gleiche Universität zu besuchen. „In der letzten Klasse der High­school fuhr ich mit Lou und seinem Vater hinauf nach Syracuse zu einem Aufnahmegespräch“, erinnert sich Allen. „Wir redeten nicht viel mit seinem Vater. Mr. Reed war ein sehr stiller Mann; still im Sinne von steif. Wir übernachteten im Hotel Syracuse, einem dieser richtig alten Hotels, die es damals noch gab. Außer uns stieg dort aus dem gleichen Grund noch eine Menge anderer Kids mit ihren Eltern ab. Alles Bewerber für die Syracuse-Uni. Lous Vater nahm ein Zimmer, das andere teilte ich mir mit Lou.

      In der Empfangshalle machten wir die Bekanntschaft einer Gruppe von Kids, die schon auf der Uni waren, und die ganze Nacht hindurch feier­ten wir eine Party mit diesen Mädchen. Wir malten uns schon aus, wie toll es werden würde, richtig fantastisch. Am nächsten Tag kannten wir also schon ein paar Leute, die zu der Zeit bereits auf die Syracuse gingen und in Verbindungshäusern wohnten. Der ganze Campus wirkte so freundlich, ich glaube es war Sommer, es war warm damals, alles sah einfach herrlich aus.“

      Die Jungen vereinbarten, dass sie sich, falls man sie hier aufnehmen würde, in Syracuse immatrikulieren wollten. „Wir schafften es beide“, sagt Hyman.

      „Kaum hatte ich die Aufnahmebestätigung erhalten, teilte ich ihnen mit, dass ich kommen würde, und dann rief ich Lou an und sagte noch ganz aufgeregt: ‚Ich bin in Syracuse angenommen worden, du auch?‘ Und er sagte: ‚Ja.‘ Also fragte ich ihn: ‚Gehst du hin?‘ Und er antwortete: ‚Nein.‘ – ‚Was soll das heißen, nein?‘, wollte ich wissen. ‚Wir wollten doch hingehen, wir hatten eine Abmachung.‘ Doch er sagte nur: ‚Ich bin an der N. Y. U. angenommen worden, und ich gehe dorthin.‘ Ich sagte: ‚Warum machst du denn so etwas, es hat uns da oben doch so gut gefallen, ich habe ihnen schon mitgeteilt, dass ich kommen werde, ich dachte, du würdest auch mitkommen …‘ Er sagte: ‚Nein, ich bin an der N. Y. U. Uptown angenommen worden, da gehe ich hin.‘“

      Ab dem Herbstsemester 1959 besuchte Lou das College. Mitten in New York City gelegen, war die New York University eine clevere Wahl für jemanden, der nichts lieber tat, als im Five Spot, im Vanguard und anderen Klubs in Greenwich Village Jazz zu hören. Doch Lou hatte sich nicht den im Village beheimateten Teil der N. Y. U. ausgesucht, sondern schrieb sich unverständlicherweise in der Abteilung ein, die recht weit uptown in der Bronx lag. N. Y. U. Uptown konnte Lou jedoch weder die Möglichkeiten noch die Unterstützung bieten, die er brauchte. Stattdessen fand er sich dort in einer fremden, feindseligen Umgebung ganz auf sich allein gestellt. Eine seiner wenigen Vergnügungen bestand in den regelmäßigen Besuchen im Mekka des modernen Jazz, dem Five Spot; allerdings reichte sein Geld nicht immer für den Eintritt, und so stand er oft vor der Tür und lauschte den Klängen von Thelonious Monk, John Coltrane und Ornette Coleman, die bis auf die Straße hinausdrangen.

      Lous Hauptinteresse galt ohnehin nicht dem College. Das Uni-Gelände in der Bronx lag nicht weit vom Payne-Whitney-Institut entfernt, einer psychiatrischen Klinik an der Upper East Side von Manhattan, wo er sich einer Reihe von intensiven Nach-Schockbehandlungen unterzog. Hyman zufolge, der mit ihm während des Semesters mindestens einmal pro Woche telefonierte, ging es Lou damals sehr, sehr schlecht. „Er war drei- oder viermal pro Woche in der Therapie“, erinnert sich Hyman. „Er hasste die N. Y. U., er hasste die Uni wirklich. Er durchlief eine ziemlich schwierige Phase und stand unter Medikamenten. Es fiel ihm außer­ordentlich schwer, das College und seinen Alltag auf die Reihe zu kriegen. Er war fertig. Er hatte zu jener Zeit dermaßen viel mit seinen emotionalen Geschichten zu tun, und womöglich war er nicht weit von einem mittleren Nervenzusammenbruch entfernt.“

      Im Frühjahr 1960, nach zwei Semestern, hatte Lou die Sitzungen im Payne-Whitney-Institut abgeschlossen; er war immer noch auf Tranquilizern und hatte mit der Szene an der N. Y. U. endgültig nichts mehr am Hut.

      Einer der wenigen, die Lou während seiner einjährigen Depression ermutigten, war sein treuer Jugendfreund Allen Hyman, der ihn auch jetzt dazu drängte, sich von seinen Eltern zu lösen. Allen war in Syracuse eingeschrieben – einer großen, renommierten Privatuniversität, hunderte von Kilometern von Freeport entfernt. Allen brachte Lou dazu, ihm dorthin zu folgen. Im Herbst 1960 ließ Reed die dunklen Schatten von Creedmore und die Medikationen von Payne Whitney hinter sich und immatrikulierte sich in Syracuse.

      Der Campus der Syracuse-Uni sah wie der perfekte Drehort für einen Horrorfilm über das Leben in einem College in den frühen Sechzigerjahren aus. Die romantischen Gebäude schienen der Fantasie eines Drehbuchautors entsprungen. Tatsächlich sollte der Autor der TV-Serie Addams Family, der diese Universität zur gleichen Zeit wie Lou besuchte, später die im schönsten neogotischen Stil erbaute Hall of Languages als Grundidee für den Familiensitz der Addams-Familie benutzen. Die Architektur des umliegenden, vier Straßen im Quadrat umfassenden Collegegeländes wurde von viktorianischen Holzhäusern sowie Restaurants, Läden und Bars aus der Depressionszeit ergänzt. Die allgegenwärtige gelbgraue Farbe verlieh den heruntergekommenen, in Seitenstraßen versteckten und die meiste Zeit über mit Schnee, nassen Blättern oder Regen bedeckten Holzhäusern ein düsteres Aussehen. Diese ideale Atmosphäre zur Förderung poetischer Betrachtungen oder manischer Depressionen war als Hintergrund für den Lebensstil der Beatniks geradezu prädestiniert.

      Das Industriestädtchen Syracuse selbst, das sieben Monate im Jahr unter Schneemassen begraben lag und die restlichen Monate in Regenschauern versank, bot ringsherum ein nicht weniger abgerissenes Bild. Nur im Sommer, wenn die meisten Studenten sich zuhause auf Long Island oder in New Jersey aufhielten, bekam die Stadt etwas Wärme und Sonnenschein ab. Zunächst schien Syracuse nicht gerade ein geeigneter Ort für Lou. Das auch unter dem Namen Salt City bekannte blühende Industriezentrum, das sich auf Metallverarbeitung und Elektrogeräte spezialisiert hatte, lag dreihundertzwanzig Kilometer nordwestlich von Freeport, fünfundsechzig Kilometer südlich des Ontariosees und der kanadischen Grenze und acht Kilometer südwestlich des Oneidasees. Syracuse war militant konservativ und religiös, doch zu der Zeit, als Reed dort ankam, wandelte es sich gerade mit atemberaubender Geschwindigkeit zum akademischen Zentrum des Bundesstaates New York. Die Stadt unterstützte ihre renommierte Universität, deren Footballteam, die Orange­men, während der vier Jahre, die Lou dort verbrachte, ungeschlagen blieb. Und die Bevölkerung pilgerte in hellen Scharen zu allen sportlichen Ereignissen herbei. Trotz aller akademischen Standards galt Syracuse immer noch in erster Linie als Football-Uni. „Where the vale of Onondaga / Meets the eastern sky / Proudly stands our Alma Mater / On her hilltop high (Wo das Tal des Onondaga / sich mit dem östlichen Himmel vereint / Erhebt sich stolz unsere Alma Mater / Hoch oben auf dem Berge)“,

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