The Who - Maximum Rock I. Christoph Geisselhart

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The Who - Maximum Rock I - Christoph Geisselhart The Who Triologie

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hast du‘, nahm seinen Gürtel und fuchtelte damit vor meinem Gesicht herum. Ich hätte das als Wink des Schicksals nehmen sollen.“ Auch Roger erinnert sich an eine Rauferei auf dem Schulhof, wobei aber plötzlich eine erstaunliche Gemeinsamkeit zu Tage trat. Pete nämlich­ schrie in seiner Not: „Pass auf meine Finger auf, ich spiele Gitarre!“ Woraufhin Roger verblüfft abließ: „Ich auch.“

      Pete, der dünne, komplexbeladene Junge, für alle an der Acton Grammar School „eine Nase auf einer Bohnenstange“ (Daltrey), erwarb sich durch seinen Jähzorn, seinen Ehrgeiz und seine zunehmende Spielfertigkeit auf der Gitarre allmählich Respekt. „Ich erinnere mich gut an Townshend, obwohl ich ein Jahr über ihm war“, sagt Daltrey. „Ich wusste, dass er schwere Zeiten hatte, aber daran waren nicht wir schuld. Wir waren Flegel, aber keine Schlägertypen.“

      Dieser Einschätzung stimmte der Schuldirektor im Wesentlichen zu; aber Rogers vorzeitige Entlassung aus dem staatlichen Bildungswesen löste im Lehrkörper der Acton Grammar School gleichwohl eine gewisse Erleichterung aus.

      Bei seinen ehemaligen Mitschülern freilich hatte Roger seinen Nimbus als Rebell und echter Rock’n’Roller dadurch um so mehr gestärkt. „Er war ‚Big Bad Roger‘, der Leader der Teddyboys“, erinnerte sich John.

      Nicht mehr lange, und Roger sollte auch sein Bandleader sein.

      7.: Über Umwege zum Ziel: The Detours und ihr beschwerlicher Weg durch Londoner Nächte

      „Ich wusste immer, dass ich es schaffen würde.“

      Roger Daltrey

      „Und du spielst also Bass?“ – „Yeah.“

      Entscheidendes Gespräch zwischen Roger Daltrey und ­John ­Entwistle, der mit Bass und Verstärker die Straße quert

      „Musik war für mich die einzige Möglichkeit, jemals zu gewinnen.“

      Pete Townshend

      Roger nahm die Musik sehr ernst, ernster als andere Jungen in seinem Alter und ernster alles andere in seinem Leben.

      Schon während seiner Schulzeit hatte seine Band regelmäßig bei Partys, Geburtstagsfeiern, Hochzeiten und kleineren öffentlichen Veranstaltungen gespielt. Unter Rogers Führung machten sich The Detours auf, auch größere Aufgaben zu meistern. Immer häufiger traten sie in richtigen Klubs und Tanzsälen auf – gegen Lohn und Brot. Es mochte nicht viel sein, aber der materielle Aspekt hatte für Roger stets einen Antrieb dargestellt. Nach seinem vorzeitigen Schulabgang war dieses Geld der nötige Ansporn, sich auf der Bühne zu verbessern und seine Band nach vorn zu bringen. Andere Teenager machten nur aus Spaß Musik oder hängten sich Instrumente um den Hals, um sich zu profilieren. Roger dagegen betrachtete Rock’n’Roll von Anfang an als Geschäft und Berufung zugleich. Auch aus diesem Grund waren The Detours die beste Band in der Gegend; sie arbeiteten fast professionell und hatten Woche für Woche Gelegenheit, ihre Fähigkeiten vor einem nicht ganz einfachen Publikum zu erproben und weiter zu entwickeln.

      Nach seinem Schulausschluss 1959 gab es für den fünfzehnjährigen Roger ­keinen Zweifel, dass er eine erfolgreiche Laufbahn als Musiker einschlagen würde. Seine Hoffnung speiste sich aus einem Karrierevorbild, das Zeitungen, Fernsehen, Kino, aber auch der Rock’n’Roll selbst suggerierten: Der aufsässige Junge aus bescheidenen Verhältnissen, der dank seiner Gitarre zum Star wird – das war damals ein gängiges Klischee, das Bill Haley und Elvis Presley, spätestens aber der Skiffleboom 1956/1957 und endgültig Chuck Berrys Rock’n’Roll-Hymne „Johnny B. Goode“ zementierten. Tausende Jugendliche in den Arbeitervierteln Englands fühlten sich dadurch zu einer Musikerkarriere aufgerufen. George ­Tremlett, damals Mitarbeiter des Fachblatts New Musical Express, schätzt, dass es in England zu Beginn der sechziger Jahre zwanzig- bis fünfundzwanzigtausend ­Amateurbands gab, die Abend für Abend in Tanzsälen oder Klubs auftraten.

      Rogers Vision vom eigenen Starruhm war also keineswegs ungewöhnlich; außergewöhnlich waren jedoch seine Durchsetzungskraft und die Disziplin, mit der er schon als Teenager seinen Traum anging. Musik bedeutete ihm alles, mehr noch als Mädchen, die ihn trotz seiner unscheinbaren Körpergröße von einsdreiundsechzig liebten und die er bei seinen Auftritten von der Bühne herab wie ein Jäger mit großem Geschick eroberte.

      Die einzige Konstante in seinem Leben aber blieb die Musik. Nachdem seine Eltern darauf bestanden hatten, dass er eine Lehre begann, um wenigstens eine gewisse Sicherheit zu haben, falls es nicht klappen sollte mit der großen Rock’n’Roll-Karriere, arbeitete er zunächst einige Wochen als Gehilfe eines Elektrikers – für fünf Pence die Stunde. Darauf fand er eine feste Anstellung in einer Fabrik namens Chase Products, nur ein paar Straßen vom Haus der Daltreys entfernt in der Colville Road. Als Blechschweißer lötete Roger dort Behälter für medizinische Geräte zusammen, für einen Wochenlohn von sieben Pfund: „Ich stand jeden Morgen um acht Uhr auf, arbeitete in der Fabrik bis sechs Uhr abends und dann mit der Band von sieben bis Mitternacht“, erzählt Roger.

      Sein Vater berichtet, dass der Vorarbeiter Roger meist früher gehen ließ, weil der eh nur Musik im Kopf hatte: „Können Sie sonst irgendwas mit ihrem Sohn anfangen?“, fragte der Vorarbeiter Mr. Daltrey. „Ich? Gott behüte!“ erwiderte Rogers Vater, und der Vorarbeiter bestätigte resigniert: „Sehen Sie, ich auch nicht.“

      Trotzdem war Roger nicht unbeliebt. Eine Anekdote berichtet, dass die ­Kollegen in den Teepausen darüber redeten, was sie mit einem Totogewinn anfangen würden. Roger wollte zunächst die besten Gitarren der Welt kaufen, ließ sich aber umstimmen, als die anderen forderten, er solle doch besser die Fabrik ­kaufen­ und seine Mitarbeiter zu Chefs machen. Zwanzig Jahre später tat er angeblich genau das. Er kaufte den Nachfolgebetrieb PCD Products und setzte seine früheren­ Kollegen als Direktoren ein. Mit welchem Erfolg, ist nicht bekannt.

      Musik, Musik, Musik … nichts anderes zählte für Roger. Kaum hatte er den Brennschneider in der Fabrik niedergelegt, begann sein wahres Leben. Es führte ihn in die Nachtlokale und Pubs von West-London, wo er lernte, sich gegen zahlungsunwillige Kneipiers und betrunkene Stänkerer durchzusetzen. Sein Lehrlingsgehalt reichte kaum aus, um ein Mädchen auszuführen oder sich die jeweils neuesten Klamotten anzuschaffen. Um wie viel leichter, erfüllender und berauschender war da das Geld in einem Klub auf der Bühne verdient. So wie Pete sich geschworen hatte, reich und berühmt zu werden, um trotz seiner überdimensionalen Nase geliebt zu werden, so verschwor sich Roger immer mehr dem gleichen Ziel, um einer scheinbar vorbestimmten Zukunft im Arbeitermilieu zu entfliehen und ein selbstbestimmtes Leben ohne soziale Barrieren führen zu können.

      Die Originalbesetzung der Detours, von Roger zwei Jahre zuvor in einem Jugendklub in der Goldhawk Road, Shepherd’s Bush, gegründet, bestand aus vier beziehungsweise fünf Mitgliedern: Daltrey selbst spielte Leadgitarre und bei Dixielandnummern Posaune; Colin Dawson, ein kräftiger, etwas schmalziger Junge aus Acton und ein Jahr älter als Roger, hatte den Gesang übernommen; Harry ­Wilson,­ der wie Roger aus „The Bush“ stammte und in der Yew Tree Road lebte, trommelte; Reg Bowen, in dessen Haus auch geprobt wurde, bediente­ die Rhythmusgitarre.

      Ein zweiter Rhythmusgitarrist namens Roy East spielte insofern eine Rolle, als er etwas Geld und einen echten Vox-Verstärker in die Band einbrachte. Als der arme Kerl während des Urlaubs mit seiner Verlobten ertrank, erbten The Detours stillschweigend das wertvolle Stück. Auf frühen Fotos der Band sieht man Roger immer noch vor jenem schicken Vox AC-15 stehen, während der Rest der Gruppe­ an ein wild zusammengestückeltes Equipment aus Laut­sprechern und Verstärkern angeschlossen ist.

      Was Roger jetzt noch fehlte, war ein Bassist. Diese Spezies zählte zu den Exoten­ in Amateurbands, nicht zuletzt, weil ihre Ausrüstung so schwer zu beschaffen war. Es wird wohl nie geklärt

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