The Who - Maximum Rock I. Christoph Geisselhart
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу The Who - Maximum Rock I - Christoph Geisselhart страница 9
Zu Weihnachten bekam er die erste Gitarre geschenkt – von seiner Großmutter. Vater Cliff hatte sie ihm eigentlich zu Weihnachten kaufen wollen, aber was geschah? „Sie kaufte die Gitarre! Und zwar eins dieser unechten Dinger, die in spanischen Restaurants an der Wand hängen.“
Pete war nur kurz begeistert. Er stellte sich vor dem Spiegel in Positur – bis er herausfand, dass man mit Großmutters Geschenk nichts zuwege brachte, was auch nur entfernt wie Bill Haley klang oder aussah.
Das war eine weitere Enttäuschung im auch sonst frustrierenden Schuljahr 1957/1958. Erst war seine Nase um Längen stärker gewachsen als alle übrigen Körperteile. Petes Eltern hatten beide ausgeprägte Nasen, doch im Gesicht des Sohns schienen sich ihre prominenten Zinken zu einem gewaltigen Rüssel zu vereinigen. Der sensible Junge war schon als Kind deswegen dauernd gehänselt worden, und jetzt musste er sich mit diesem Kainsmal an der Acton Grammar School gegen so raue Gesellen wie Roger Daltrey behaupten. Hausmeister „Mac“ erinnert sich: „Townshend war ein braver, ruhiger Junge. Er hing immer mit diesem Entwistle zusammen. Aber dieser Daltrey …“
Dieser Entwistle, der ebenso wenig wie Pete aus einer normalen intakten Familie stammte und im Haus der Großmutter mütterlicherseits aufwuchs, hatte es als Kind gleichwohl ruhiger getroffen. Er spielte gern mit Ritterfiguren, baute Schlösser und Burgen in Bombentrichtern oder bastelte sich eine Rüstung aus Karton, um seiner Faszination für die Helden des Mittelalters nachgehen zu können. Seine Kinderzeichnungen waren sehr fantasievoll, sie zeigten freilich beunruhigend düstere Gestalten, Waffen, Skelette oder Verliese statt Feuerwehrautos, Tiere oder Blumenwiesen.
Davon abgesehen entwickelte John mit Hilfe der Eltern sein unübersehbares Talent für Musik weiter. Mutter Queenie spielte Klavier, und der Vater, ein ordentlicher Trompeter, brachte John bald bei, dieses Instrument zu spielen, wenn er ihn besuchte.
Mit sieben Jahren erhielt John eine klassische Ausbildung am Klavier; mit elf spielte er im Schulorchester Trompete, und ein Jahr später trat er einem renommierten Jugendorchester bei, das Musikern als Sprungbrett für eine akademische Laufbahn diente: „Da es dort einen Überschuss an Trompetern gab, wechselte ich zum Waldhorn. Das durchdringende Geräusch verschaffte mir ein gutes Gefühl in der Brust.“
John Entwistle war im gleichen Jahr wie Pete an die Acton Grammar gekommen und berichtete darüber: „Pete war damals viel kleiner. Ich glaube, er ist gut zwanzig Zentimeter gewachsen, seitdem er die Schule verlassen hat. Er hatte einen guten Sinn für Humor. Also machte er bei unserer Witztruppe mit, Jungs, die den ganzen Tag zusammenhockten und Späße trieben. Im Grund wurde aus dieser Gruppe später unsere erste Band.“ Diese erste Band nannte sich The Confederates und war grottenschlecht, wie John abschätzig befand.
Pete und er hatten den gleichen Musikgeschmack; sie mochten den sogenannten „Trad Jazz“, jene britische Ausprägung des Swing, die Cliffs Squadronaires populär gemacht hatte. Pete hatte seine deprimierenden Versuche auf der pseudospanischen Gitarre inzwischen eingestellt und war zum Banjo gewechselt, nachdem ihm ein Freund seines Vaters 1957 ein fünfsaitiges Mandolinenbanjo geschenkt hatte. Doch auch hier musste Pete erkennen, dass aller Anfang schwer ist: „Als John und Phil“ – der Klarinettist der Confederates – „fragten, ob ich mitmachen wollte, musste ich erst losrennen und mein Akkordbuch holen.“ Mit John an der Trompete und einem vierten Mitschüler, Chris Sherwin am Schlagzeug, intonierten The Confederates rustikales Liedgut wie „When The Saints Go Marching In“, bis John, der geförderte Musiker, die hoffnungslose Formation verließ, um in der nächst besseren Gruppe die Trompete zu übernehmen.
Pete übte derweil hartnäckig weiter. Zeitweise gab es drei Banjospieler in der Band, und er wurde in seiner Position stark bedrängt. Nach einer handgreiflichen Auseinandersetzung mit dem Schlagzeuger flog er aus der Band. Der Junge trug eine Gehirnerschütterung davon, nachdem ihn Pete mit einer Tasche traktiert hatte. In der Folge wurde Pete von seiner Schulhofclique fast ein Jahr lang konsequent geschnitten.
Pete reagierte auf seine Verbannung mit bitterer Emigration und neuem Ehrgeiz. Seine Mutter betrieb inzwischen einen kleinen Antiquitätenladen, wo er eine brauchbare tschechoslowakische Gitarre mit eingebauten Tonabnehmern erstand – für drei alte englische Pfund. Er kam zur festen Überzeugung, dass seine Rückkehr in die Gemeinschaft nur mit Hilfe der Gitarre möglich war, und übte geradezu besessen: „Ich sagte mir, ich werde mich in mein Zimmer einschließen und Gitarre lernen. Und wenn ich wieder rauskomme, lieben mich alle!“
Weitere Motivation bezog der pubertierende Pete aus der Hoffnung, mit der Gitarre um den Hals von der weiter aufblühenden Nase abzulenken und beim anderen Geschlecht Eindruck zu machen. Er träumte davon, „dass sich ein Mädchen wegen meines genialen Gitarrenspiels in mich verlieben würde“. Er beschloss, es allen zu zeigen, die ihn wegen seiner Nase von Kind auf verspottet hatten, und schwor sich: Aus jeder englischen Zeitung soll dieser Zinken starren, bis keiner mehr lacht!
Die Ausdauer, mit der Pete zwei Jahre auf dem großmütterlichen Weihnachtsgeschenk dilettiert hatte, sowie seine Versuche auf dem fünfsaitigen Banjo wirkten sich plötzlich vorteilhaft aus. Pete stellte überrascht fest, wie gut sich sein Geklimper auf einer anständigen Gitarre anhörte. Wie alle Freunde hatte er Elvis Presley gehört, aber der Sound hatte ihm nie besonders gefallen. Er liebte den hellen Klang scharf angespielter Saiten, wie ihn die Banjospieler um Skifflekönig Lonnie Donegan praktizierten (Acker Bilk war wohl Petes erstes echtes Vorbild am Banjo). Als dann noch Chuck Berry mit seinen harten, prägnanten Riffs die Charts eroberte, wusste Pete, wohin er wollte. Er übertrug die Technik von Banjo und Mandoline auf seine Gitarre und versuchte, Berry dabei so nahe wie möglich zu kommen. Mit Hilfe eines kleinen Selmer-Gitarrenverstärkers, den er sich als Zeitungsausträger verdient hatte, entwickelte er im Jahr seiner Ächtung einen eigenständigen, toll klingenden Stil, der sogar Kumpel John beeindruckte.
Seine im Haus lebende Großmutter zeigte sich allerdings nicht beeindruckt, wie Pete erzählt: „John und ich übten im Wohnzimmer, nicht sehr laut, als sie reinkam und verlangte: ‚Dreh den verdammten, abscheulichen Lärm leiser!‘ Ich sagte: ‚Raus hier, oder ich bringe dich um, verfluchte alte Schachtel.‘ – ,Wie redest du mit mir?‘ schrie sie. Da packte ich den Verstärker und schmiss ihn nach ihr. Sie rannte schnell aus der Tür, und der Verstärker landete dort in Trümmern, zischelte und ging aus. John schaute mich an und sagte mit seiner tiefen Stimme: ‚Gratuliere. Du hast ihn erledigt.‘ Aber ich kriegte ihn wieder hin.“
Das war wohl Petes erster Versuch, sich in der später so hingebungsvoll ritualisierten Instrumentenvernichtung zu üben.
John hatte den Kontakt zu Pete immer gehalten. Loyal wie der etwas ältere, ritterliche Musikus war, hatte er sich nie über Petes langen Riecher lustig gemacht. John galt als vielversprechendes Talent und wurde öffentlich gefördert. Das Waldhorn, mit dem er 1958 seinen ersten kammermusikalischen Auftritt in der Stadthalle feierte, wurde aus Schulmitteln finanziert, weil sich seine Mutter eine solche Anschaffung nicht leisten konnte. Er spielte in mehreren Amateurbands gleichzeitig, und als er einmal am Neujahrstag in Hammersmith mit einer namenlosen Truppe von Pub zu Pub zog, um ein bisschen Geld zu verdienen, traf er Pete, der spontan mitmachte und acht Pfund einnahm, nicht wenig für einen damals Vierzehnjährigen: „Ich kriegte die Hälfte dessen, was die regulären Bandmitglieder erhielten. Das heißt, sie müssen an diesem Abend viel Geld eingesteckt haben.“ Trotzdem war John mit seinem Blasinstrument nicht zufrieden. Er fühlte, dass Traditional Jazz einer vergangenen Epoche angehörte und dass ein Vollblutmusiker, wie er es werden wollte, sich mit den aufregenden neuen Stilrichtungen auseinandersetzen sollte: „Es irritierte mich zunehmend, dass Leute ihre Verstärker aufdrehten und mühelos lauter als ich spielen konnten. Ich wollte auch lauter werden. Da hörte ich Duane Eddy.“
Duane Eddy hatte