Im Gespräch mit Morrissey. Len Brown

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Im Gespräch mit Morrissey - Len  Brown

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der Smiths mit „einem Fisch, der ganz langsam an der Hafenmauer verendet“.)

      Was geschah mit der Single „Stop Me If You’ve Heard This One Before“?

      „Die Veröffentlichung war mir ungemein wichtig. Rough Trade verschickte Weißpressungen an Radio One, doch sie sagten, sie würden die Platte wegen der Zeile über Massenmord unter gar keinen Umständen spielen. Sie sagten, die Leute würden das sofort mit [dem Massaker von] Hungerford in Verbindung bringen, und Tausende würden sich Maschinengewehre kaufen und ihre Großeltern umbringen. Ich finde, Rough Trade hätten ‚Death Of A Disco Dancer‘ veröffentlichen sollen, nur um ihnen eins auszuwischen.“

      Weil Sie darauf Klavier spielen?

      Er kichert. „Genau! Gibt es einen besseren Grund? Zur Seite, Lieutenant Pigeon!“

      Sagen Sie das, weil die Mutter des Bandleaders von Lieutenant Pigeon damals auf einem Stück Klavier gespielt hat?

      „Ja, aber erinnern Sie sich noch an die Nachfolgesingle? Das Stück hieß ‚Desperate Dan‘. Derselbe Song, aber ohne das Pfeifen.“

      Im Winter des Achtziger-Pop mit seinen Wegwerfikonen und seinem bankrotten Hang zum Kannibalismus sollte die Bedeutung von Steven Patrick Morrissey auf keinen Fall unterschätzt werden. Mit den Smiths wurde er zum provokativsten Kommentator und wortgewandtesten Textdichter des Jahrzehnts. Es schien jedoch bereits, als nähmen wir post mortem eine pathologische Untersuchung an einem wunderbaren Wesen vor, das Morrissey und Marr zusammen erschaffen hatten (nicht vergessen werden darf freilich der hochenergetische Beitrag der Spießgesellen Rourke und Joyce); es war ein Wesen, das ich, wie viele andere, geliebt hatte und nun beweinte.

      Ob Morrissey & Marr als Komponisten einmal in einem Atemzug mit Lennon & McCartney, Lieber & Stoller oder Goffin & King (vielleicht sogar Flanders & Swann) genannt werden, wird erst die Zukunft zeigen. Morrissey war jedoch eindeutig nicht gekommen, um die Smiths zu beerdigen, sondern um ein Loblied auf sie zu singen.

      „Auf der Bühne waren die Smiths eine kraftvolle Einheit und beinahe unantastbar, wie ich persönlich finde. Die einzelnen Bandmitglieder waren in einem körperlichen Sinne ziemlich harte Burschen – Johnny, Mike und Andy spielten ihre Instrumente sehr aggressiv. Das Gefühl von Kraft auf der Bühne war, als würde einem jemand mit dem Staubsauger … über den Rücken fahren! Das Gefühl kennen Sie bestimmt sehr gut!“

      Johnny Marr hatte begonnen, mit den Pretenders zu arbeiten („Es würde mich sehr überraschen, wenn er dort auf ein ähnliches Interesse und eine ähnliche Resonanz stoßen würde wie bei den Smiths“), Rourke und Joyce spielten zusammen entweder bei The Adult Net oder für Sinead O’Connor. War eine Wiedervereinigung der Smiths also bereits unwahrscheinlich?

      „Ich denke die ganze Zeit darüber nach“, sagte Morrissey traurig zu mir. „Eine negative öffentliche Meinung oder arrogante künstlerische Zustimmung zur Trennung der Band lassen mich dabei eher unbeeindruckt. Ich würde eine Wiedervereinigung voll und ganz begrüßen – was nicht heißen soll, dass ich Zweifel an meinem Soloalbum oder der unmittelbaren Zukunft hege. Wenn wir nie wieder zusammenfinden, bin ich sicherlich auch ganz zufrieden mit meinem Leben. Doch ja, ich spiele mit dem Gedanken, und sobald jemand in den Schoß der Familie zurückkehren und Platten aufnehmen will, bin ich dabei!“

      Nun, die Hoffnung besteht … Marr ist jung …

      „Er ist fast noch ein Kind, er ist vierundzwanzig.“

      Es ist also noch reichlich Zeit.

      „Nein, weil ich fast neunundzwanzig bin. In ein paar Jahren bin ich tot.“

      Dann werden Sie nicht der Bing Crosby unserer Generation?

      „Die Janet Street-Porter vielleicht.“

      2.: Die Welt verändert sich

      „Das waren schlimme Zeiten damals“ – Tante Ada, Saturday Night And Sunday Morning

      Morrissey und die Smiths traten an einem wichtigen Wendepunkt in mein Leben. Die frühen Achtziger waren politisch und für mich persönlich trostlos. Mein jüngerer Bruder Don und ich waren in den Siebzigern in Newcastle-Upon-Tyne aufgewachsen und hatten den dortigen wirtschaftlichen Niedergang miterlebt. Im Jahre 1979 zogen wir in den Süden, um in London Arbeit zu finden. Ich fand schließlich einen Job als Sportreporter bei der East End News (dazu gehörte die Berichterstattung über die Spiele in West Ham und die regelmäßigen Veranstaltungen des Repton Boxing Club in der York Hall in Bethnal Green), während Don sich am Londoner University College einschrieb, um Altphilologie zu studieren.

      Harte Zeiten. Neben Massenarbeitslosigkeit, Inflation, dem aufkommenden Thatcherismus und dem zunehmenden Mangel an auch nur halbwegs interessanten Karriereaussichten ereignete sich noch eine ganze Menge anderer Dinge, die einem sensiblen Menschen aufs Gemüt schlagen konnten. Die Ermordung John Lennons Ende 1980, Bob Marleys Tod im Mai 1981, der Hungertod von Bobby Sands und der Tod des Friedens in Irland, ganz zu schweigen vom Einzug Ronald Reagans ins Weiße Haus. Konnte es für die idealistische Jugend Großbritanniens überhaupt noch schlimmer kommen? Aber natürlich – und so kam es auch. Abgesehen von dem eskalierenden Konflikt im Nahen Osten führte Margaret Thatcher Großbritannien auch in den Krieg gegen Argentinien um die Falkland Inseln. Stichwort für weitere Abgesänge auf eine verlorene Jugend.

      In den frühen Morgenstunden des 27. Mai 1982, als Tausende von Meilen entfernt auf den östlichen Falklands die Schlacht von Goose Green tobte, nahm sich mein Bruder das Leben. Als Fan von Joy Division hatte er Ian Curtis’ Selbstmord zwei Jahre zuvor nie ganz überwunden. Er war 21 Jahre alt und wollte schlicht und einfach nicht mehr ein Teil dieser Welt sein.

      Unsere Familie zerbrach beinahe an dem Schmerz über Dons Tod. Es war ungeheuer schwer, einfach weiterzuleben. Wenn ich sage, dass ich wie betäubt vor Trauer war, wäre das untertrieben. Eine Zeile aus einem Biff-Comic der damaligen Zeit beschrieb recht gut, wie ich mich fühlte: wie eine vergessene Socke in der Waschmaschine.

      Emotional war ich monatelang wie gelähmt. Anfangs brauchte ich Schlaftabletten, dann sprach ich mehr und mehr dem Alkohol zu. Ich geriet nicht aus der Spur, es gab keine Spur. Ich zog mich zunehmend in meine kleine Dachkammer in einem Studentenwohnheim in Camberwell zurück, die mir ein guter Freund, der Fotograf Tim Jarvis, in den schwierigen Monaten nach Dons Tod vermittelt hatte.

      Den Rest des Jahres 1982 über versuchte ich, mich vor der Welt zu verschließen, und übernahm die Ansicht Pascals aus Huxleys Die Pforten der Wahrnehmung, dass der Planet ein besserer Ort wäre, wenn die Menschen endlich lernen würden, alleine und still in ihren Zimmern zu sitzen.

      Verzweifelt versuchte ich, die Erinnerung an Don am Leben zu erhalten: In jenen von Trauer und Schuldgefühlen überschatteten ersten Monaten schmökerte ich in seinen mit Eselsohren und Randbemerkungen versehenen Büchern (Beckett, Eliot, Brecht, Orton, griechische Tragödien …) und hörte mir seine kostbare Plattensammlung an. Es war von John Peel inspirierte, seltsame und ungeheuer originelle Musik: The Fall, The Twinkle Brothers, John Dowie, Nico, Gregory Isaacs, die Bands des Postcard-Labels, Michael Smith, Blondie, Wavus O’Shave, The Modern Lovers, Fela Kuti, Buzzcocks, Nico, Rastafari In Dub, Talking Heads, Trinity, The Pop Group …; eklektische Musik, die sich in den Mainstream-Charts nur selten wiederfand.

      Die kommerzielle Begleitmusik der Jahre 1981/1982 hatte mit der gedrückten Stimmung der damaligen Zeit eigentlich nur sehr wenig zu tun. Die Popmusik der Post-Punk-Ära schien, ganz ähnlich wie der Glam- und Prog-Rock der frühen Siebziger, wieder einmal zu einer eskapistischen Nabelschau verkommen zu sein – die Jugend strebte nach Liebe, Lust

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