Im Gespräch mit Morrissey. Len Brown
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Im Gespräch mit Morrissey - Len Brown страница 10
War Morrissey froh, endlich von Rough Trade loszukommen?
„Ganz ehrlich gesagt, ja! Das Jahr 1985 bei Rough Trade war entsetzlich, es kam zu ungeheuren Reibereien. Ich finde, während der gesamten Zeit, als wir Meat Is Murder und die Singles veröffentlichten, die es nicht in die Top 20 schafften, verhielt sich Rough Trade den Smiths gegenüber viel zu aggressiv. Wir wurden wie irgendeine unerfahrene Band aus Harrogate behandelt, und nirgendwo bei Rough Trade wurde anerkannt, dass die Smiths ein gutes Pferd im Stall waren, dass mit den Smiths auch eine Menge Geld verdient wurde. Wir waren in heller Aufregung, weil nichts geschah, um unser Projekt voranzubringen. Da wir kein ordentliches Management hatten, musste ich persönlich um jede einzelne Werbemaßnahme kämpfen. Erst nach der neunten Single konnte sich Rough Trade überhaupt dazu durchringen, wenigstens ein bisschen schwarz zu plakatieren, obwohl unser erstes Album auf Platz zwei in die Charts eingestiegen war und wir bereits eine Reihe erfolgreicher Singles veröffentlicht hatten. Man hatte bei Rough Trade immer den Eindruck, dass sie jederzeit abspringen könnten und glücklich mit dem wären, was sie ohne größere Spekulation erreicht hätten. Wie die Teilnehmer an einer Quizsendung, die sich mit fünf Pfund zufriedengeben und gar nicht erst versuchen, die fünf Millionen abzuräumen, obwohl sie locker für zwanzig Pfund Sprit verfahren haben, um zum Studio zu gelangen.“
Wie wirkte sich der Vertrag mit der EMI auf die Band aus? Waren denn alle vollkommen überzeugt von dieser Entscheidung?
„Ganz und gar nicht! Aber als die Smiths bei EMI unterschrieben, wurde das Leben mit Rough Trade viel leichter und erblühte in einer Art und Weise, wie es nie zuvor der Fall gewesen war.
„Es macht mir zwar keinen Spaß, Rough Trade anzuschwärzen, da ich ihre Dilemmas sehe und sie durchaus verstehen kann – ich finde abschließend aber einfach, dass man uns nicht als den kleinen Schatz betrachtete, der wir in Wirklichkeit waren. So, wie ich das sehe, war ich das einzige Bandmitglied, dem man überhaupt ein wenig Respekt entgegenbrachte. Für Johnny, Mike oder Andy hatten sie nichts übrig.“
Hat sie das verletzt?
„Ja. Sie und mich. Als die Smiths bei EMI unterschrieben, sagte Geoff Travis außerdem gegenüber dem Guardian, die Smiths hätten den Vertrag nur aus reiner Gier heraus abgeschlossen. Das glaubte er zwar selbst nicht ganz, aber es war der Tropfen, der das Fass vollends zum Überlaufen brachte. Es hatte zuvor schon mehrere letzte Tropfen gegeben, aber das war eben der letzte der letzten!“
„Paint A Vulgar Picture“ war also ein Seitenhieb auf Rough Trade?
Er lacht: „Nein, um Rough Trade ging es darin überhaupt nicht. Deshalb war ich ja auch ein bisschen verwirrt, als Geoff Travis, der große Boss von Rough Trade, es so schlimm fand und so dagegen wetterte. Es handelte ganz allgemein von der Musikindustrie, von praktisch allen, die gestorben sind und eine Legende hinterlassen haben, die sich auch heute noch gut verkaufen lässt. Billy Fury, Marc Bolan …“
Was ist mit „You Just Haven’t Earned It Yet Baby“?
„Geoff mochte den Song überhaupt nicht, weil er dachte, er wäre persönlich an ihn gerichtet.“
Und? Richtete er sich persönlich an Geoff Travis?
Er lacht lauthals: „Ich habe nie behauptet, dass sich der Song persönlich an ihn richtet. Das ist nur eine sehr, sehr grausame Interpretation Ihrerseits.“
Waren Sie enttäuscht, dass die letzten Singles bei Rough Trade nicht erfolgreicher waren?
„Ich hatte erwartet, dass sie allesamt größere Hits würden. Natürlich finde ich, dass die Leute Smiths-Platten hören sollten. Unter den gegebenen Umständen hätte ich auch leicht sagen können: ‚Wir nehmen überhaupt nichts auf‘, aber ich bin sehr stolz auf diese Songs. Ich stimmte der Veröffentlichung zu, weil ich eben finde, dass die Leute diese Songs hören sollten. ‚Last Night I Dreamt That Somebody Loved Me‘ und ‚I Started Something I Couldn’t Finish‘ waren großartige Songs, aber es gab eindeutig keine akzeptablen B-Seiten. Ebenso bestand kein zwingender Grund dafür, eine Single-CD oder -Kassette zu veröffentlichen, aber sie sind trotzdem erschienen. Das Ganze ist vertrackt, denn gerade, weil ich wollte, dass diese Songs gehört wurden, schien das Ende der Smiths zum passenden Zeitpunkt zu kommen. Trotzdem dachte ich, wenn es eine letzte Gelegenheit gäbe, mit unserer Musik in den Äther vorzustoßen, dann sollten wir sie nutzen. Ich finde außerdem, dass die Smiths die Sprache der Popmusik erweitert haben, indem sie eine neue Art von Texten einführten, die man in einem Top-40-Kontext bislang noch nicht gehört hatte. Und das ist sehr wichtig. Mir fällt gerade keine andere Band ein, die das momentan macht.“
Wie denken Sie über die schwachen B-Seiten – alte Mixe und Livemitschnitte – der letzten Rough-Trade-Singles?
„Ich kann damit leben. So schlecht sind sie auch wieder nicht. ‚Pretty Girls Make Graves‘ hielt ich allerdings für … [Grimassen]. Ich habe es erst mehrere Wochen nach der Veröffentlichung angehört. Die Platte mit ‚Some Girls Are Bigger Than Others‘ habe ich erst aufgelegt, als sie wieder aus den Charts war.“
Ich erinnere mich daran, wie Sie es in der Brixton Academy gespielt haben.
„Der Gesang war nicht besonders gut, aber soo schlecht ist es auch wieder nicht.“
Wie steht’s mit der Coverversion von James’ „What’s The World“?
„In einer anderen Zeit, mit einer voll funktionstüchtigen Band wäre das nie passiert. Es war einfach … Füllmaterial für die Kassetten-Version von ‚I Started Something I Couldn’t Finish‘.“
Und das angekündigte Live-Album der Smiths bei Rough Trade?
„Nun, es ist sehr gut, also freut es mich eigentlich, dass es herauskommt. Und da viele dieser Songs nie wieder live zu hören sein werden, ist es doch interessant, sie irgendwie dokumentiert zu haben.“
Könnte Rough Trade weiterhin Smiths-Singles veröffentlichen?
„Ja, das können sie. Ich glaube, sie wollen ‚This Charming Man‘ neu veröffentlichen, weil es seit 1932 oder so auf Halde liegt.“
Warum erschien „There Is A Light That Never Goes Out“ nie als Single? Das hätte Ihr größter Hit werden können.
„Man muss Rough Trade zugutehalten, dass sie das Stück als den Song auf The Queen Is Dead haben wollten, aber innerhalb der Band fand dies keine Zustimmung. Wir wollten ‚Bigmouth Strikes Again‘ haben. Ich glaube, dass danach ‚There Is A Light That Never Goes Out‘ kommen sollte, doch bis es so weit war, hatten wir schon ‚Panic‘ geschrieben und wollten es unbedingt … in die Pop-Wildnis hinausschleudern.“
Aber was kann Rough Trade daran hindern, bis in alle Ewigkeit Singles neu aufzulegen?
„Realistisch betrachtet, glaube ich nicht, dass sie das tun können. Es ist einfach vorbei. Sie haben mit der letzten Smiths-Veröffentlichung noch einmal alles herausgeholt, aber ich denke, Rough Trade wissen selbst ganz gut, dass sie nicht viel weiter gehen können. Wenn noch eine Best-Of-Platte erschiene, würden die Leute auf sie losgehen und Geoff Travis steinigen.“
Würde Sie das nicht freuen?