Im Gespräch mit Morrissey. Len Brown

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Im Gespräch mit Morrissey - Len  Brown

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oder?

      „Nein, das wäre es nicht. Ich erinnere mich daran, dass ich einmal Bilder von Patti Smith an Jim Morrisons Grab gesehen habe, aber es hat mir nie etwas bedeutet, diese ganze Doors- und Morrison-Geschichte. Mit Sicherheit ein ganz anderer Mensch als Oscar.“

      Die Grabschänder lässt Morrissey also ungestraft, aber was hielt die Welt der hehren Kunst von den Kritzeleien auf Epsteins Meisterwerk?

      „Wollen Sie damit etwa sagen, dass tatsächlich jemand Smiths-Texte auf das Grab gekritzelt hat?“, rief Simon Wilson von der Tate Gallery aus, die führende Autorität in Sachen Wilde und Epstein. „Das Grab ist ein außergewöhnliches Kunstwerk, und daher finde ich, dass man sämtliche Schmierereien auf dem Ding eigentlich verurteilen sollte. Andererseits gefällt mir der Gedanke ganz gut, dass jemand die Welt der ernsthaften Rockmusik ernsthaft mit Wilde in Zusammenhang setzt. Ich würde Morrissey zustimmen, dass Wilde das möglicherweise interessant gefunden hätte.“

      Wilson, der im Besitz zweier von Epsteins Originalskizzen für das Grabmal war, wies darauf hin, dass Wildes Grab – wie der Tote selbst – eine umstrittene und wechselhafte Vergangenheit hatte.

      „Die Friedhofsleitung bestand bereits kurz nach der Errichtung im Jahre 1909 darauf, dass ein Feigenblatt angebracht wurde. Das wurde später entfernt. In den Fünfzigern kam es zu erneuten Fällen von Vandalismus, als die Genitalien größtenteils abgeschlagen wurden. Es gibt zahlreiche Theorien darüber, wer die Täter waren, und wir versuchten, etwas über den Verbleib der Bruchstücke zu erfahren. Offensichtlich wurden sie anfangs vom Friedhofsaufseher selbst als Briefbeschwerer benutzt. Ja … er benutzte Oscars Eier als Briefbeschwerer!“

      Eier oder nicht – jedenfalls fand Oscar nicht besonders viel Frieden, nachdem er am 30. November 1900 sein Leben ausgehaucht hatte. Er wurde zunächst in Bagneux beigesetzt und später exhumiert und auf den Père Lachaise umgebettet, wo er 1909 unter Epsteins umstrittenem Grabmal begraben wurde. Seitdem gibt jedes Theaterstück und jede überlieferte Erklärung Anlass zu neuen Spekulationen, und es zieht auch weiterhin Scharen von Besuchern zu seiner letzten Ruhestätte in Paris.

      Auf seinem Grab steht ein Auszug aus The Ballad Of Reading Gaol geschrieben: „Die um ihn trauern werden Außenseiter sein/Und Außenseiter trauern immer.“

      Also fragte ich den Außenseiter Morrissey aus Manchester, ob er sich nicht in irgendeiner Form für die Schändung von Wildes Grab verantwortlich fühle.

      „Ich finde, es ist eine große Ehrbezeugung für Oscar, aber ebenso für die Smiths und für mich. Ich finde, wenn irgendjemand das Bedürfnis verspürt, etwas Lustiges auf einen Grabstein zu schreiben, dann ist das ein großes Kompliment für den, der darunter liegt. Ich meine, wie viele Leute werden denn einmal etwas auf Ihr Grab schreiben?“

      Wahrscheinlich wird jemand darauf urinieren.

      „Wenn Sie großes, großes Glück haben.“

      Teil eins: The Smiths

      1.: Die Vergangenheit ist ein fremdes Land

      „Es war eine ganz besondere musikalische Beziehung. So etwas gibt es nur äußerst selten. Johnny und ich werden so etwas nicht noch einmal finden. Bei den Smiths waren Johnny und ich ein ideales Team. Das war definitiv die beste Zeit unseres Lebens.“ – Morrissey

      „Die Leute, die den Smiths nachtrauerten und ihnen immer noch nachtrauern, können sich einfach für den Rest ihres Lebens in einen Keller einschließen, ohne dass ihnen die Smiths-Sachen ausgehen werden. Ich sage immer zu den Leuten: ‚Gibt es denn nicht genug, das man sich anhören kann?‘ Wir haben so viel gemacht. So viele Songs.“ – Johnny Marr

      Man kann die Bedeutung der Smiths für die britische Popmusik gar nicht hoch genug einschätzen. Nach den Beatles – Pionieren, die das Wesen der Popmusik veränderten, indem sie zum ersten Mal Songs schrieben und spielten, die von der britischen Jugend handelten und für sie sprachen – wurden Morrissey und Marr mit ihrer Band in den Achtzigern zu Schöpfern der originellsten und provokativsten Popmusik des späten 20. Jahrhunderts. Auch 25 Jahre nach ihren ersten Radioeinsätzen belegen ihre eingängigen Singles und außergewöhnlichen Alben in den Leser- und Zuschauer-Bestenlisten immer noch obere Plätze, und ihr Werk klingt immer noch frisch und aktuell und inspiriert weiterhin Legionen neuer Künstler.

      „Die Jahre von 1983 bis 1987 waren eine Mischung aus Fabriklicht und Magie. Die Smiths waren die erste Post-Punk-Gruppe, die Kummer, Witz, Stil und Einfallsreichtum verbanden – mit einem beinahe chirurgischen Gespür für den richtigen Moment“, behauptete Andrew Collins im NME. In der Zeitschrift Rage hieß es: „Sie lehnten den hedonistischen Glimmer der Popmaschinerie der frühen Achtziger ab und produzierten stattdessen einen viel beachteten Kanon aus Existenzangst und Realismus, den perfekten Soundtrack für eine verlorene Teenagergeneration.“ Den Worten eines ihrer vielen „Manager“ zufolge, des verstorbenen Scott Piering, waren sie „eine unglaublich subversive Band. Sie hatten alle möglichen Themen, die vollkommen radikal waren, wenn Morrissey sie formulierte. Das war die Schönheit der Smiths. Sie hatten Feuer und Leidenschaft.“ In einer Besprechung des Albums The Queen Is Dead beschrieb der legendäre NME-Autor Nick Kent die Band als „einzig wirklich relevante Stimme der Achtziger“.

      Doch obwohl stets große Hoffnungen in die Smiths gesetzt wurden, später großartige Nachrufe geschrieben wurden und die Band während der Dauer ihres Bestehens (1982–1987) der unbestrittene Liebling der britischen Independentszene war, gelangen ihnen während dieser Zeit nur ganz zwei Top-Ten-Hits in den offiziellen britischen Charts. Das spricht Bände über die völlig verknöcherte Haltung des britischen Mainstream-Radios und -Fernsehens der damaligen Zeit.

      Obwohl sie inzwischen allgemein als innovativste englische Band der Achtziger gelten, spiegelte sich dies in den britischen Charts der damaligen Zeit nicht wider. Selbst die wesentlich düsterere Post-Punk-Musik von Siouxsie & The Banshees und The Cure hatte es in einer Arena, die zunehmend von Tanzmusik, Madonna, Michael Jackson und Prince dominiert wurde, leichter als die der Smiths.

      Für ihre Gegner symbolisierten sie bald „alles, was an der Indie-Musik geziert, pathetisch und verhasst war, indem sie Bilder von traurigen, einsamen Teenagern entwarfen, die des Nachts in ihren Klappbetten die Nase in Gedichtbände steckten“ (Rage). Doch für jene von uns, die dieser außergewöhnlichen Band in beinahe religiöser Ergebenheit folgten, erscheint ihr bitteres Ende (und die darauf folgenden juristischen Grabenkämpfe) bis heute kaum fassbar. Zweifellos belastete das Auseinanderbrechen der Smiths Morrisseys Karriere noch bis zum Ende des 20. Jahrhunderts.

      Als wir uns Anfang Januar 1988 zum ersten Mal begegneten, hatte Morrissey gerade eine traumatische Phase hinter sich. Die Smiths waren frisch beerdigt; ihr Ende lag knapp sechs Monate zurück. Gerade fünf Monate zuvor hatte ich im NME unter der Überschrift „Tomb It May Concern (Anm.: eigentlich: To Whom …, Wen es betrifft; Wortspiel mit tomb, Grab)“ einen Nachruf geschrieben, in dem ich auch auf ihr posthum veröffentlichtes Studioalbum Strangeways, Here We Come eingegangen war.

      „Das Verhältnis zwischen mir und den anderen Bandmitgliedern lässt sich

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