The Who - Maximum Rock III. Christoph Geisselhart
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Bei „Magic Bus“ hatte der Arzt in den Kulissen seine Arbeit an der rechten Gitarristenhand verrichtet, und Pete stürmte zurück ins Rampenlicht. Er demonstrierte alsgleich mit „Pinball Wizard“, weshalb er in erster Linie für die Saitenarbeit bei den Who zuständig war und nicht Roger, der Petes Wunsch nach einem zweiten Gitarristen beseelt aufgegriffen hatte und nun selbst wieder gelegentlich wie in alten Detours-Zeiten die Saiten zupfte. Tags darauf stellte Pete gegen Ende der letzten Show die Dinge mit einem kleinen „Saitenhieb“ endgültig klar: „Letzte Nacht wurden alle, die dabei waren, mit einem ungewöhnlichen Anblick belohnt. Roger Daltrey spielte Gitarre, während ich meine Hand richten ließ. Also halte ich eine kleine Aufmerksamkeit für angemessen. Herausrollen, bitte!“ Und auf Petes Geheiß schob ein Roadie eine billige E-Gitarre und einen winzigen Verstärker auf die Bühne und schloss das wenig imposante Ensemble an den Strom an. Roger spielte einen Akkord, worauf Pete protestierte: „Viel zu laut!“ Dann ging es mit „Shakin’ All Over“ weiter, und bei „Road Runner“ wurde ein Kuchenbüffet auf die Bühne gekarrt, das groß genug war, um ein Männerwohnheim zu verköstigen und infolgedessen ausreichend Munition für die abschließende Tortenschlacht lieferte.
Das Time Magazine widmete „der triumphalen Rückkehr der Who“ einen ausführlichen Bericht, wobei es besonderes Augenmerk auf die offenbar sehr speziellen Fans der Gruppe legte: „The Who spielen für ein Publikum, das alterslos scheint. Für diese Kids ist Rock’n’Roll weit davon entfernt, bloße Unterhaltung zu sein; eher ist es für sie eine Frage von Leben und Tod.“ Die buchstäbliche Richtigkeit dieser Feststellung sollte sich bald tragisch bewahrheiten.
Nach einer dreiwöchigen Pause in London und vier Auftritten, die dem britischen Modpublikum geschuldet waren, setzen The Who ihre USA-Tournee fort. The Kids Are Alright und Quadrophenia kamen im Herbst in Amerika in die Kinos, und so waren Eintrittskarten für die dreizehn Konzerte Mangelware, obwohl die Gruppe in Arenen spielte, die bis zu fünfzigtausend Personen Platz boten. Tourbegleiter Richard Barnes erinnert sich:
„Mir fiel auf, wie unterschiedlich die Zuschauer in den USA und in England waren. In Großbritannien herrschte trotz der Treue der Fans nicht diese schiere Begeisterung. Das Publikum in England war viel kritischer als in den Staaten, wo die Kids entschlossen wirkten, sich einfach nur gut zu amüsieren. Niemand fühlte sich wie in einer Jury, die am Ende Punkte zu vergeben hat. Zudem hatte in England die Punk-Revolution stattgefunden und bewirkt, dass etablierte Bands noch argwöhnisch beobachtet wurden. Logischerweise spiegelte sich das im Auftritt der Gruppe wider. In den USA begann ein gewaltiges Gebrüll, kaum dass der erste Akkord angeschlagen wurde, und die Energie schwappte zurück auf die Bühne, so dass selbst relativ kleine Zuschauerzahlen ausreichten, um eine überwältigende Atmosphäre zu erzeugen.“
Bereits die erste Show im eher kleinen Masonic Auditorium in Detroit wurde zu einem von Hysterie und Euphorie getragenen Rockspektakel, wie es nur ganz große Bands zelebrieren können. Überraschungssongs dieses Abends waren „I Can See For Miles“, „Young Man Blues“ und „Dancing In The Street“, das mit Petes Stück „Dance It Away“ kombiniert wurde. „Ihr – oder eure Eltern – habt damals unserer ersten Platte in Detroit zum Durchbruch verholfen“, erinnerte Pete die örtlichen Fans an eine lange Beziehung, die 1965 mit „I Can’t Explain“ begonnen hatte.
Am 3. Dezember machten The Who nach einem Auftritt in Pittsburgh Station in Cincinnati im Bundesstaat Ohio. Das dortige Riverfront Coliseum, ein erst vier Jahre zuvor erbautes ovales Hallenstadion, in dem normalerweise die örtliche Eishockeymannschaft Cincinnati Stingers vor bis zu zehntausend Zuschauern ihre Heimspiele austrug, bot an diesem Abend fast neunzehntausend Personen Platz. Auch die Karten für dieses Who-Konzert waren innerhalb kürzester Zeit verkauft gewesen. Fast alle Tickets kosteten gleich viel, etwa zehn Dollar, und garantierten dem Inhaber nicht mehr, als dass er in die Halle passte.
Für US-Rockkonzerte war das damals die gängige Praxis. Man nannte diese Platzverteilung Festival Seating. In der Praxis bedeutete dieser hübsch klingende Begriff: Wer zuerst kommt, kriegt die besten Plätze. Demzufolge bildeten sich bereits am Mittag lange Schlangen vor dem auf Betonstützen errichteten Coliseum, das auf der einen Seite durch die Autobahn, auf der anderen durch den Ohio River begrenzt wird. Der Stauraum für die Wartenden wurde bedrohlich eng, als die Menge auf rund achttausend Menschen angewachsen war. Das war gegen achtzehn Uhr dreißig. Die Band erschien ohne Roger Daltrey zu einem späten Soundcheck, was den ungeduldigen Fans vor den Glastüren Anlass zur Vermutung gab, das Konzert würde bereits beginnen.
Von hinten drängten Tausende nach vorn. Dort standen eine Handvoll Ordner, die zwei noch geschlossene Glastüren bewachten – offizielle Quellen sprechen von vier besetzten Eingängen, viele Augenzeugen nur von einer Schiebetür. Einige Menschen kamen im Gedränge zu Fall. Andere warfen die Glasscheiben ein und versuchten durch die aufgesplitterten Lücken ins Innere des Coliseums zu schlüpfen. Gerade einmal fünfundzwanzig Polizisten waren zu diesem Einsatz abkommandiert; sie griffen nicht ein, obwohl viele Menschen um Hilfe riefen.
Nun wurden die Eingänge endlich geöffnet. Das Coliseum hat sechzehn Glastüren, die man alle sofort hätte öffnen müssen, doch die überforderten Ordner befolgten pedantisch die Anweisungen des Veranstalters und quetschten die völlig außer Kontrolle geratene Menschenmenge durch die wenigen vorgesehenen Schleusen, wobei jede Tür nach jedem Besucher geschlossen wurde, damit die Kartenabreißer akribisch die Tickets kontrollieren konnten. Panik brach aus. Einige Fans kletterten über die Wartenden, wodurch weitere Menschen zu Boden fielen, niedergedrückt und zertrampelt wurden. Ihre Schreie gingen im Chaos unter. Wer zwischen die Strömungen der Nachdrängenden und der Zurückgeworfenen geriet, befand sich in höchster Not. Ron Duristch, der zwischen vielen tausend Who-Fans vor dem Coliseum eingeschlossen wurde, berichtet auf der Webseite der Institution Crowdsafe, die nach der Tragödie gegründet wurde, von seiner beklemmenden Erfahrung:
„Eine Welle schob mich nach links, und als ich wieder Halt gefunden hatte, fühlte ich, dass ich auf jemandem stand. Vor lauter Hilflosigkeit schwappte Panik in mir hoch. Ich schrie aus Leibeskräften, dass ich auf jemandem stand. Ich konnte mich nicht bewegen, ich konnte nur schreien. Eine weitere Welle erfasste mich und spülte mich nach links, auf den Eingang zu. Ich fühlte, wie mein Bein nach rechts gestoßen wurde. Die Menge bewegte sich wieder, und ich langte nach unten an mein Bein, wo ich einen Arm zu fassen bekam. Ich kämpfte eine Weile, und schließlich zerrte ich ein junges Mädchen hoch, an deren Glieder sich noch ein Junge klammerte. Die beiden waren nahezu bewusstlos, und ihre Gesichter waren tränenüberströmt.“
Schon jetzt war klar, dass es viele Verletzte geben würde, doch das kümmerte die wenigsten der enthemmten Menschen vor und im Coliseum. Diejenigen, die endlich Einlass in die Halle gefunden hatten, stürmten wie besessen auf die besten Plätze; sie hatten es überstanden und freuten sich auf das Konzert. Richard Barnes, der den Aufbruch zum Soundscheck verschlafen hatte, erreichte das Coliseum kurz nach zwanzig Uhr:
„Als die Limousine zum Backstagebereich einbog, standen da ein großer Feuerwehrtransporter und einige Krankenwagen. Der Polizist winkte uns fort. Wir wendeten, und beim nächsten Versuch wurden wir eingelassen. Ich hielt das Feuerwehrauto für eine Vorsichtsmaßnahme der amerikanischen Städte bei großen Rockkonzerten. Hinter der Bühne traf ich einen alten Bekannten, und gemeinsam beschlossen wir, die Show vom Auditorium aus anzuschauen. Als wir durch die Korridore gingen, sah ich mehrere Feuerwehrleute hinter den Kids hereinhasten. Ich vermutete, dass es irgendwo einen kleinen Brand gegeben hatte, konnte aber nirgends Rauch entdecken. Nach einiger Zeit sah ich weitere Polizisten und Sanitäter, sowohl innen als auch außerhalb der Glastüren. Ich fragte eine Platz-anweiserin, ob es einen Brand gegeben habe. Sie entdeckte meinen Who-Tourpass und meinte: ‚Wisst ihr denn nicht, was passiert ist? Fünfzehn Leute sind umgekommen!‘ Aus irgendeinem Grund glaubte ich ihr nicht. Ich dachte, es habe vielleicht Herzinfarkte gegeben oder