The Who - Maximum Rock III. Christoph Geisselhart

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The Who - Maximum Rock III - Christoph Geisselhart The Who Triologie

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taten wir das nicht. Ich trank damals so viel, dass mir nicht bewusst war, was ich sagte. Ich sagte einige dumme Sachen, was die Familien der Opfer verletzte. Ich sagte zum Beispiel: ‚Alle wollen anscheinend, dass wir uns eine theatralische Träne aus dem Auge wischen, während wir aber nichts anderes tun können, als weiterzumachen.‘ Das ist nicht richtig. Wir hätten durchaus anhalten können. Wir hätten in Cincinnati bleiben müssen. Wir hätten den Familien beistehen können. Ich weiß auch nicht genau, warum wir das nicht taten. Wahrscheinlich weil so viel Geld hinter der Tour steckte. Es hätte ein riesiges rechtliches Durchein­ander gegeben, wenn wir die weiteren Auftritte abgesagt hätten. Unsere Vorstellung war: Wir fahren nach Buffalo, und wir tun das für die gestorbenen Jugend­lichen. Das war natürlich Blödsinn. Unsere Berater, unsere Anwälte lagen komplett falsch. Die Plattenfirma, die Manager, mein Anwalt, die Fans, alle. Und über allen thronte ich selbst als König der Dummheit. Das Erstaunliche für uns war, dass wir für einen kurzen Moment, als man uns nach dem Konzert mitteilte, dass elf Kids gestorben waren, unseren Schutzschild aufgaben. Nur für eine Sekunde. Dann war sie wieder da, unsere ‚Tour-Rüstung‘. Wir sagten uns: Scheiß drauf, durch so eine Sache lassen wir uns nicht aufhalten.‘ Wir mussten das Geschehen vor uns selbst klein reden, denn wenn wir uns seine wahre Bedeutung eingestanden hätten – nicht im Sinn von ,so ist Rock’n’Roll‘, sondern: ,Die Tragödie geschah bei einem unserer Konzerte, und deswegen betrifft sie uns‘ – wenn wir uns das eingestanden hätten, dann hätten wir nicht weitermachen können. Aber das mussten wir. Wir waren eine Rock’n’ Roll-Band. Wenn du auf Tour gehst, wirfst du dich in eine Rüstung und agierst wie in Trance.“

      Wie Pete angedeutet hat, gibt es in der Geschichte der Rockmusik andere ­Beispiele für das Verhalten nach Katastrophen. Beim Roskilde-Festival 2002 wurden­ während des Auftritts von Pearl Jam, die zweifellos zu den besten Livebands der neunziger Jahre gehörten, neun Menschen erdrückt. Das Festival galt als einer der sichersten Konzertorte Europas; entsprechend groß waren der Schock und das Gefühl von Hilflosigkeit. Das Festival wurde zwar ebenfalls nicht unterbrochen, um ein Chaos zu verhindern, aber die neunzig­­tausend Besucher­ und die teilnehmenden Musiker erhielten die Möglichkeit, die Tragödie in einer gemeinsamen Zeremonie aufzuarbeiten. Pearl Jam sagten den Rest der Tournee ab und erklärten, sie würden nie wieder auf einem Festival auftreten. Heute erinnern neun Birken und eine Gedenktafel mit der Aufschrift „So zerbrechlich sind wir“ an das Unglück.

      Das Riverfront Coliseum gehört inzwischen einem großen amerikanischen Kreditunternehmen und trägt keine Gedenktafel. Es durchlebte nach 1979 eine wechselvolle Geschichte. Die Stadt Cincinnati hatte es zunächst schwer, neue Veranstaltungen für die Halle zu buchen, obwohl die Verwaltung sofort ein wegweisendes Verbot für das folgenschwere Festival-Seating erließ. 1980 gastierten im Coliseum die unerschrockenen Südstaaten­rocker von ZZ Top, ein Jahr später Black Sabbath – und jedes Mal waren alle sechzehn Eingangstüren durchgehend geöffnet. Die Halle blieb Bestandteil eines Sportkomplexes, der im Dezember 2002, fast genau dreiundzwanzig Jahre nach dem tragi­schen Who-Konzert, abermals für Schlagzeilen sorgte, als das angeschlossene Baseballstadion unter dramatischen Umständen einstürzte. The Who hatten damals (im Herbst 2002) gerade ihre erste Tournee nach dem plötzlichen Tod von John Entwistle abgeschlossen. In der Berichterstattung wurde der Bassist, der einst auf der Bühne mit seinem makabren Skelett­lederanzug für Aufsehen gesorgt hatte, zwar meist schmerzlich vermisst, aber es hieß auch: „The Who, die schon 1982 ihr angeblich letztes Konzert gegeben ­hatten, kamen zurück – mit zwei Stunden und fünfzehn Minuten leidenschaftlicher, lauter und zumeist erregender Musik.“

      Der Tod hat diese Band anscheinend schon immer eher inspiriert als abgeschreckt. Immer weiter zu spielen, das war ihre große Stärke, auch wenn es unter menschlich-moralischen Gesichtspunkten manchmal fragwürdig wirkte. Aber das waren Kriterien, die für gewöhnliche Sterbliche gelten mochten; für Unsterbliche wie The Who galten sie nicht.

      4.: Empty Glass: Die wilde Tour der leeren Gläser und die Frage, ob Pete im Alleingang die besseren Who-Songs macht

      „Die meisten meiner Songs handeln von Jesus.“

      Pete Townshend

      „Genau besehen macht Pete Townshend sowieso bessere Who-Platten als die Who selbst.“

      Keith Richards, Rolling-Stones-Gitarrist

      „Völliger Blödsinn.“

      Johns Antwort auf Keith Richards

      „Ich sollte in fünf Jahren acht Alben produzieren. Alle Songs schreiben, aufnehmen, touren, Öffentlichkeitsarbeit machen – völlig unmöglich, das zu schaffen.“

      Pete über die lukrativen, aber auszehrenden Plattenverträge 1979/1980

      „Ich kam mir oft genug wie im Gefängnis vor – nach wilden Partys in zerstörten Hotelzimmern.“

      Roger Daltrey über seine Rolle als McVicar

      Je länger Keith Moon tot war, desto mehr schien sich seine Abwesenheit bemerkbar zu machen. Eine seltsame Schwere begleitete die Band, eine Art von alptraumhafter Benommenheit, die nach der Tragödie von Cincinnati fast mit Händen zu greifen war. Wie sehr hätte man in dieser Situation Keiths Unbekümmertheit brauchen können!

      Mit der Fortsetzung der Tournee verblassten die Eindrücke des Unglücks natürlich; seine Folgen blieben jedoch unübersehbar. Das erste Konzert fand am Tag danach statt, passenderweise im Memorial Auditorium von Buffalo. Es begann unter strengen Sicherheitsvorkehrungen mit fast zwei Stunden Verspätung, um allen Fans Gelegenheit zu geben, in Ruhe einen Platz zu finden. The Who, die wegen der Ereignisse spät angekommen waren, verzichteten auf den obligatorischen Soundcheck. Gleichwohl lieferten sie laut Augen­zeugen­berichten „eine der besten Shows, die die Stadt je gesehen hat.“

      Der emotional immer noch stark aufgewühlte Roger widmete das Konzert den Opfern der Katastrophe vom Vorabend. Die Band erfuhr sehr große Loyalität und Unterstützung von Fans und Medien, in den USA sogar noch mehr als in Großbritannien. Einige Veranstalter und Kommentatoren sahen sich freilich in der Auffassung bestärkt, dass die sogenannte „britische Rowdyband“ einen Risikofaktor darstellte. In ihren Köpfen geisterte die Vorstellung einer ekstatischen Gewaltorgie herum, bei der die durch Rockmusik aufgepeitschten Fans in der Arena des Coliseums außer Kontrolle geraten waren. Man erinnerte sich an Townshends rituelle Gitarrenvernichtung und schloss daraus, dass die Toten von Cincinnati Opfer einer in unverantwortlicher Weise mitreißenden Bühnenshow geworden waren. Dass die Menschen vor den Toren der Halle zerdrückt worden waren, weil die städtischen Ordnungskräfte ­versagt hatten, wurde über das Vorurteil von drogenberauschten heidnischen Musikern, die nicht minder berauschte Jugendliche aufwiegeln, übersehen.

      Die Band und ihr Management standen jedenfalls nach Cincinnati unter noch argwöhnischerer Beobachtung, zumal sie in Schadensersatzprozesse verwickelt wurden, die sie zum Teil noch jahrelang beschäftigten. Obwohl alle Klagen und Regressansprüche nach und nach und ohne Wenn und Aber ­ab­gewiesen­ wurden, litt der Ruf der Gruppe darunter. Vielleicht noch mehr als die Band litten aber die Fans unter den oft ermüdenden und ernüchternden ­Schutzmaßnahmen, die fortan bei allen Konzerten ergriffen wurden.

      „Sofort nach Cincinnati verdoppelten, verdreifachten, vervierfachten wir die externen Sicherheitskräfte, teilweise auch, um Schuldzuweisungen abzuwehren“, erzählt Pete. „Das war ja das Problem in Cincinnati gewesen: die externen Ordnungskräfte, Leute, die wenig Erfahrung mit Rockkonzerten hatten, deren mangelhaften Kenntnisse und Kommunikation. Aber nach einer Weile beschwerten sich die Kids. Überall, wohin sie blickten, ­standen Bullen. Das verdarb ihnen den Abend. Sie dachten, okay, es geschah in Cincinnati, aber doch hier nicht. In Seattle beklagte sich sogar eine Zeitung über allzu viele Sicherheitskräfte, die Jugendlichen von Seattle ­hätten sich schließlich immer anständig betragen.

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