The Who - Maximum Rock III. Christoph Geisselhart
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The Who standen indessen auf der Bühne und spielten ein begeisterndes Konzert vor Zuschauern, die ebenfalls keine Ahnung hatten, was einige Meter hinter ihnen geschehen war. In der Halle herrschte eine völlig andere Stimmung als in den Gängen und vor dem Coliseum, wo man die ersten Toten nach einer halben Stunde entdeckt hatte und Dutzende von Verletzten ärztlich versorgte. Der alarmierte Richard Barnes eilte zurück in den abgeschotteten Bereich hinter den Kulissen:
„Bill Curbishley stand hinter der Bühne an der Verstärkerwand. Ich sagte ihm: ‚Ich habe gerade gehört, was passiert ist.‘ Er erklärte, die Gruppe wisse von nichts, und wir sollten so wenigen Leuten wie möglich davon erzählen. Er hatte es erst nach der fünften oder sechsten Nummer erfahren; der Promotor hatte ihm mitgeteilt, dass es zwei Tote gegeben habe. Kurz darauf waren es vier Tote, die angeblich an einer Überdosis Drogen gestorben waren. ‚Erst mit dem Fortgang der Show bekam ich mit, was wirklich geschehen ist‘, sagte Bill. Jemand schlug vor, das Konzert abzubrechen; aber Bill meinte, das sei das Schlechteste, was die Verantwortlichen tun konnten: ‚Wenn Sie neunzehntausend Jugendlichen erklären, dass einige von ihnen da draußen tot liegen, werden Sie keine Möglichkeit mehr haben, den Platz in Ordnung zu bringen, und hier drinnen bricht Gewalt aus.‘ Der Leiter der Feuerwehr war der gleichen Ansicht. In der kurzen Pause vor der Zugabe versammelte Bill die Band im kleinen Aufwärmraum und sagte: ‚Es ist etwas sehr Ernstes geschehen. Ich möchte, dass ihr jetzt rausgeht und eure Zugabe spielt und dann geradewegs wieder hierher kommt. Ich werde euch alles erklären.‘ Bill wies sie an, mit niemandem zu sprechen, sondern sofort zurück hinter die Bühne zu kommen. Pete stieß ein kurzes nervöses Lachen aus und zündete sich eine Zigarette an. Dann besprachen sie, welche Stücke sie spielen wollten, und gingen zurück auf die Bühne.“
Wenn es bei einer Vergnügungsveranstaltung zu einem Unglück kommt, was angesichts von vielen Menschen am selben Ort gar nicht so unwahrscheinlich ist, wie es den trügerischen Anschein hat (tatsächlich wächst ja die statistische Gefahr eines Unfalls mit der Zahl der Menschen, ungeachtet ihrer Fröhlichkeit), stellt sich immer die gleiche Frage: Soll man die Veranstaltung abbrechen oder weitermachen? In den meisten Fällen heißt es: „The show must go on!“ Auch in Cincinnati waren die besseren Argumente wohl auf der Seite der Befürworter dieser Strategie, die darauf zielt, die Menschen nicht zusätzlich in Unruhe zu bringen, sondern die Situation zu kontrollieren. Der Schock wirkt allerdings umso heftiger, wenn die Wahrheit verzögert ans Licht kommt. Die Überlebenden fühlen sich nicht nur bedrückt und traurig, was die natürliche Reaktion auf das Unglück anderer ist, sondern noch dazu schuldig und hintergangen. „Wir haben uns vergnügt, während andere qualvoll sterben mussten – weshalb hat uns niemand etwas davon gesagt?“ The Who teilten diese schmerzhafte Erfahrung mit ihren Fans; jedenfalls an diesem einen Tag, in dieser Nacht, bevor sie weiterzogen. Richard Barnes berichtet von den Reaktionen, nachdem der Manager seiner Band in der Garderobe reinen Wein eingeschenkt hatte:
„Die Stimmung war verständlicherweise sehr niedergeschlagen und angespannt. Das Büffet wurde kaum angerührt, und es kamen keine Gäste in dieser Nacht. Einige standen in Gruppen zusammen und sprachen leise über das Geschehen. Die meisten waren sprachlos und schwiegen. Wir kannten immer noch nicht die genauen Fakten. Bill wusste von zehn Toten, ich hatte von elf oder fünfzehn gehört. Die Band stand unter Schock. Roger war besonders emotional und den Tränen nahe. Er verkündete das Ende der Tournee, später sogar das Ende von The Who. Die Gespräche drehten sich im Kreis, jeder suchte nach Erklärungen, keiner fand eine. Stunden vergingen auf diese Weise. Alle waren erschöpft und leer, als wir nach draußen geführt wurden und in Autos einstiegen, die uns zum Hotel brachten. Der Veranstalter wollte, dass die Band die Stadt noch in der Nacht verließ. Vor dem Hotel warteten schon Reporter und Fernsehkameras, wir hasteten vorbei auf unsere Zimmer. Vor der Suite, die ich mit Pete teilte, standen zwei Wachmänner, um die Presse fernzuhalten; innen wanderten wir ruhelos umher und versuchten rauszukriegen, wer wo untergebracht war. Nach einiger Zeit telefonierte John alle zusammen, und wir trafen uns in seiner Suite. In einem solchen Moment will keiner allein sein. Einige standen immer noch unter Schock und hockten bloß stumm da, andere hatte sich schon alles von der Seele geredet und fühlten sich nun müde und leer. Die Tragödie selbst wurde kaum mehr besprochen. Der Fernseher lief, daraus bezogen wir unsere Informationen. Dank John, der erkannt hatte, dass keiner schlafen konnte und sich jeder in seinem Zimmer eingesperrt fühlte, kamen wir allmählich zur Ruhe, indem wir einfach nur zusammenblieben und jemanden zum Reden hatten. Am nächsten Morgen erwachte ich gegen sechs Uhr dreißig und schaltete den Fernseher ein. Namen, Anschriften und Alter der Opfer flimmerten über den Bildschirm. Ich lag im Bett und fing an zu heulen. Das Hotel war voller Presseleute und Kamerateams. Auf dem Weg zum Frühstück lief ich drei Reportern vom Time Magazine in die Arme. Vor Bills Zimmer stauten sich an die dreißig Journalisten, drinnen gab die Band eine kurze Erklärung ab. Dann wollten wir gehen und begaben uns zum Aufzug. Irgendwie war Kenney vergessen worden, also lief ich zurück, holte ihn und bugsierte ihn durch die Presseleute hindurch in den Aufzug. Es war eine bizarre Situation. Pete, Roger, John, Kenney, Rabbit, Bill und noch ein paar andere standen im Lift und warteten, dass der sich in Gang setzte, und uns gegenüber standen wenigstens sechs Reporter, ein Kameramann und die Fotografen, die unentwegt filmten, knipsten und fragten. Die Band war geschockt und rührte sich nicht. Endlich sagte Bill: ,Würden die Herren von der Presse jetzt bitte zurücktreten?‘ Nach einer Reihe weiterer Fragen gingen die Reporter endlich, und der Aufzug fuhr ins Erdgeschoss. Umgeben von Wachleuten wurden wir vom Hotelmanager an verdutzten Köchen und Mülltonnen vorbei durch Wäschezimmer und Küche in den Hinterhof zu einigen wartenden Autos geschleust. Wir rasten davon und ließen die meisten Presseleute zurück. Ein Fernsehteam folgte uns bis ins Flugzeug, das wir für den Flug zum nächsten Auftritt in Buffalo gebucht hatten. Die Fluggesellschaft verweigerte aber die Erlaubnis für Interviews an Bord. Bei der Ankunft warteten schon wieder Kamerateams, aber die Gruppe verließ die Maschine über eine eigene Treppe, die direkt zu den vorgefahrenen Autos führte.“
Richard Barnes’ Schilderungen spiegeln nachvollziehbar wider, weshalb die Schuldgefühle bei der Band immer größer wurden. Verfolgt und getrieben von den bohrenden Fragen der Journalisten – ein Veranstalter wollte sogar, dass sie die Stadt bei Nacht und Nebel wie Verbrecher verließen – gewannen Pete, Roger und John den Eindruck, dass sie persönlich am Tod von elf Menschen Anteil trugen. Je mehr über die Opfer bekannt wurde, desto stärker wurden ihre Schuldgefühle: Jacqueline Eckerle und Karen Morrison, fünfzehnjährige Freundinnen, waren gemeinsam zum Who-Konzert gegangen; sie kamen nicht mehr nach Hause. Brian Wagner, siebzehn, starb, sein Bruder überlebte. Connie Sue Burns, einundzwanzig und Mutter von zwei kleinen Kindern, war mit ihrem Ehemann unterwegs gewesen. Eine weitere junge Mutter hinterließ zwei kleine Kinder. Die elf Toten waren zwischen fünfzehn und siebenundzwanzig Jahre alt geworden – sieben Teenager, vier Erwachsene; sieben männlich, vier weiblich: „Ein repräsentativer Querschnitt der Who-Fans“, wie Dave Marsh in seiner Biografie kühl vorrechnet.
Man kann es auch taktvoller ausdrücken: dass nämlich ein Teil von The Who in dieser Tragödie, der furchtbarsten in der Geschichte US-amerikanischer Rockkonzerte, zweifellos mit den Opfern starb.
Um es klar zu sagen: The Who trugen keinerlei messbare Schuld. In den umfangreichen Untersuchungen, die auf das Unglück folgten, wurde nie ein Fehlverhalten der Band oder ihrer Manager erwähnt. In der abschließenden neunzigseitigen Dokumentation, an der eine zur Vermeidung ähnlicher Katastrophen einberufene Kommission in Cincinnati zwei Jahre gearbeitet hatte, tauche die Gruppe nicht einmal namentlich auf. Doch das änderte nichts daran, dass die Toten das Gewissen der Musiker nachhaltig bedrückten.
„So etwas kann bei einem Fußballspiel passieren oder bei einer Universitätsfeier“, erkannte Pete. „Es war mehr ein Zeichen für die Jugendlichen, die zu Rockkonzerten