Fantasy. Martin Hein

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Fantasy - Martin Hein Musiker-Biografie

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vorstellte, sagte er hingegen sofort, wir sollten Franz zu ihm sagen. Meine Mutter war sicherlich erleichtert, dass wir den neuen Mann an ihrer Seite so offen und großherzig aufgenommen haben. Aber Franz machte es uns auch einfach. Wir konnten es kaum abwarten, bis endlich wieder Wochenende war. Er ging mit uns zum Eis essen oder zum Fußball und brachte jedes Mal, wenn er kam, einen neuen Videofilm aus der Videothek mit. Ab sechs Filmen wurde es billiger. Wir durften uns aussuchen, was wir sehen wollten. Wir liebten Karate-Filme. Vor allem den Schauspieler Bruce Lee, der ein begnadeter Kampfkünstler war. Seine Filme, um die wir uns regelrecht rissen, hießen: Todesgrüße aus Shanghai, Der Mann mit der Todeskralle, Die Geburt des Drachens. Er war so cool!

      Franz wurde in unserer Familie also extrem schnell aufgenommen. Einen besseren Mann und Menschen an ihrer Seite hätte meine Mutter nicht finden können. Er hat uns Kinder niemals angebrüllt oder geschlagen. Egal, welchen Mist wir anstellten, er war für uns da und stand uns sogar bei, wenn meine Mutter schimpfte. Franz war etwa zur selben Zeit wie wir aus Polen ausgewandert. Im Sprachkurs in Oberhausen lernten meine Mutter und er sich kennen. Dank Franz besaß sie schnell einen großen Freundeskreis, denn in unserer Nähe lebten viele Polen. Wir waren wie eine große Familie, trafen uns regelmäßig zum Grillen oder am Badesee. Das war toll. Und durch Franz hatten wir nun auch ein eigenes Auto und endlich wieder einen normalen, in unseren Augen schon fast luxuriösen Lebensstandard. Als meine Mutter fragte, ob wir etwas dagegen hätten, wenn Franz bei uns einziehe, jubelten wir vor Freude …

      Der Videorekorder gehörte nun also auch fest zur Familie. Franz arbeitete als Bergmann unter Tage. Er ackerte ziemlich hart, 1.000 Meter unter der Erde, acht Stunden täglich bei 40 Grad. Ich bin mir sicher, dass er diese Tortur in erster Linie für meine Mutter und für uns Kinder auf sich genommen hat. Er war es, der uns keinen Wunsch abschlug, im Gegensatz zu meiner Mutter. Wenn ich ein Paar neue Turnschuhe haben wollte, sagte sie nein, Franz ja. Er ermöglichte uns ein Leben, in dem wir uns schöne Dinge leisten konnten, und schenkte uns dazu noch ganz viel Liebe und Zuwendung. Wann immer wir ihn brauchten, Franz war und ist (bis heute) für uns da.

      Für sich und für uns hätte meine Mutter keinen besseren Menschen finden können. Nie hat er sich in ihre Erziehung eingemischt. Ich kenne das gar nicht, dass er irgendwie brüllte: „Martin, komm mal her, was habt ihr da gemacht?“ Er hat mit uns immer nett gesprochen und uns verwöhnt. Ich weiß noch, dass ich einmal unbedingt eine Hose der Marke Vanilla haben wollte, die aber über 100 Mark kostete. Undenkbar für meine Mutter! Mein Kumpel Frank, dessen Eltern wesentlich mehr Geld zur Verfügung hatten als wir, besaß diese Hose natürlich schon in drei Farben. Klar, dass ich auch eine haben wollte. Ich steckte mitten in der Pubertät und nervte meine Mutter kolossal. Sie aber blieb streng: „Nein, die Hose gibt es nicht.“ Ich maulte tagelang. Irgendwann sagte Franz in seiner ruhigen Art zu meiner Mutter: „Ach, komm doch, Ursula, wir kaufen Martin diese Hose, wenn er sie sich so sehr wünscht.“ Meine Mutter gab nach, wahrscheinlich des lieben Friedens willen. Franz hatte einmal mehr in meinem Sinn gesprochen. Ihn als Stiefvater zu haben war ein Traum.

      Trotzdem hatte ich regelmäßigen Kontakt mit meinem leiblichen Vater, der etwa 70 Kilometer von uns entfernt wohnte. Ich bin mir sicher, dass ich meine Liebe zur Musik und meine lustige, vorlaute Art von ihm geerbt habe. Zumindest sagen alle in unserer Familie, dass ich wie eine jugendliche Kopie von ihm wirke. Und meine Mutter behauptete immer, ich hätte sogar die Art, wie ich gehe, von ihm geerbt.

      Kapitel 8:

      Martins Vater verlangt einen Vaterschaftstest

      Mein Papa hat die Trennung von meiner Mutter nie verkraftet. Er wollte sie nicht. Ich habe später oft darüber nachgedacht, weshalb diese Jugendliebe scheitern musste. Für mich steht eindeutig fest, dass die Erwartungen auf beiden Seiten zu hoch waren. Keiner konnte dem anderen geben, was er all die Zeit über vermisst hatte und sich nun so sehr wünschte. Meine Mutter wusste, dass sie ihre Schwiegermutter hätte aus der Wohnung werfen müssen, aber das wollte sie natürlich nicht. Mein Vater wiederum zeigte sich überhaupt nicht einsichtig, und als sie ihm die Meinung geigte, fing die Trennungsschlacht an.

      Vater sah plötzlich alles nur noch negativ und überzog seine Noch-Frau mit einer juristischen Klage nach der anderen. Jeder Mist wurde vor Gericht verhandelt. Er quälte und schikanierte meine Mutter, wo er nur konnte. Sogar die Tatsache, dass meine Mutter bei unserer Ausreise aus Polen seinen alten braunen Filzhut vergessen hatte, war ihm einen Gerichtsprozess wert. Er führte an, es habe sich immerhin um ein recht wertvolles Erbstück gehandelt. Meine Mutter musste also in den Zeugenstand, wir Kinder saßen weiter hinten auf den Besucherplätzen im Saal und verfolgten staunend den Streit zwischen unseren Eltern. Dem Richter sagte sie keck: „Entschuldigen Sie mal bitte, Herr Richter. Sie wollen mich bestrafen, weil ich diesen alten Hut vergessen habe, mit dem die Kinder in Polen Räuber und Gendarm spielten? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein?!“ Die Klage wurde abgewiesen. Meine Mutter kochte trotzdem vor Wut.

      Sie hat uns aber nie verboten, Kontakt zu unserem Vater zu haben. Das rechne ich ihr bis heute hoch an. Und sie hat auch vor uns Kindern niemals böse oder abfällig über ihn geredet. Wir bekamen zwar mit, wie sauer sie auf ihn war. Trotzdem wussten wir, dass im Ernstfall, wenn wir sie brauchten, beide Eltern für uns da sein würden. Das war ein beruhigendes Gefühl.

      Mein Vater war in jungen Jahren Musiker. Gitarrist und Sänger in einer kleinen Dorf-Band in Polen. Deshalb wünschte ich mir, als ich 13 Jahre alt war, auch eine Gitarre zu Weihnachten. Mein Stiefvater Franz hat sie mir schließlich gekauft. Natürlich der Franz, wer sonst?

      Als ich meinen Vater im Januar darauf besuchte, nahm ich die Gitarre mit. Ich war so stolz! Tatsächlich schlug er vor, mir drei Akkorde beizubringen. Die sollte ich üben, damit ich einfache Lieder spielen könnte. Das hat mich fasziniert. Ab da übten wir jedes Mal auf der Gitarre, wenn ich bei ihm war. Wir saßen nebeneinander, spielten und waren glücklich. Zumindest dachte ich das.

      Eines Tages waren wir bei Freunden von Papa zum Grillen eingeladen. Als wir spät abends nach Hause kamen, ging ich gleich ins Bett. Mein Vater setzte sich zu mir auf die Kante. Er war leicht angetrunken und sagte zu mir: „Martin. Bitte denk daran, ich liebe deinen Bruder und dich mehr als mein Leben. Ganz egal, was auch passiert.“ Ich gab ihm noch einen Kuss und schlief sofort ein. Gedanken darüber, was er mit diesem mysteriösen Satz gemeint haben könnte, machte ich mir erst Tage später.

      Was soll ich sagen – von meinem Vater habe ich ab diesem Tag nichts mehr gehört. Es vergingen Tage, Wochen, Monate ohne ein Lebenszeichen. Wir wunderten uns zwar darüber, aber wir trauten uns auch nicht, ihn anzurufen, da es sonst immer er gewesen war, der sich bei uns gemeldet hatte.

      Ich vermisste meinen Vater unendlich. Aber mein kindliches Urvertrauen sagte mir, dass es für ihn sicher einen triftigen Grund gebe, weshalb er sich zurückgezogen hatte.

      Fast vier Jahre später wussten wir endlich, was dahintersteckte. Meine Eltern waren immer noch nicht geschieden, und der Trennungskrieg tobte nach wie vor. Eines Tages lag dann ein Schreiben im Briefkasten, das eindeutig nichts Gutes verhieß. Als wir es gelesen hatten, stand jeder von uns unter Schock. Es war eine Vorladung für meinen Bruder und mich zum Zwecke eines Vaterschaftstests. Das hat uns natürlich die Beine weggezogen. Meine Mutter wechselte zwischen Sprachlosigkeit und hysterischem Geschrei. Sie sagte: „Euer Vater und ich stammen aus demselben kleinen Dorf. Wir kennen uns seit der Schulzeit. Ich war 16, er war der erste Mann, mit dem ich intim war. Und jetzt unterstellt er mir, seine beiden Kinder seien nicht von ihm?“ Sie war fix und fertig. Mein Bruder und ich aber auch.

      Es half aber alles nichts. Uns beiden wurde Blut abgenommen. Einige Tage später stand das Ergebnis fest: „Anton Hein ist zu 99,999 Prozent der Vater von Martin Hein und Damian Hein.“ Nun hatte er es Schwarz auf Weiß.

      An der Situation änderte sich aber trotzdem nichts mehr. Mein Vater wollte keinen Kontakt mehr zu seinen Söhnen haben. Und die nächsten 15 Jahre

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