Steve Howe - Die Autobiografie. Steve Howe

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Steve Howe - Die Autobiografie - Steve Howe

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der Feder des berühmten Duos Leiber & Stoller, den ich erst unlängst solo aufgenommen habe. Auf der B-Seite spielte Ray Fenwick die Gitarre. „On The Horizon“ kletterte bis auf Platz 17 der Charts von Caroline Radio, einem Sender, der von einem Boot aus operierte, das in internationalen Gewässern durch die Nordsee schipperte. Bei diesem Song verwendete ich ein Pedal, mit dem ich Lautstärke und Klangfarbe regeln konnte. So wie schon Chet Atkins hatte auch ich dieses Pedal für meine Zwecke entdeckt, bevor ich mir etwas später ein viel besseres Modell von Fender zulegte. Beide Geräte waren Vorläufer des Wah-Wah-Pedals, das wir alle kennen und lieben.

      Leider hatten wir aber keine Vielzahl an Gigs gebucht, weshalb langsam alles zu zerbröckeln begann. Ich verließ die Band um den Zeitpunkt der Aufnahmesessions herum, weshalb dann eben auch Ray Fenwick auf der B-Seite der Single Gitarre spielte. Er sollte später noch bei der Spencer Davis Group, Tee-Set und der Ian Gillan Band spielen. 2003 heuerte ich ihn als zweiten Gitarristen für meine Band im Rahmen der „Remedy“-Tour an.

      Während einer meiner letzten Sessions mit der Band wurde Joe Meek aufgrund unserer musikalischen Darbietung sauer auf uns. Nach nur einen Durchlauf meinte er: „Hoffentlich bringt ihr den Song auf die Reihe, bis ich wieder zurückkommen – ansonsten könnt ihr euch verpissen!“ Er stürmte hinaus und kehrte eine Stunde später wieder zurück. Zum Glück schien er nun aber mit unserer Leistung zufrieden zu sein. Wir erlebten auch, wie er manchmal mit seiner Rezeptionistin schimpfte. Trotz allem verstand Joe sein Handwerk im Studio. Sein Sound nahm einige Anleihen bei Phil Spector, aber eben auf eine europäische, poppige Art und Weise. Damals galt „kommerziell“ noch als Schimpfwort. „Telstar“ von den Tornadoes war in den USA ein Nummer-eins-Hit, und seine Hits mit den Honeycombs und John Leyton klingen auch heute noch einmalig. In seinen Anfangstagen hatte er bei einem wunderbaren Album von Big Bill Broonzy namens London Sessions als Tontechniker fungiert. Das fiel mir erst viel später auf. Broonzy war und ist auch heute noch mein allerliebster Blues-Gitarrist und -Sänger. Sein Songwriting und seine Spieltechnik waren stets absolute Weltklasse. „The Glory Of Love“ aus der Feder von Peter Maurice sorgt bei mir heute noch für Gänsehaut. „St. Louis Blues“ und „Minding My Own Business“ sind nicht minder außergewöhnlich.

      Der elektrifizierte City-Blues wurde zusehends immer populärer, doch selbst fühlte ich mich in der akustischen Tradition des Country-Blues verwurzelt. Ich kreierte meinen Sound, indem ich mich in eine kleine Nische über einem (ungeheizten) Ofen in der Küche meiner Eltern in London setzte. Dort hatte ich eine herrliche Akustik, nicht unähnlich jener, die Broonzy in den Fünfzigerjahren hatte, als er „Southern Saga“ aufnahm, eine gesprochene Blues-Nummer, von der ich jedes Wort auswendig kannte. Sein Spiel und sein Gesang waren so prägnant. Das Buch I Feel So Good, das Bob Riesman über Bill schrieb, habe ich förmlich verschlungen.

      * * *

      Als „musikalische Aushilfe“ irgendwo mal schnell einzuspringen, hat mir immer schon Spaß gemacht. Das erste wirklich denkwürdige Engagement dieser Art haute mich fast aus den Socken! Immerhin galten Chris Farlowe & The Thunderbirds damals als eine der besten R&B/Jazz/Blues-Gruppen – und ihr Gitarrist war der großartige Albert Lee! Die Syndicats hatten für sie bereits als Anheizer fungiert. Als Albert einstieg, besuchte ich eines ihrer Konzerte in Watford. „Steve, du schaust uns heute besser genau auf die Finger, weil wir einen neuen Gitarristen am Start haben“, meinte Chris. Meine Bandkollegen mussten mich dann buchstäblich stützen, so gut war der! An diesem Abend spielte Albert eine schwarze Les Paul Custom mit drei Tonabnehmern durch einen Fender-Bassman-Amp. Der Sound war so umwerfend, dass ich ihn heute noch hören kann. Das klang extrem durchdringend und ohrenbetäubend. Doch viel mehr noch beeindruckte mich sein Spiel. Er hielt gleichzeitig ein Plektron und zupfte mit seinen Fingern, so wie ich das auch versucht hatte. Hier ging ganz offenkundig jemandes Stern auf. Die Band ließ ihm jede Menge Raum, damit er sich entfalten konnte. Seine Solos rockten heftig.

      Etwas später, vor einem Gig in Wolverhampton, fühlte sich Albert unwohl, und ich erhielt auf den allerletzten Drücker einen Anruf von Chris Farlowe. Er erkundigte sich, ob ich einspringen könne. Natürlich wollte ich mir diese Gelegenheit nicht entgehen lassen. Es war hammermäßig, überhaupt gefragt zu werden. Außerdem war es unbeschreiblich, jemanden zu vertreten, vor dem ich so großen Respekt hatte. Darüber hinaus wurde ich via M1 von London nach Wolverhampton und zurück in einem Aston Martin DB6 Cabrio chauffiert. Meine Gitarre lag auf der Rückbank neben mir. Ich wurde am Nachmittag am Nag’s Head in der Holloway Road abgeholt und kam gerade rechtzeitig an, als die Band ihre Ausrüstung aufbaute. Jemand drückte mir eine Setlist mit Songtiteln sowie deren Tonarten in die Hand: „Stormy Monday Blues“ in F-Dur und so weiter …

      Nach dem Soundcheck und einem Probelauf durch den ersten Song wurde das Publikum eingelassen. Für meinen Geschmack ein wenig überhastet begann unser Konzert schließlich um 20 Uhr. Mir wurde angewiesen, einfach über das Spiel der Band hinweg zu improvisieren. Um Himmels willen, wem verdanke ich bloß diese wunderbare Gelegenheit?, fragte ich mich. Es war der absolute Hammer! Die unterschiedlichen Tonarten, Tempos und Riffs verschmolzen miteinander, und ich bestand diesen Test mit wehenden Fahnen. Meine Liebe für zwölftaktige Musik hat niemals wieder eine solch optimale Bühne geboten bekommen wie an jenem Abend! Allerdings sollte ich noch oft großartige Möglichkeiten erhalten, spontan mit anderen Musikern zu spielen und jeweils noch mehr über die unerwarteten Freuden musikalischer One-Night-Stands erfahren zu dürfen.

      Kapitel 4

      Stets voran

      Mein Freund Dave betrieb einen Gitarrenladen namens Lewison Guitars in der Charing Cross Road. Er legte ein gutes Wort für mich ein, als er hörte, dass für eine Band ein Gitarrist gesucht wurde.

      Die Band hieß The In Crowd. Ich traf mich mit Sänger Keith West in einem nahegelegenen italienischen Restaurant. Die Gruppe hatte erst unlängst mit dem Cover eines Songs von Otis Redding, „That’s How Strong My Love Is“, den Einstieg in die Charts geschafft. Keith hatte mich mit den Syndicats auf Eel Pie Island, einer Themse-Insel, gesehen und hielt mich für einen passablen Musiker. So wurde ich eines Nachmittags zum Vorspielen im Club Noreik in Tottenham eingeladen. Ein peinliches Detail: Ihr ursprünglicher Gitarrist Les Jones kreuzte ebenfalls auf! Der Rest der Band waren John „Junior“ Woods, der Rhythmusgitarre spielte und Harmonien sang, Simon „Boots“ Alcott am Bass und Ken Laurence am Schlagzeug. Ihre Inspiration bezogen sie primär aus dem Soul.

      Das Vorspiel verlief tadellos, und nur wenige Tage später spielte ich mit ihnen einen Playback-Auftritt in einer Fernsehsendung namens Thank Your Lucky Stars, um ihre neue Single zu promoten. Ich lernte alle ihre Songs und wurde immer besser. The In Crowd enterten die Hitparade, weshalb ich mich nun auf kreischende Girls und ein generell größeres Spektakel bei ihren Live-Auftritten einstellen musste. Da ging es schon turbulenter zu als noch bei den Syndicats. Es machte jedenfalls Spaß und war auch profitabel.

      Die Gruppe unterschrieb dann einen Vertrag bei der EMI mit Produzent Roy Pitt. Meine erste Aufnahmesession fand in den De Lane Lea Studios in Holborn statt, wo wir einen Soul-Song namens „Stop! Wait A Minute“ einspielten, der im September 1965 erschien. Ich erinnere mich noch einigermaßen gut an diesen Studiotermin. Mein Lautstärken- und Klangfarben-Pedal kam auf der B-Seite „You’re On Your Own“ zum Einsatz. Mit The In Crowd aufzunehmen stellte einen deutlichen Fortschritt hinsichtlich geordneten Vorgehens und Professionalität dar. Es fühlte sich kontrolliert an, aber eben auch frei jenes schmuddeligen Feelings, das im RGM geherrscht hatte. Beide Songs enthielten Solos meinerseits, bei denen ich mithilfe einer Fuzz Box den Sound der Gitarre aufbrach – eine Verzerrung, die sich durch ein paar Regler variieren ließ.

      Roy Pitt wurde zu einem guten Freund, und wir entspannten uns des Öfteren mal bei ihm zu Hause. Wir tranken und rauchten – eine vergleichsweise harmlose Einführung in die wilderen Seiten des Rock’n’Roll. Es wurde zur Norm, ein bisschen neben sich zu stehen – oder sogar völlig neben sich! Die Musik schien durch den Konsum dieser Substanzen noch besser zu werden.

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