Operation Terra 2.0. Andrea Ross

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Operation Terra 2.0 - Andrea Ross

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dich nicht!«, mahnte Philipp besorgt. »Olga ist trotz ihrer unbequemen Wesensart, welche vermutlich bloß aus ihrer schweren Krankheit resultiert, immer noch deine Mutter. Diese Frau hat dir einst das Leben geschenkt, du bist ihr deshalb lebenslänglich zur christlich inspirierten Fürsorge verpflichtet. Vielleicht will Gott durch ihr Verhalten nur deine Standfestigkeit und Opferbereitschaft prüfen!«

      Er verdrängte seine eigene Müdigkeit und machte sich daran, das mit Urin und Kot besudelte Bett seiner Schwiegermutter frisch zu beziehen. Dabei musste auch er ohne Unterlass bittere Vorwürfe über sich ergehen lassen, die er jedoch aus gutem Grund nicht kommentierte.

      Kaum war er mit seiner ekelerregenden Arbeit fertig, war es auch schon an der Zeit, zum abendlichen Gottesdienst aufzubrechen. Der gestresste Familienvater nahm sich vor, während der Predigt dieses Mal intensiv darüber nachzudenken, wie es mit ihm und seinem Anhang weitergehen sollte.

      Vielleicht wusste Pfarrer Laubenheimer Rat – er würde ihn nach der Messe einfach abpassen und hartnäckig versuchen, ihm ein Gespräch unter vier Augen abzunötigen.

      *

      Pfarrer Laubenheimer wirkte äußerst ungehalten, als Philipp Emmerson sich direkt vor seiner Nase aufbaute, um ihm den Rückweg zum Pfarrhaus abzuschneiden. Er war an diesem Freitagabend in großer Eile und musste sich sputen, um nicht verspätet am Treffpunkt zu erscheinen.

      Die Verlesung der täglichen Todesliste hatte wieder einmal nahezu eine halbe Stunde in Anspruch genommen; der sogenannte Gottesdiener fragte sich, welchen Sinn diese zeitraubende Aktion überhaupt noch machte; die Leute waren zwischenzeitlich so sehr abgestumpft, dass man ihnen mit einer Mär über den während der Nächte umgehenden Teufel kaum mehr Angst einjagen konnte.

      Die Mutigeren ließen es leichtsinnigerweise darauf ankommen, dass sie während nächtlicher Außenaktivitäten möglicherweise zum Opfer werden könnten. Selbstmord war den gläubigen Christen strengstens verboten, daher begab sich manch einer der Lebensmüden sogar absichtlich in Gefahr. Die Hinterbliebenen der von »Satan« Ermordeten brauchten hinterher wenigstens nicht mit kirchlicher Ächtung oder Repressalien zu rechnen, denn der Tote war ja de facto durch Einwirkung eines Dritten verstorben.

      Die restlichen Gemeindemitglieder saßen desinteressiert in den Kirchenbänken und ließen sich mit den makabren Nachrichten bloß noch teilnahmslos berieseln. Nur hin und wieder horchte jemand auf, weil er einen der verlesenen Namen zu kennen glaubte.

      Laubenheimer beschloss frustriert, diese unguten Entwicklungen nachher auf der Versammlung unbedingt ansprechen zu müssen. Vielleicht hatten er und seine Brüder im Geiste die Schraube des Schreckens bereits überdreht. Die anfangs recht erfolgreiche Maßnahme zur Kontrolle der Bürger schien jedenfalls nicht mehr im erforderlichen Ausmaß zu greifen.

      Doch zuallererst musste er diesen nervigen Emmerson loswerden; und das funktionierte höchstens, indem er ihm kurz sein Ohr lieh.

      »So sprich eben, was hast du auf dem Herzen? Wie kann der gute Hirte einem Schäflein aus seiner Herde weiterhelfen? Aber fasse dich kurz, auch andere Menschen bedürfen heute noch meiner Fürsorge!«, sagte er halbherzig und wippte ungeduldig mit dem linken Fuß, während sein unsteter Blick in die Ferne glitt. Verdammt – er würde zu spät kommen!

      »Zunächst vielen Dank, dass Sie sich meines Problems persönlich annehmen wollen!«, freute sich Philipp gerührt. Tränen der Erleichterung standen in seinen blauen Augen.

      »Es ist wegen meiner Familie! Wir haben jetzt sechs kleine Kinder und dazu meine pflegebedürftige Schwiegermutter zu versorgen. Mehr als drei Betten passen nicht in die Wohnung, so dass Swetlana und ich seit einiger Zeit auf der Couch im Wohnzimmer schlafen, während sich die Kinder und meine Schwiegermutter die Betten teilen müssen. Ich gehe zwei sehr anstrengenden Berufen nach und kann Swetlana beim besten Willen nicht im Haushalt und bei der Kindererziehung unterstützen.

      Meine Frau ist nach der Geburt unseres jüngsten Kindes mit ihren Nerven so sehr am Ende, dass sie ihren Pflichten kaum mehr nachkommen kann. Doch verstehen Sie mich bitte nicht falsch; meine Ehefrau ist eine gute Christin und möchte liebend gerne aufopfernd für uns alle sorgen – nur bringt sie momentan kaum die dafür erforderliche Kraft auf.

      Daher rührt meine Frage, oder vielmehr meine Bitte: Gibt es für solche dringenden Fälle wenigstens vorübergehend Hilfestellung von der Kirche? Eine Haushaltshilfe vielleicht – oder, viel besser noch, einen externen Pflegeplatz für meine kranke Schwiegermutter? Eine Psychotherapie für meine Swetlana wäre natürlich auch sinnvoll, doch die kann ich mir finanziell nicht leisten.«

      Laubenheimer lächelte ironisch, räusperte sich. »Die Wege des Herrn sind eben unergründlich!«, deklamierte er mit harter Stimme. Diese reichlich abgedroschene Phrase benutzte er oft und gerne, in seinen Predigten manchmal sogar mehrfach hintereinander. Philipp bemerkte es mit aufkommender Verstimmung.

      »Gott will euch prüfen und herausfinden, ob seine Diener bereit und in der Lage sind, in puncto Selbstaufopferung in die überdimensional großen Fußstapfen von Jesus Christus zu treten. Er ist für uns Menschen am Kreuz gestorben! Und da sollte ausgerechnet die Kirche eingreifen und seine göttlichen Pläne dir zuliebe durchkreuzen?

      Nein, mein Lieber! Es ist im Übrigen dein eigenes Problem, wenn du deine Lendengegend so überaus schlecht unter Kontrolle hattest, dass du mehr Kinder in diese Welt gesetzt hast, als ihr betreuen könnt! Wie dem auch sei, da müsst ihr selber durch. Wenn du mich jetzt also entschuldigen würdest?«

      Als sich Pfarrer Laubenheimer ohne weiteren Kommentar abgewendet hatte und mit wehendem Talar davongeeilt war, blieb der vollkommen am Boden zerstörte Philipp mitten auf der Straße stehen. Seine Hände ballten sich unwillkürlich zu harten Fäusten.

      In seiner Brust kämpfte lähmende Verzweiflung gegen jäh aufsteigende Wut um die Vorherrschaft, denn er konnte beim besten Willen nicht verstehen, wie ausgerechnet ein Gottesmann sich so rücksichtslos verhalten konnte. Hätte der Pfarrer nicht verständnisvoller und vor allem hilfsbereiter reagieren müssen?

      Und wo mochte der ehrenwerte Herr Laubenheimer jetzt, nach Verrichtung seines heiligen Tageswerkes, eigentlich so dringend hinmüssen? Die Sonne stand schon tief, bald würde sie hinter dem Horizont versinken. Hatte er ihn nur abwimmeln wollen und deswegen große Eile vorgeschützt? In diesem Fall hätte er ihn jedoch angelogen, hätte der Botschaft seiner eigenen Predigten zuwidergehandelt … !

      Philipp verspürte indessen keinerlei Bedürfnis, gleich in die bedrückende Enge seiner Behausung zurückzugehen. Er fühlte sich ohnehin nicht in der richtigen Verfassung, um Swetlanas Leid noch zusätzlich auf seine verspannten Schultern zu packen.

      Nach einigen Sekunden des ängstlichen Zauderns entschied er sich kurzentschlossen, dem Pfarrer heimlich zu folgen. Er musste einfach Gewissheit darüber erlangen, ob es sich bei diesem Gottesdiener um einen aufrichtigen Mann handelte, der ausschließlich das Wohl der Gemeindemitglieder seines Sprengels im Schilde führte. Schließlich hatten Philipp schon früher gelegentlich Zweifel an dessen uneingeschränkter Integrität beschlichen.

      ›Auch wenn allmählich die Dunkelheit hereinbricht – in der Nähe eines Pfarrers müsste ich doch vor tödlichen Angriffen des Teufels geschützt sein! Es wäre inzwischen wahrscheinlich sowieso zu spät, um noch umkehren und bei Tageslicht in mein Wohnhaus zurückkehren zu können‹, überlegte sich Philipp voller Zuversicht, während er im gebotenen Abstand hinter Laubenheimer her hetzte.

      Die breiten Straßen Berlins lagen bereits verwaist im Zwielicht der Dämmerung, denn die Menschen achteten schon aus Sicherheitsgründen peinlich genau darauf,

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