Operation Terra 2.0. Andrea Ross
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»Aber gerne!«, hörte er sich zum eigenen Erstaunen selber sagen. »Ich liebe es, diese sirrenden Dinger zu fahren! Sie sind so schön bequem, flink und wendig!«
Tiberia, KIN-Zeit 13.5.8.7.3, Mittwoch
Kiloon zeigte sich seit einigen UINAL ungewohnt reiselustig. Normalerweise war es freilich üblich, dass Mitglieder der Marsdynastie jeden, den sie sprechen wollten, zu sich befahlen – doch gerade in den Räumlichkeiten des eigenen Regierungssitzes konnte sich der junge Herrscher seit einiger Zeit nicht mehr sicher fühlen. Seine technikbegeisterte Gattin neigte fatalerweise zum Spionieren.
Das hohe Risiko, dass sie seine Gespräche heimlich mithören und dabei Näheres über die anstehenden Zukunftspläne erfahren könnte, wollte er keinesfalls eingehen. Nicht jetzt, wo es um die Zukunft seines ganzen Volkes ging.
So kam es, dass Kiloon sich stattdessen mit zwei Leibwächtern in den Magnetzug setzte, um Solaras in dessen Privaträumen aufzusuchen. Der Vorderste der Sektion Archiv, Geschichte und Schrift würde seinem Regenten und dessen Begleitern für dieses Vorhaben extra grüne Gewänder zur Verfügung stellen, denn sein Weißes hätte ihn eindeutig als Mitglied der Regentenfamilie identifiziert und sofort ungewolltes Aufsehen erregt. Dasselbe galt für die dunkelrote Kleidung der Wachmänner.
Die unterirdische Bahntrasse für Privilegierte war nur über wenige Einund Ausgänge erreichbar; diese lagen allesamt in den jeweiligen Arbeitsräumen sämtlicher Sektionsvorderster Tiberias verborgen. Regent Kiloon vertraute Arden von allen infrage kommenden Würdenträgern noch am ehesten, deshalb hatte er sich spontan für dessen Exit entschieden.
Das letzte Wegstück bis zu Solaras‘ Wohnhaus würde er allerdings per Magnetfahrzeug zurücklegen müssen; er konnte nur hoffen, dass ihn während dieser Fahrt kein Mensch erkennen würde. Wahrscheinlich hätte niemand aus der tiberianischen Bevölkerung Verständnis dafür aufgebracht, dass ausgerechnet er als Regent die ultrastrenge Kleiderordnung missachtete.
Wenig später kündigte der geräuschlose Aufzug, welcher den Bahnsteig mit dem Sektionsgebäude verband, durch ein verhaltenes »Pling!« an, dass Kiloon und seine Begleiter am Ziel angelangt waren. Die Wandverkleidung glitt zurück und gab den Weg in Ardens Allerheiligstes frei.
Als der junge Archivar sich tief vor seinem Regent verbeugen wollte, um ihm devot seinen Respekt zu erweisen, hielt Kiloon ihn sogleich zurück. Er legte ihm energisch eine Hand auf die linke Schulter, schüttelte den Kopf.
»Ihr wisst doch, dass ich heute inkognito hier bin! Also gebt mir lieber gleich das vereinbarte Kleidungsstück, bevor mich noch jemand zu Gesicht bekommt. Ich ziehe mich schnell um, aber danach können wir uns gerne kurz unterhalten. Wir sind hier doch wirklich unbeobachtet, nicht wahr?«, fragte er sichtlich nervös und sah sich verstohlen um.
»Selbstverständlich! Meinen Berater habe ich unter einem Vorwand weggeschickt«, bestätigte Arden und hoffte inständig, dass sich Tirim tatsächlich auf den Weg zu Alannas geheimem Bauprojekt gemacht hatte. Er sollte dort zum Schein spazieren gehen, aus sicherer Entfernung Eindrücke sammeln und sich einen Überblick zum aktuellen Stand der Arbeiten im Felsental verschaffen.
»Es kann und darf nicht sein, dass unserer Sektion sämtliche Informationen über ein Großprojekt dieses Ausmaßes einfach vorenthalten werden!«, hatte er ihm achselzuckend erklärt.
»Irgendetwas müssen wir doch darüber dokumentieren – und wenn es vorläufig lediglich unsere eigenen Impressionen sein sollten, bis jemand ganz Bestimmtes sich endlich seiner, beziehungsweise ihrer Pflicht entsinnt und mit der Sprache herausrückt!«
Dennoch, der alte Tirim besaß ein untrügliches Gespür für Schwindeleien aller Art; falls er ihn durchschaut hätte, ließe ihn seine Neugier zunächst in der Nähe dieses Arbeitsraums verharren. Er könnte als Vorwand beispielsweise einen plötzlichen Schwächeanfall vorschützen oder über seine zahlreichen Gebrechen klagen, um anschließend unvermittelt wieder hier aufzukreuzen.
In seinem sehr fortgeschrittenen Alter konnte Tirim es sich bedauerlicherweise sogar leisten, ab und zu ganz offen Ungehorsam zu zeigen. Im Zweifelsfall würde er sein unbotmäßiges Verhalten geschickt auf irgendwelche kognitiven Beeinträchtigungen schieben und somit ungestraft davonkommen.
Vermutlich war dies einer der Gründe dafür, weshalb normalerweise im letzten Lebensabschnitt niemand mehr mit wichtigen Aufgaben betraut wurde! Tirim galt eben in vielerlei Hinsicht als Sonderfall.
Ardens Befürchtungen zum Trotz tauchte der eigenwillige Greis für dieses Mal jedoch nicht mehr auf; vielleicht hatte ihn seine Neugier also doch geradewegs zur angeordneten Observation des Felsentals getrieben. Jedenfalls konnte sich Kiloon nach ein wenig Smalltalk vollkommen unbehelligt auf den Weg zu Solaras‘ Wohnung am beschaulichen HammaltanWasserbassin machen.
›Hoffentlich bleibt Tirim weiterhin weg, bis der Regent am späten Nachmittag plangemäß zurückkehren und mitsamt seiner Entourage wieder in den Aufzug steigen wird!‹, dachte Arden aufatmend. Ihm stand insofern ein unruhiger Nachmittag bevor, denn er trug schwer an seiner Verantwortung für die Sicherheit des Regenten; jedenfalls, solange dieser in seinen Räumen weilte.
Als Kiloon einen schwimmenden Steg betrat, der von der Uferpromenade zu Solaras‘ türkisgrüner Wasserbehausung führte, kam ihm sein Gastgeber bereits winkend entgegen. Er hatte entlang des Ufers sämtliche Blüten von ihren Stängeln gepflückt, die er hatte finden können.
Es tat ihm leid um die pflanzlichen Lebewesen, denn Solaras konnte als sehr naturverbunden gelten. Die vorsorgliche Maßnahme war jedoch zweifellos notwendig, um böse Überraschungen von vornherein auszuschließen zu können. Winzige Nano-Augoren wurden nämlich neuerdings sehr gerne unauffällig inmitten hübscher Blumenkelche versteckt, wie er aus eigener leidvoller Erfahrung wusste. Wenn jedoch keinerlei Blütenstände mehr in der näheren Umgebung vorhanden wären, würden eben auch keine natürlichen Insekten dort verweilen wollen.
Falls während Kiloons Besuchszeitraum also dennoch Sitargas oder ähnliche Arten hartnäckig rund ums Haus summen sollten, wäre dies ein untrügliches Warnzeichen dafür, dass irgendwer digitalisierte Überwachungsdrohnen losgeschickt haben musste.
Solaras traute Alanna ebenso wenig über den Weg wie ihr eigener Ehegatte. Jetzt weniger denn je!
*
Der Regent kam ohne Umschweife zur Sache.
»Solaras … ich bin mir durchaus darüber im Klaren, dass wir dir während der letzten Mission das Äußers-
te abverlangt haben. Wahrscheinlich wirst du dich von den traumatischen Erlebnissen noch nicht einmal vollständig erholt haben; dennoch muss ich dir heute eine wichtige Frage stellen, auf die ich eine ehrliche Antwort erwarte!«
Das klang nicht gut. Gar nicht gut.
»Selbstverständlich! Womit kann ich Euch dienen?«, fragte Solaras höflich; er war alarmiert und analysierte im Hinterkopf bereits alle möglichen Gründe, weshalb Kiloon ihm eine derart nebulöse Ankündigung machen könnte. Der bei weitem