Charlys Sommer. Anett Theisen
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Читать онлайн книгу Charlys Sommer - Anett Theisen страница 6
Die Rezeptionistin schüttelte den Kopf. „Ist bereits erledigt.“
Verärgert schob Charly die Karte in die Tasche und angelte stattdessen einen zerknautschten grünen Schein hervor, den sie ihm unmissverständlich auffordernd entgegenhielt.
„Denken Sie beim Tanken an mich“, lächelte er und hob eine elegante Laptoptasche vom Boden auf. Mit einem freundlichen Gruß zu der Frau hinterm Tresen, die mit sichtlichem Unbehagen die Situation beobachtete, drehte er auf dem Absatz um und verhinderte so, dass Charly ihm effektvoll das Geld vor die Füße werfen konnte. Mit wenigen schnellen Schritten holte sie ihn ein und wollte ihm gerade den Schein recht unzeremoniell in die Hand drücken, als äußerst unpassend sein Handy klingelte.
Sie verpasste ihm einen Seitenblick der Kategorie ‚den Trick kenne ich’ und ging weiter zu ihrem Motorrad. Er war stehen geblieben und sie konnte ihn nicht mehr sehen, aber undeutlich hören. Sie spitzte die Ohren. Worte konnte sie keine unterscheiden, aber seine Stimme wechselte zwischen langmütiger Geduld und kompromissloser Argumentation. Sie war bereit, sich in den Sattel der Monster zu schwingen, als ihr die Gelegenheit bewusst wurde. Vorsichtig den Schein, den sie ärgerlich achtlos in den Tankrucksack gestopft hatte, glättend, ging sie zu seinem Wagen. Den Scheibenwischer bereits gelüpft, zögerte sie. Dienstreisen seien einsam, hatte er gesagt. Langsam ging sie zurück zu ihrem Motorrad. Sie suchte und fand einen Zettel und einen Stift, und im Portemonnaie noch einen Fünfziger.
Nach drei Zeilen wickelte sie Papier und Geld zusammen und platzierte beides gut sichtbar. Mit einem Blick aufs Kennzeichen des Wagens tippte sie die Kombination in ihr Handy und schickte die Nachricht an ihren Vater. ‚Bin gespannt, ob er was herausbekommt’, schmunzelte sie.
Der Fremde telefonierte noch immer. Eilig nun zog sie den Helm über die Ohren, saß auf und startete die Maschine. Im Losfahren sah sie, wie er mit enttäuschtem Gesichtsausdruck neben dem Geländer auftauchte und hob kurz grüßend die Linke vom Lenker.
Wenige Straßenzüge später war alles vergessen. Vor ihr lagen kleine, kurvige Landstraßen bei bestem Motorradwetter.
***
Der Umweg nach Stiege und anschließend sogar noch rauf nach Torfhaus war ein Muss, das sich gelohnt hatte. Selten war ihr so viel Aufmerksamkeit zuteil geworden. Sie nahm die Linke vom Lenker, grüßte einen entgegenkommenden Motorradfahrer und klopfte seitlich an den Tank der Monster. ‚Den Großteil verdanke ich dir’, dachte sie liebevoll an ihr Motorrad gerichtet. ‚Erstaunlich, wie schnell man in Kategorien verschwindet. Letztes Jahr war es die Anfänger-Kategorie. Nichts war ich weniger als das. Aber kaum einer hat es bemerkt, weil sie mich übersehen haben. Bis sie das Nachsehen hatten, im wahrsten Sinne des Wortes.’ Sie lachte unwillkürlich. ‚Jetzt bin ich aufgestiegen und werde gesehen. Prompt hagelt es Respekt, Zweifel, Neid und Missgunst. Immerhin alles selbst verdient. Finanziell und fahrtechnisch.’
Stolz durchrieselte sie.
‚Das ‚Spiel’ hat mit der Kleinen immer Spaß gemacht, aber mit dir ist es unvergleichlich. Auch da merke ich die Unterschiede. Sie wurde nie ernst genommen, heute haben mir mehr Opfer Paroli geboten als sonst. Oder es zumindest versucht. Das Wasser reichen konnte mir keiner.’ Noch immer schmunzelnd nahm sie das Gas weg, weil sie auf einen dahindümpelnden Sportwagen auflief. Das Überholen war hier verboten und im Allgemeinen achtete sie die Verkehrsregeln. Es war auch nicht mehr weit bis zum Abzweig.
Insgeheim hatte sie gehofft, den Fremden doch noch einmal zu treffen, hatte an beiden Treffs die Parkplätze der Autos kontrolliert, bevor sie gefahren war. ‚Na, vielleicht kann Dad mir da Infos beschaffen.’
Allmählich drang die Umgebung stärker in ihr Bewusstsein, das Spiel der Sonnenstrahlen und Schatten auf der Straße, das Grün der Buchen über ihr und das unverwechselbare niedertourige Schnurren ihrer Monster, das vom satten Klang des Wagens vor ihr fast überlagert wurde. ‚Schöner Sound’, bemerkte sie. ‚Ist das etwa der Porsche von der Ampel gestern? Die Farbe jedenfalls kommt hin und ist selten.’ Nur der gelangweilte Fahrstil passte nicht so recht. ‚Komm Junge, fahr zu, ich muss aufs Klo’, dachte sie und rutschte näher an den Tank.
Sie setzte den Blinker und bog ab ins Dorf. Wenig später schloss sie die Haustür auf. Sie hatte kaum Helm und Tankrucksack auf dem Sideboard deponiert, als das Telefon zu läuten begann. „Du musst jetzt warten“, sagte sie und verschwand hastig im Bad.
***
Gereon freute sich auf zu Hause. Er war platt. Weniger vom Umzug denn von der durchzechten Nacht. In der Schikane fiel ihm sein Verbremser vom Vortag ein. Kurz darauf tauchte ein Motorrad hinter ihm auf. ‚Wieso überholt der nicht? Ich bin wirklich nicht schnell unterwegs. Ach ja, Überholverbot. Na, der nimmt das aber genau.’
‚Moment, ist das nicht die Monster von gestern?’ Noch ehe er alle Implikationen dieser Feststellung begriff, bog das Motorrad ab. Die Straße hinter ihm war leer. Gereon trat auf die Bremse und wendete.
Filmreif.
Sekunden später bog auch er ins Dorf. Es gab nur eine einzige, kurvige Straße. Still und leer. Am Ortsausgang konnte er sie bis zu seinem Heimatort überblicken. Genauso leer. Er wendete wieder, langsam diesmal. Im Schritttempo fuhr er die Dorfstraße entlang und spähte in die Einfahrten. Die Monster war verschwunden.
***
Nur wenige Minuten später schloss sich langsam das Rolltor hinter seinem Porsche.
A Good Heart – Feargal Sharkey
Das Telefon läutete noch immer.
“Charly? Beatrix hier. Entschuldige den Überfall, ich habe dich reinfahren sehen. Kommst du bitte rüber? Ich habe ein kleines Problem.”
„Ich schau erst nach den Pferden und sage meinem Vater Bescheid, dass ich zu Hause bin, ok?“
„Sicher, bis gleich.“
***
„Da hast du dir einen interessanten Mann geangelt“, begrüßte sie Stevens Stimme, kaum dass der Rufton einmal erklungen war.
„Inwiefern? Und wie geht’s Dad?“, fragte sie und balancierte das Handy ungelenk zwischen Schulter und Ohr, während sie versuchte, den Deckel von der Packung Katzenfutter abzuziehen.
„Bestens“, rief ihr Vater aus dem Hintergrund. Konferenzschaltung also, und Steven hatte es nur wieder nicht erwarten können, ihr die Neuigkeiten vor den Bug zu setzen. Sie lauschte seiner Aufzählung an Stationen und Posten.
„Er könnte dein Vater sein“, beendete er schließlich die beeindruckende Auflistung.
„Ich hätte ihn jünger geschätzt als Dad“, antwortete sie, defensiv.
„Er ist reichlich fünf Jahre älter als ich“, ertönte die amüsierte Stimme ihres Vaters.
„Er hat mein Zimmer bezahlt“, knurrte sie ins Telefon.
„Abgesehen davon, dass er sich das leisten kann …,“ antwortete er, plötzlich ernst, und fuhr mit verändertem Tonfall fort: