Paul Schneider – Der Prediger von Buchenwald. Margarete Schneider

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Paul Schneider – Der Prediger von Buchenwald - Margarete Schneider

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Operation oder Sterbebegleitung anvertraut hat. Daraufhin hat sie in verschiedenen Familien als Haushaltshilfe gedient.

      Ende Oktober 1923 legte Paul in Koblenz das zweite theologische Examen ab. »Meine wissenschaftliche Hausarbeit: ›Was ist von dem Begriff der Heilstatsachen zu halten?‹ hatte mich diese Frage ganz im positiven Sinn beantworten lassen … Die Arbeit half mir sehr zur theologischen Klärung des eigenen Standpunktes. Du weißt, ich musste mich von dem liberalen Standpunkt dahin durchfinden« (Brief).

      In seiner Hausarbeit zum Thema »Was ist von dem Begriff der Heilstatsachen zu halten?«, die der Kandidat Schneider im Sommer 1923 geschrieben hat, setzt er sich mit dem Theologen Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher (1768–1834) auseinander, den er als Begründer jener liberalen Theologie versteht, die »alles Gewicht auf die Erforschung des menschlichen Lebens Jesu« lege. »Die absoluten Heilstatsachen, Kreuz und Auferstehung als Krönung der Heilsgeschichte«, würden dabei wenig in den Mittelpunkt gestellt. »Sein [Schleiermachers] Ausgangspunkt bleibt das menschliche Selbstbewusstsein. Sein Gottesglaube bleibt in einem Gottesbewusstsein stecken. Ein Erlösungswerk Gottes im eigentlichen Sinn kennt Schleiermacher nicht, er braucht es auch nicht, da sich ihm die Sünde ebenfalls in menschliche Bewusstseinsvorgänge auflöst.« Ganz anders sieht P. S. die »positive« oder »kirchliche« Theologie, die er nun, in Soest, bevorzugt. Er nimmt – im Sinn dieser »positiven« Theologie – die Sünde des Menschen ernst. Von daher wird ihm neu der Glaube an den Gott, der sich in seinen Heilstaten, im Kreuzestod Jesu und in seiner Auferweckung offenbart hat, wesentlich. Diese »Theologie der Heilstatsachen« findet er besonders bei dem Theologen Friedrich August Gottreu Tholuck (1799–1877), dem bedeutenden Professor und Studentenseelsorger in Halle. Deutlich ist im Blick auf die Entwicklung P. S.s, dass er sich in Soest, unter dem Einfluss Schlatters und Tholucks, von einem eher liberalen Theologen mehr zum Anhänger einer »positiven« oder, wie er es nennt, »kirchlichen« Theologie gewandelt hat.

      »Die praktisch-wissenschaftliche Arbeit hieß: ›Religions- und Moralunterricht‹. Da war ich in meinem Element. Ich stellte zwei Leitthesen auf! Religionsunterricht kein Moralunterricht und kein Religionsunterricht ohne Gesetzesunterweisung« (Brief).

      Zum Abschluss der Soester Zeit63 möchte ich das Wort eines der Soester Freunde bringen. Er schrieb nach Pauls Tod: »Paul war in unserem Kreis ein Eigenartiger. Wir haben uns alle von ihm hie und da gefallen lassen, was wir uns wohl von keinem andern hätten gefallen lassen. Bei ihm war das anders, weil die Lauterkeit seiner Gesinnung uns über allem Zweifel stand. Wir haben ihm nicht immer alle folgen können, er war einer von denen, die nicht anders können als eigene, auch einsame Wege gehen, aber er hat sicher uns alle in einer heilsamen Unruhe gehalten.«

      Aus Soest »flüchtete« Paul mit der letzten billigen Fahrgelegenheit in den »Berliner Osten«, um in der Stadtmission mitzuarbeiten. »Von Soest schrieb ich noch meinem Vater, dass ich unsere Kirche liebhabe, und fühlte doch zugleich die innere Notwendigkeit, außerhalb ihrer schützenden und stützenden Mauern das Wachsen und Werden des Reiches Gottes kennenzulernen und draußen in freiem Arbeiten für den Herrn innerlich zu erstarken und freier zu werden von jeder fleischlichen Liebe zur Kirche und zur Arbeit in derselben. Du kannst diesen meinen Wunsch begreifen.« – »So bin ich nicht von ungefähr gerade in den Schnepelschen Kreis geraten, der einst in Notzeit, um die Stadtmission zu entlasten, sich finanziell von ihr freigemacht hatte und seit der Zeit auch in äußerer Beziehung, in Sachen des täglichen Brotes, alles nicht mehr auf den Mittelsweg einer Organisation, sondern unmittelbar von dem lebendigen Herrn erwartet, ohne dass sich der Einzelne an ein bestimmtes Gehalt bindet.« »Dass die Auseinandersetzung mit einer Frömmigkeit, deren Ansprüche über die der hergebrachten kirchlichen Lehre hinausgehen, mir nicht so ganz leicht ist und mich wieder einmal die Rolle eines Bankrotteurs spielen lässt, ist letztlich doch auch als gutes Ergehen zu buchen. Wenn ich auch aus diesem merkwürdigen Berlin mit seinen noch merkwürdigeren Menschen schon mal habe ausrücken wollen, so hat Gott mir doch den Mut, wie Ihr mir wünscht, wieder gefrischt, und ich will nun gewiss nicht eher hier weg, als bis ich mit dieser Auseinandersetzung zurande gekommen bin. – Hier gibt es nämlich Menschen, die behaupten, Jesus nicht nur zu kennen und seiner Lehre zu folgen suchen, sondern ihn als die lebendige Kraft ihres Lebens zu besitzen, der sie frei gemacht hat von der Sünde, dass diese nun keine Gewalt mehr über sie hat. Sie behaupten das aber nicht nur, sondern machen ganz den Eindruck, als hätten sie ihr Leben wirklich vollkommen an Jesus ausgeliefert, liebten nur ihn allein und als seien sie wirklich allem Eigenen in Wunsch, Gedanke oder Gefühl abgestorben. Sie machen den Eindruck von wirklich Erlösten. Sie bewähren ihr Christentum in großer Opferkraft und Freudigkeit. Ganz kindlich verkehren sie mit dem Heiland wie mit dem nahen und wirklich lebendigen Freund, der gewiss all ihr Anliegen erhört. Da muss ich mir sagen, so ein Gotteskind bist du noch nicht. Ich fühle es, wie ein Bann trennt mich noch so viel unausgesprochene Sünde, soviel Hängen an eigenen Wünschen, soviel Trotzen auf eigene Gedanken von ihm. So kommt es, dass ich aus einem Subjekt der Mission erst mal ihr Objekt geworden bin« (Brief vom 25. März 1924).

      »Bei dem wahren Hexensabbath64 von religiösen Strömungen, den Berlin darstellt, ist die Seelsorge ungemein schwierig, und es heißt dabei sehr: Prüfet die Geister. Fromm sein wollen sehr viele, aber lehrreich ist darum auch, hier einmal unterzutauchen.« – »Mit der ›Werkheiligkeit‹65 berührst du einen wunden Punkt bei mir. Dafür bin ich dir dankbar. Und das Ende der Werkheiligen wäre schließlich, dass sie die Welt räumen müssten, und ihre Schuld ist, dass sie innerlich noch nicht recht ausgegangen sind von der Welt und nicht ihr Bürgerrecht im Himmel haben. Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.66 – Auch mein Dienst geht durch viel Not und Schwachheit und Irrtum, aber auch Hilfe von oben. Die ›flatternden Fahnen‹ gibt uns der weise Meister dann, wenn wir sie vertragen können.« (Aus einem Brief an den Schwager Karl Dieterich vom 31. Juli 1924.) – Beide Väter sorgen sich um Paul, dass er ein Kirchenstürmer werde. »Man hat’s nicht leicht, wenn sich zwei Väter gegen einen verschwören.« – »Ich habe viel Schönes hier schon erleben dürfen. Mit zum Schönsten aber gehört doch die Begegnung mit einem alten Mütterlein, meiner Wirtin, das selbst in einer durch Fallen und Knochenbruch ihr auferlegten Geduldsprobe die rührendste Dankbarkeit gegen ihren lieben Heiland nicht verliert.« Mit diesem »Muttchen« war er bis zu ihrem Ende über Jahre hinaus eng verbunden. Ebenso bleibt er Seelsorger eines Trinkers, dessen verworrene Lebensverhältnisse er immer wieder zu ordnen sucht.

      Über den von ihm geleiteten Teil der Berliner Stadtmission in den frühen Zwanzigerjahren berichtet Erich Schnepel (gest. 1965) in seiner Autobiografie67, die Motivation der hier Aktiven sei nicht zuletzt aus ihren Erfahrungen im Weltkrieg entsprungen. »Sie hatten in die Tiefen des menschlichen Lebens und in seine Dämonie hineingesehen. Sie hatten aber auch erfahren, dass Jesus größer ist als alle die dämonischen Gewalten, die sich in dem furchtbaren Geschehen des Krieges ausgetobt hatten.« Es sei damals landauf, landab leicht gewesen zu evangelisieren. »Die Menschen waren offen, verzweifelt, unsicher, hungrig nach wirklichem Leben.« Besonders im Berliner Osten, in dem die Arbeitermassen die Schwere dieser Jahre hart durchlitten hätten. Das Stadtmissionshaus in der Großen Frankfurter Straße, genannt das »Rote Haus«, sei in der Regel übervoll gewesen, auch von Leuten, die sie gar nicht eingeladen hätten. Auch sozialistische Jugendgruppen hätten hier den Ort gefunden, an dem sie ihre brennenden Fragen hätten diskutieren können. Leidenschaftlich sei gefragt worden: »Wer ist Jesus? Was kann er uns heute noch sein?«

      Was die Mitarbeitenden antrieb, bezeichnet Schnepel so: »Wenn Jesus für alle Menschen in den Tod gegangen ist, dann gibt es keinen Menschen, dem unsere Liebe nicht gehört und dem wir nicht den Weg zu Jesus bahnen möchten.« Eine große Rolle spielte die missionarische Seelsorge an Trinkern. Die innere Verbindung mit Jesus befreite zahlreiche Alkoholiker von ihrer Trunksucht.

      Im Bibelhaus »Malche« in Freiwaldau/Oder fand Schnepels Stadtmission geistliche Zurüstung. Schnepel hatte bald erkannt, dass missionarische Hyperaktivität nur Leerlauf bewirke und dass die eigentliche Mission von Christen in ihrer christlichen und geschwisterlichen Existenz bestehe. Die Bruderschaft wurde besonders gepflegt. Abendmahlsfeiern als Lob- und

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