Das Reisebuch Europa. Jochen Müssig
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Spurensuche im alten jüdischen Viertel
Jenseits des Wawel und des Grüngürtels Planty, der die Altstadt umringt, erreicht der Spaziergänger bequem das Viertel Kazimierz. Wo vor dem Zweiten Weltkrieg 64 000 Juden lebten, waren nach deren Vertreibung durch die Nationalsozialisten jahrzehntelang nur noch wenige Spuren jüdischen Lebens zu finden. Kazimierz verfiel. Heute erlebt das Viertel seine Wiedererweckung: Alte Synagogen öffnen wieder ihre Türen, Restaurants bieten koschere Speisen, zwei jüdische Friedhöfe gemahnen an die Vergangenheit. Doch der Blick geht nicht nur zurück: Jeden Sommer zieht das jüdische Kulturfestival internationale Künstler und Besucher an und bringt Leben in die Straßen.
Darüber hinaus hat sich Kazimierz zum In-Viertel der Stadt gewandelt. In den Kneipen und Bars rund um den Plac Nowy schlägt der Puls des jungen Krakau. Studenten und Künstler lieben es, dort den Tag ausklingen zu lassen. Abendliche Flaneure werden gerne willkommen geheißen, auch wenn sie nur zur Stippvisite in Krakau sind.
TOP
Wie die Altstadt von Krakau gehört auch das Salzbergwerk von Wieliczka zum Weltkulturerbe. 2013 wurde die Stätte um das Salzbergwerk in Bochnia erweitert. Beide Minen liegen östlich der Stadt und sind bequem mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. In Bochnia wurde erstmals 1248 Salz abgebaut, in Wieliczka begann der Abbau wenig später. Im Lauf der Jahrhunderte sind zahlreiche Höhlen und teilweise riesige Hallen entstanden, die sich in Wieliczka auf einer Strecke von rund 300 Kilometern verteilen. Die berühmteste ist die Kapelle der heiligen Kinga, in der die Bergleute einst Skulpturen aus dem Salz gehauen und Gottesdienste gefeiert haben. Zu den beeindruckendsten Räumen in Bochnia gehört ein unterirdisches Basketball-Spielfeld. In beiden Bergwerken finden Patienten mit Atemwegserkrankungen Linderung. Sowohl Wieliczka als auch Bochnia können im Rahmen von geführten Touren besichtigt werden.
WEITERE INFORMATIONEN
Das Salzbergwerk von Wieliczka birgt die Kapelle der heiligen Kinga.
Die Heimat der Hanse
Für viele Polen ist ihre Küste Urlaubsziel Nummer eins, und auch immer mehr Ausländer werden neugierig auf die Region. Nicht täglich kann die Ostsee im Sommer mit schönsten Temperaturen punkten. Doch wenn die Sonne strahlt, dann sorgen die endlos scheinenden Sandstrände für ein Karibikgefühl. Magnete sind auch die Hansestädte, allen voran das nach dem Zweiten Weltkrieg wiederauferstandene Danzig.
Der Blick an der Mottlau fällt auf das Danziger Krantor.
Von Lübeck im Westen bis Danzig im Osten bildet die Ostseeküste eine Einheit. Die Grenze zwischen Deutschland und Polen führt zwar zu einem künstlichen Bruch, doch hüben wie drüben locken geschichtsträchtige Städte, ein weiter Horizont und reizvolle Strände. Nach den Jahrzehnten des Eisernen Vorhangs ist es heute ein Leichtes, so weit an Usedoms Strand nach Osten zu wandern, bis man unversehens auf dem Strand von Uznam steht – eine Insel, zwei Namen: Willkommen an der polnischen Ostseeküste!
Dem Erbe der Handelsmacht verpflichtet
Wie auf einer Perlenkette reihen sich an Polens Küste Städte mit großer Vergangenheit aneinander, die ein Wort verbindet: Hanse. Die erste Stadt ist Szczecin, ehemals Stettin. Sie hat sehr unter den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs gelitten und strahlt heute eher die Geschäftigkeit einer pulsierenden Hafenstadt als die Backsteingemütlichkeit einer Hansestadt aus. Dennoch sollte man sie auf der Route die Küste entlang nicht links liegen lassen.
Rund zwei Fahrtstunden gen Osten bietet das schmucke Städtchen Kołobrzeg beste Möglichkeiten, um sich am Meer zu erholen. Ältere Semester schätzen das frühere Kolberg als Kurbad und erfreuen sich an seiner Überschaubarkeit sowie der salzhaltigen Luft, und junge Familien mit Kindern sorgen dafür, dass es an den Eisständen der Altstadt und am Strand nicht allzu beschaulich zugeht.
Die Königin an Polens Ostseeküste kennt jeder: Gdańsk, das Deutschen unter dem Namen Danzig leichter über die Lippen geht. Nach dem Zweiten Weltkrieg stand in der alten Rechtstadt kein Stein mehr auf dem anderen. Heute ist davon nichts mehr zu spüren. Entlang von Langgasse und Langem Markt recken die Patrizierhäuser ihre sanierten Giebel wieder so stolz in den Himmel, als wäre es nie anders gewesen. Wer im Schatten der gewaltigen Marienkirche am Ende des Besuchs kein Souvenir aus Bernstein erstanden hat, der kann nicht in Danzig gewesen sein.
Sand, soweit das Auge reicht
Über kleinere Städte wie Darłowo (Rügenwalde) oder Ustka (Stolpmünde) nähern sich Reisende aus dem Westen dem ersten Naturhöhepunkt der polnischen Ostseeküste: dem Slowinzischen Nationalpark. Er bietet Sand satt. Kilometerlang ziehen sich die Strände an der Küste entlang. Der Badeort Łeba gilt als Eingangstor zum Nationalpark und zu seiner bekanntesten Attraktion: Mit 42 Metern Höhe wälzt sich die Wanderdüne Łaçka Góra über die Landschaft. Pro Jahr schafft sie rund zehn Meter und begräbt alles, was sich ihr auf dem Weg nach Osten in den Weg stellt. Dieses gigantische Meer aus Sand, nicht zufällig »Polnische Sahara« genannt, lässt sich gut auf Wanderwegen erkunden.
Auf der weiteren Reise wartet nahezu jeder Ort mit einem eigenen Sandstrand auf. Die beste Verbindung zwischen Natur und Stadt gelingt Danzigs Nachbarstadt Sopot. Vor dem Zweiten Weltkrieg war es unter dem Namen Zoppot als mondänes Seebad bekannt, und nach Jahrzehnten des Niedergangs präsentiert es sich heute wieder wie aus dem Ei gepellt. Vom Pflaster der Fußgängerzone bis zum Sand der Ostsee ist es ein einziger Schritt.
Wer in der Region über Sand spricht, kommt nicht an der Halbinsel Hel vorbei. Ihre Form erinnert an eine Sichel, und an ihrer schmalsten