Operation Terra 2.0. Andrea Ross

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Operation Terra 2.0 - Andrea Ross

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nicht, wie sie hier im zweiundzwanzigsten Jahrhundert jeder Einwohner besitzt – oder besitzen wird. Wir werden unsere Dienste anbieten müssen, um einen Schlafplatz zu erhalten. Hoffentlich funktioniert das noch auf dieselbe Weise wie früher. Ich denke, wir sollten für ein paar Tage hier bleiben, um uns grob zu orientieren. Danach können wir in nördlicher Richtung weiterziehen.«

      Zehn Minuten später erreichten sie das mutmaßliche Lager. Einige Erwachsene kamen auf das altersmäßig ungleiche Paar zu gelaufen. Einer schälte sich aus der Gruppe.

      »Schalom, ihr Wanderer. David ist mein Name. Ich nehme an, ihr sucht eine Auszeit aus dem Alltag im Büro, so wie die meisten anderen hier? Super, ihr habt euch ja bereits in einfache Gewänder gehüllt. Ein bisschen Verkleidung gehört eben auch zum totalen Aussteigen, nicht wahr?«

      Der schwarzhaarige Hüne mit der tiefen Stimme grinste, klopfte Solaras auf eine Schulter. Dann führte er ihn und seine ältere Begleiterin ins Dorf. Er hielt die beiden für Arbeitskollegen. Es kam häufiger vor, dass ganze Gruppen hier auftauchten, die die Nase voll von miefigen Stadtbüros hatten und vorübergehend am Puls von Mutter Natur leben wollten.

      »Wir müssen euch zuerst registrieren, damit ihr hinterher auch euer Taschengeld bekommt. Es ist nicht viel, aber darum geht es bei uns schließlich keinem. Wir leben, essen und arbeiten hier in Jad Mordechai zusammen. Apropos – habt ihr euch denn gar kein Zelt mitgebracht? Die Wohnhäuser dort drüben sind nämlich nur für die fest ansässigen Familien gedacht.«

      Solaras war etwas verunsichert, verneinte. Immerhin, der Fremde hatte von Geld gesprochen, und das konnten sie wahrlich gut gebrauchen. Und es legte den Schluss nahe, dass man hier auf Terra doch das einundzwanzigste Jahrhundert schrieb. Diese Erkenntnis würde einiges vereinfachen. Keine Identifikationsund Bezahlchips unter der Haut, noch keine Totalüberwachung der Bevölkerung … das ließ hoffen.

      »Wenn ihr wollt, könnten wir euch ein einfaches Zweimannzelt ausleihen. Unsere erwachsene Tochter hat es mittlerweile vorgezogen, mit ihrem neuen Freund in dessen Behausung zu nächtigen. Wie lange wollt ihr bleiben?«

      »Ein paar Tage, mehr nicht«, antwortete Kalmes. Aus dem Augenwinkel beobachtete sie das Treiben im Dorf. Jeder Einwohner schien irgendeiner Arbeit nachzugehen, man scherzte und half sich gegenseitig. Manche winkten den seltsam gekleideten Neuankömmlingen freundlich zu.

      »Der Kibbuz hier wird gemeinsam bewirtschaftet. Er trägt sich ausschließlich aus seinen landwirtschaftlichen Gewinnen. Wir bauen vor allem Orangen, Avocados und Grapefruits an, betreiben außerdem Austausch mit einer weiteren landwirtschaftlichen Genossenschaft, die andere Früchte kultiviert. Die Erwachsenen der festen Einwohner leben in kleinen Häusern wie diesem da.« Er deutete auf ein winziges, einfach gehaltenes Gebäude.

      »Und die Kinder?«

      »Die sind Tag und Nacht im separaten Kinderhaus untergebracht. Sie leben dort und werden unterrichtet. Sofern sie nicht bei der Ernte helfen oder zum Spielen draußen sind, heißt das. Ihre Eltern sehen sie nur stundenweise, oder zumindest beim Essen im Speisesaal.«

      »Eine sinnvolle Einteilung«, lobte Kalmes und warf Solaras vielsagende Blicke zu. Sie hatte längst erkannt, dass hier gewisse Parallelen zum tiberianischen System erkennbar waren, insbesondere zur Sektion Landwirtschaft und Versorgung. Vielleicht war Terras Bevölkerung ja mittlerweile doch zur Vernunft gekommen. Sie fragte sich allerdings, wozu in diesem Fall das sogenannte Taschengeld dienen sollte.

      »Habt ihr Pässe dabei?«, fragte der hünenhafte Bär, als sie die Registrierstelle erreicht hatten.

      Kalmes erschrak. »Äh … nein, leider … die müssen wir vergessen haben.«

      David schien für einen Augenblick zu stutzen. Dann hellte sich seine Miene wieder auf, und er lachte: »Ah, ihr nehmt es mit dem Aussteigen aber ziemlich ernst, hä? Nun gut … dann muss es eben ausnahmsweise ohne Papiere gehen.«

      Eine junge Frau fragte sie nach ihren Namen und wunderte sich, dass die Neuen offenbar nur die Vornamen nennen wollten. Und die waren reichlich merkwürdig, auch wenn die Tiberianer vorsichtshalber die Ortsund Zeitkennung ihrer Geburt wegließen. Es verbot sich natürlich, die alte terrestrische Identität zu verwenden. Beide ahnten, dass es eine Reihe von Fragen aufwerfen würde, falls man sich als Jesus von Nazareth und Maria Magdalena ausgäbe.

      »Ihr seht mir nicht aus, als wärt ihr zu Verbrechen fähig«, sagte die junge Dorfbewohnerin abschließend. »Ich respektiere, dass ihr inkognito hier leben wollt. Aber seid gewiss – sollte sich doch herausstellen, dass ihr vor irgendwem auf der Flucht seid, müsst ihr sofort gehen. Wir würden euch auch den Behörden ausliefern, damit in unserer Gemeinschaft der Frieden und die Sicherheit gewahrt bleiben.«

      »Nein, wir haben hier auf Terra … äh, der Erde … keinerlei Feinde oder Behörden, die uns verfolgen würden«, bemerkte Solaras diplomatisch. Er hasste Lügen, aber in dieser Version entsprach der Satz der reinen Wahrheit.

      Das Mädchen namens Esther nickte, scheinbar gab sie sich mit dieser Auskunft zufrieden.

      »Jetzt zeige ich euch noch die Ställe und das Museum. Ihr nehmt das Mittagessen mit uns ein – und dann frisch ab an die Arbeit«, lachte David und zeigte dabei zwei Reihen blendend weißer, kerngesunder Zähne. Kalmes registrierte es mit Erstaunen, denn vor zweitausend Jahren hatte nahezu niemand in diesem Alter ein vollständiges Gebiss besessen. Natürlich, auf Tiberia mit seiner vorbildlichen Gesundheitsversorgung, da war das normal …

      »Dieser Kibbuz wurde 1943 gegründet und nach dem Anführer des Aufstands im Warschauer Ghetto benannt. Der hieß Mordechai Anielewiecz. Mit diesem Museum hier bleibt die Erinnerung an die grausamen Verbrechen des Nationalsozialismus im Gedächtnis unseres Volkes erhalten, ebenso der außerordentliche Mut von Mordechai«, erklärte David. Er deutete auf ein hässliches graues Gebäude, das von einer blühenden Parkanlage umgeben war.

      Solaras verkniff sich die Frage, was bitteschön ein Museum sei. Er fragte sich, wieso ausgerechnet dieses Gebäude so groß war und dermaßen scheußlich aussah. Kalmes wiederum bemerkte desinteressiert: »Da möchte ich lieber nicht hineingehen. Es wirkt abweisend und düster.«

      »Das möchte ich meinen«, grinste David. »Und das mit voller Absicht. Was damals geschah, dürfen wir niemals vergessen. Es ist nicht zu fassen, dass es immer noch Menschen gibt, die den Holocaust an den Juden leugnen.«

      Als ihr Begleiter einen kurzen Plausch mit einem vorüber kommenden Dorfbewohner hielt, raunte Kalmes Solaras zu:

      »Da hast du es wieder! Wegen unserem fatalen Fehler mit diesem Adolf Hitler baut man noch Jahrzehnte danach finstere Häuser, in die man ebenso finstere Erinnerungen sperrt. Das Eingreifen unseres Volkes in die Geschichte Terras hat nachhaltige Spuren hinterlassen, nicht nur in Bezug auf Religion.«

      Er nickte nur achselzuckend.

      *

      Nach ein paar Tagen wagte es Solaras, David nach der Sperranlage zu fragen, die sich ganz in der Nähe befand.

      »Der Grenzzaun? Das fragst du doch nicht im Ernst, oder? Woher kommst du nur, dass du nicht einmal vom Gazastreifen wissen willst?«, wunderte sich der Einheimische.

      »Ich komme aus der Gegend um Nazareth. Und natürlich weiß ich vom Gazastreifen. Mir war nur nicht bewusst, dass die Grenze hier so nah ist«, seufzte Solaras schwitzend. »Etwas theoretisch zu wissen ist das Eine – aber etwas ganz anderes, wenn man dann persönlich davorsteht und die Grenze mit eigenen Augen sieht.«

      »Ah, na

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