Überlegt impfen. Paul Thomas

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Überlegt impfen - Paul  Thomas

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vor, dass ein Baby zu dem Zeitpunkt nicht etwas gelb im Gesicht ist. Wenn der Bilirubinwert ungefähr eine oder zwei Wochen lang extrem hoch bleibt192 – über 20 – kann ein Teil des Bilirubins ins Gehirn gelangen und dort zu einem dauerhaften Schaden, dem Kernikterus, führen.

      Während meiner Facharztausbildung sah ich einen Fall von Kernikterus bei einem frühgeborenen Jungen. Seine Haut war beunruhigend gelb und er hatte fast ständig Krämpfe, die sein Gehirn schädigten. Das Bild dieses kleinen Jungen macht mich noch immer traurig. Der letzte mir bekannte Fall von Kernikterus im Gebiet von Portland war vor rund zehn Jahren, als ein reif geborener Säugling nach Hause entlassen wurde und nicht zur Nachuntersuchung erschien. Im Alter von drei Wochen landete das Baby mit Krampfanfällen in der Notaufnahme. Die gute Nachricht ist, dass diese Krankheit durch richtige Kontrolle vollkommen vermieden werden kann.

      Bei stärker pigmentierten Babys ist der hohe Bilirubingehalt schwerer zu erkennen, aber eindeutig kann man es daran erkennen, wenn das Weiße im Auge des Babys gelb verfärbt ist. Die meisten Kinderärzte raten zu einem Test des Bilirubingehalts, ehe das Baby das Krankenhaus verlässt.

      Bei einem zu hohen Bilirubingehalt erhält das Baby Phototherapie. Ihr Arzt verschreibt eine spezielle Lichtdecke, die Sie unter und um Ihr Baby legen. In Erdteilen, in denen häufig die Sonne scheint und es keine Phototherapie gibt, sollten Sie Ihr Baby nahe ans Fenster legen, damit seine Haut so viel wie möglich indirektem Licht ausgesetzt wird. Vermeiden Sie zu starkes, direktes Sonnenlicht, damit es keine Verbrennungen auf der empfindlichen Haut des Babys gibt. Die meisten Babys vertragen fünfzehn oder zwanzig Minuten direktes Sonnenlicht und unbegrenzt indirektes Licht. Wenn das Licht auf die Haut trifft, stimuliert es die Zersetzung von Bilirubin, sodass es ausgeschieden wird. Auch durch zusätzliches Stillen sinkt der Bilirubinspiegel. Wenn Ihre Milch noch nicht eingeschossen ist, können Sie auf Spendermilch zurückgreifen und Ihr Baby nach dem Stillen von einem Teelöffel oder aus einer Pipette trinken lassen. Viele Stillexperten raten den Frauen von Fläschchen ab, weil dadurch das Stillen gestört werden kann. Aber wenn Ihr Baby lethargisch und dehydriert ist, braucht es Flüssigkeit, egal wie.

      In der Schwangerschaft hat Ihr Gynäkologe oder Ihre Hebamme wahrscheinlich einen Abstrich aus der Scheide genommen, um zu sehen, ob Sie Gruppe-B-Streptokokken (GBS), ein manchmal im Gastrointestinal- oder Harntrakt vorkommendes Bakterium, haben. Mit der durch Gruppe-A-Streptokokken hervorgerufenen Halsentzündung hat sie fast nur den Namen gemein. Bei zwischen 20 und 30 Prozent193 der Schwangeren wird das Bakterium nachgewiesen. Es ist also ziemlich häufig, dass Frauen positiv auf GBS getestet werden.

      Manche Gynäkologen machen als Vorsichtsmaßnahme zusätzlich unter der Geburt einen GBS-Test, für den Fall, dass es seit dem letzten Test zu einer Besiedelung gekommen ist. Falls Sie zuvor schon ein Baby mit GBS hatten, die Geburt in der 37. Woche oder früher einsetzt oder Sie positiv auf Gruppe-B-Streptokokken getestet werden, empfiehlt der Arzt meist die intravenöse Gabe von Antibiotika unter der Geburt. Üblicherweise handelt es sich dabei um Penicillin, das alle vier Stunden gegeben wird, bis das Baby da ist. Das ist nicht nötig, wenn ein geplanter Kaiserschnitt ansteht.

      Ich werde häufig gefragt: „Was soll ich machen? Soll ich die Antibiotika verweigern?“

      Mein Rat ist, offen mit Ihrem Arzt zu sprechen und mit ihm gemeinsam die beste Behandlungsform zu überlegen.

      Bei einer vaginalen Geburt oder wenn es zu einem Blasensprung (wobei das Fruchtwasser vor der Geburt durch die Vagina tröpfelt oder strömt) kam oder die Mutter zum Zeitpunkt der Geburt infiziert ist (mit Chorioamnionitis194, wobei das Fruchtwasser faulig oder nicht klar ist und die infizierte Mutter meist Fieber über 38 °C hat), kann sich das Baby mit Gruppe-B-Streptokokken infizieren. Infektionen mit Gruppe-B-Streptokokken können fatal sein und zu Meningitis, Hirnschäden und einigen anderen Problemen, die fast jedes Organ betreffen, führen. Zwar sind sie glücklicherweise selten, aber diese Infektionen führten bei bis zu vier von tausend Lebendgeburten zu schweren Erkrankungen. Bei einer Mutter mit Gruppe-B-Streptokokken lag die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Baby infizierte, bei rund 1 Prozent. Die Behandlung von Müttern mit Antibiotika reduzierte die Infektionsrate um 80 Prozent.

      Es ist besser, eine Übertragung von Gruppe-B-Streptokokken auf das Baby während der Geburt zu verhindern und der Mutter Antibiotika zu geben, als später ein krankes Kind zu behandeln. Schwierig ist, dass viele Eltern Antibiotika vermeiden möchten und daher das Risiko von 1:100, dass sich das Baby infiziert, eingehen. Zwar bin ich auch der Meinung, dass man Antibiotika wenn immer möglich vermeiden sollte, aber in dieser Situation sind die Risiken durch das Antibiotikum im Vergleich zu einer Infektion mit Gruppe-B-Streptokokken gering. Zeigt ein Baby Symptome einer Sepsis, darunter Fieber oder niedrige Körpertemperatur, schnelle Herzfrequenz, geringe Nahrungsaufnahme, kalte oder gefleckte Haut oder Schlappheit, muss ein Blutbild gemacht werden. Das Baby braucht Antibiotika und muss sehr genau überwacht werden, am besten auf der Neugeborenen-Intensivstation. Eine Sepsis entsteht, wenn die Zahl der Bakterien im Blut zunimmt. Häufig gehen sie auch ins Gehirn über. Unbehandelt kann sie tödlich verlaufen.

      Leidet die Mutter eindeutig unter Chorioamnionitis, begleitet von fauligem Geruch des Fruchtwassers, sollte das Baby unbedingt intravenös mit Antibiotika behandelt werden, weil das Infektionsrisiko einfach zu hoch ist.

      Doch bei einem strammen, offensichtlich gesunden, reif geborenen Baby, dessen Mutter positiv auf Gruppe-B-Streptokokken getestet wurde, fällt die Entscheidung schwerer. Ärzte sind schnell dabei, sowohl Mütter als auch Babys mit Antibiotika195 zu behandeln, wenn die Mutter unter der Geburt Fieber bekommt, auch wenn es nur leicht ist. Grund dafür ist eine vermutete Chorioamnionitis. Häufig hat der Gynäkologe bereits mit der intravenösen Antibiotikagabe bei der Mutter begonnen. Aber wenn keine erkennbaren gesundheitlichen Probleme vorliegen, gibt es keine Beweise, die für eine Antibiotikagabe beim Baby sprechen. Es ist sicherer, davon auszugehen, dass das Neugeborene gesund ist, und es in den kommenden Tagen und Wochen engmaschig auf Symptome zu kontrollieren.

      Häufig lassen Kinderärzte eine Blutuntersuchung des Babys durchführen, ein sogenanntes komplettes Blutbild, und reagieren angesichts der Ergebnisse über. Bei dieser Untersuchung werden verschiedene Blutbestandteile gemessen, unter anderem die roten Blutkörperchen (die für den Transport von Sauerstoff verantwortlich sind), weißen Blutkörperchen (die Infektionen bekämpfen) und Blutplättchen (die für die Blutgerinnung wichtig sind). Manchmal zeigen die Testergebnisse eine Erhöhung der weißen Blutkörperchen mit vielen „Blasten“ (unreife weiße Blutkörperchen, die belegen, dass das Baby mehr infektionsbekämpfende Zellen bildet). Dass mehr weiße Blutkörperchen vorhanden sind, kann durch eine Infektion bedingt sein, wird aber häufig auch einfach nur durch den Geburtsstress ausgelöst. Das kann allerdings dazu führen, dass Kinderärzte fälschlicherweise eine Infektion diagnostizieren, obwohl gar keine vorliegt. Sie können höflich das komplette Blutbild ablehnen oder, falls Ihr Arzt darauf besteht, ihn bitten, den Test erst durchzuführen, wenn das Baby mindestens sechs Stunden alt ist. Sollte er auf einem Test direkt nach der Geburt bestehen, bitten Sie ihn um eine Wiederholung nach sechs Stunden, ehe Sie der Gabe von Antibiotika zustimmen.

      Das Ziel ist, unnötige Antibiotika zu vermeiden, jedoch dann mit Antibiotika zu behandeln, wenn die Wahrscheinlichkeit einer Infektion hoch ist.

      Als 1987 mein erster Sohn geboren wurde196, gab es laut einer Arbeitsgruppe der American Academy of Pediatrics keine medizinische Indikation für eine routinemäßige Beschneidung. Ich war erst seit Kurzem Kinderarzt, hatte aber meine Facharztprüfung noch nicht abgelegt. Ich hatte das Gefühl, mich an die Vorgaben der Academy halten zu müssen, also wurde mein Sohn nicht beschnitten. Diese Entscheidung fiel mir schwer: Ich war beschnitten und wurde das Gefühl nicht los, dass

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